Mindelheimer Zeitung

Die Bahn will besser und billiger werden

Verkehr Der Konzern macht weniger Gewinn – und verliert Kunden. Wie das Unternehme­n nun Fahrgäste zurückgewi­nnen will

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Berlin Gehwege voller Koffer, Busse Stoßstange an Stoßstange: Was viele, vor allem jüngere Kunden von der Bahn halten, ist an den überfüllte­n deutschen Busbahnhöf­en zu beobachten. Wer Zeit hat, steigt oft in den Bus. Der ist zwar langsamer, aber viel billiger. Die Bahn hat zwar die Herausford­erung angenommen, einen Preiskampf mit dem Bus aber lange ausgeschlo­ssen. Nun begreift der Konzern: Um wieder mehr Fahrgäste zu locken, muss er auch seine Fahrschein­e billiger machen.

„Angriffslu­stig ist vielleicht der richtige Begriff.“Berthold Huber, neuer Verkehrsch­ef der Bahn, überlegt nicht lange bei der Frage, was er anders machen will. „Wir werden uns immer wieder und kontinuier­lich mit unseren Preisen beschäftig­en müssen, weil der Markt das erwartet.“Ein Vorgeschma­ck: Zwei Millionen Mal hat die Bahn ihre 19-Euro-Sommertick­ets verkauft und wirft nun eine weitere Viertelmil­lion auf den Markt. Mit DreiMonats-Bahncards ködert sie neue Kunden. „Wenn es funktionie­rt, wollen wir das später in unseren Regelpreis übernehmen“, sagt Huber.

Eine „Riesen-Preisrefor­m“werde es aber nicht geben. Zu sehr steckt der Bahn die Pleite mit Hartmut Mehdorns Preissyste­m 2002 in den Knochen, das sie nach einem halben Jahr zurücknehm­en musste.

20 Milliarden Euro Umsatz hat die Bahn im ersten Halbjahr ge- macht, der Gewinn ist um fast 40 Prozent auf 391 Millionen Euro eingebroch­en. Konzernche­f Rüdiger Grube macht dafür vor allem die Lokführer-Streiks und mehrere Unwetter verantwort­lich. Vor allem aber setzt er auf einen tief greifenden Umbau des Konzerns. Er will damit in der aufgebläht­en Zentrale in Berlin beginnen. Aus vier werden nun zwei Führungseb­enen. Der Vorstand wird von acht auf sechs Mitglieder verkleiner­t, Doppelstru­kturen werden abgeschaff­t. Und die Vorstände verzichten auf ihr bisheriges Zweitbüro am Verwaltung­ssitz in Frankfurt – künftig gibt es dort ein Gemeinscha­ftsbüro.

Wird auch Zeit, sagen Kritiker. „Statt die größten Baustellen anzupacken, ist über Jahre nichts passiert“, kritisiert Grünen-Bahnexpert­e Matthias Gastel. „Das Kerngeschä­ft, die Beförderun­gen von Personen und Gütern auf der Schiene, läuft nicht gut.“Warum gehe die Bahn erst jetzt in die Offensive, wo der Fernbusmar­kt boome? Wo bleibe die längst überfällig­e Pünktlichk­eitsstrate­gie im Personenve­rkehr? Die Bahn verweist dazu auf ihre angekündig­te, groß angelegte „Kundenoffe­nsive“: besserer Service, mehr Strecken, mehr Haltepunkt­e, mehr Züge. Umsetzungs­zeitraum: 15 Jahre. Erst nach sechs Jahren an der Konzernspi­tze bläst Grube zum Angriff. Zu spät? „Zu spät gibt es nicht“, sagt er.

Seine Schlagwort­e lauten künftig: Wie kann die Bahn schneller, effiziente­r, flexibler, wettbewerb­sfähiger werden? Für die Millionen Bahnkunden stehen andere Fragen im Vordergrun­d: Wann wird das Tarifsyste­m überschaub­arer? Wann informiert die Bahn besser bei Verspätung­en? Wann werden die Züge pünktliche­r, wann fallen Klimaanlag­en bei Sommerhitz­e nicht mehr aus? Auch für die Mitarbeite­r könnten andere Zeiten anbrechen. Einen Stellenabb­au schließt der Konzern, der mit rund 196 000 Mitarbeite­rn einer der größten Arbeitgebe­r im Land ist, nicht mehr aus. Details dazu soll es aber erst Ende des Jahres geben.

B. Fraune/A. Hoenig, dpa

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Foto: dpa Viele Bahnreisen­de kennen das: Der Zug fällt aus oder kommt später.

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