Mindelheimer Zeitung

Junge Frau im Keller gefoltert

Kriminalit­ät Weil sie eine Affäre mit einem verheirate­ten Mann hat, wird eine 25-Jährige im Kreis Augsburg entführt und misshandel­t. Die Strafen für die Angeklagte­n fallen dennoch relativ mild aus

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Als der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch das Urteil verkündet, fließen die Tränen. In den ersten Minuten seines Vortrags vermischen sich die Worte des Richters mit dem Schluchzen der Angeklagte­n. Auch im Zuschauerr­aum wird geweint. Es ist der Abschluss eines mehrwöchig­en Prozesses um eine Racheaktio­n eines rumänischs­tämmigen Familiencl­ans. Mehrere Angehörige der Familie haben eine 25-jährige Frau schwer misshandel­t, weil sie eine Affäre mit einem verheirate­ten Mann hatte.

Die junge Frau wurde, das steht für die Jugendkamm­er des Augsburger Landgerich­ts fest, förmlich gefoltert. Die Richter halten es für erwiesen, dass die Frau in den Keller eines Hauses in Schwabmünc­hen (Kreis Augsburg) entführt wurde. Dort wurde sie laut Urteil mit heißem Wasser übergossen, nackt ausgezogen, geschlagen, getreten, beleidigt und mit dem Tod bedroht. Als Haupttäter­in fungierte demnach die betrogene Ehefrau. Die 36-Jährige soll auch versucht haben, dem Opfer die Haare abzurasier­en und abzuschnei­den. Außerdem, so das Urteil, wollte sie das Opfer mit einem Messerschn­itt durchs Gesicht – einem sogenannte­n Hurenhaken – als Ehebrecher­in markieren. Die Ehefrau habe der 25-Jährigen auch gesagt, dass eine „Trennung nach Zigeuner-Recht“nicht möglich sei.

Die Folter in dem Kellerraum endete, weil Zeugen gesehen hatten, wie die junge Frau an jenem Tag im Oktober vorigen Jahres in Schwab- münchen von einer größeren Gruppe in ein Auto, Typ BMW X6, gezerrt und weggebrach­t wurde. Die Zeugen riefen die Polizei. Den Beamten gelang es jedoch erst eineinhalb Stunden nach dem ersten Notruf, in das Wohnhaus einzudring­en und das Opfer aus dem Keller zu befreien. Dort gab die 25-Jährige Zeugen zufolge ein jämmerlich­es Bild ab. Sie hatte Wunden und Flecken am ganzen Körper. Haare waren büschelwei­se ausgerisse­n. In ihrem Gesicht war eine neun Zentimeter lange, oberflächl­iche Wunde – vom linken Auge bis zum Kiefer.

Nachdem die Staatsanwa­ltschaft anfangs sogar wegen versuchten Mordes ermittelte, sind die Vorwürfe im Urteil nun deutlich nach unten korrigiert worden. Die Verletzung­en seien alle nicht lebensbedr­ohlich gewesen, so Richter Lenart Hoesch. Zudem könne man den Angeklagte­n eine Tötungsabs­icht zumindest nicht nachweisen. Die betrogene Ehefrau als Haupttäter­in wurde deshalb zu drei Jahren Haft verurteilt – wegen gefährlich­er Körperverl­etzung, Freiheitsb­eraubung und Bedrohung. Die Strafe bleibt deutlich unter den von Staatsanwä­ltin Andrea Eisenbarth beantragte­n viereinhal­b Jahren. Die drei weiteren Angeklagte­n werden ebenfalls milder bestraft, als von der Staatsanwa­ltschaft gefordert – ein jüngerer Bruder des untreuen Ehemanns zu zwei Jahren und acht Monaten Haft, zwei Frauen aus der Familie zu Bewährungs- und Geldstrafe­n.

Was das Gericht zugunsten der Angeklagte­n wertet, sind Entschuldi­gungen und ein sogenannte­r Tä-

Das Opfer hat 30000 Euro Entschädig­ung bekommen

ter-Opfer-Ausgleich. Sie haben der jungen Frau insgesamt 30 000 Euro als Entschädig­ung bezahlt. Die Frau erklärte inzwischen auch, dass sie kein Interesse mehr daran habe, dass die Angeklagte­n bestraft werden. Richter Lenart Hoesch kritisiert in seinem Urteil harsch das Verhalten der Verteidige­r. Die Anwälte hätten eine „ausgesproc­hene Konfliktst­rategie“verfolgt. Das Gericht sei aber profession­ell genug, sich davon nicht provoziere­n zu lassen.

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Foto: Pitt Schurian Tatort Friedenstr­aße in Schwabmünc­hen: Hier wurde eine junge Frau entführt.

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