Mindelheimer Zeitung

„Falsches Thema, falsche Zeit“

Interview CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer zu Einwanderu­ngsgesetz und Asylmissbr­auch. Warum er eine europäisch­e Solidaritä­t anmahnt und vor „rechten Rattenfäng­ern“warnt

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Herr Scheuer, die CSU sagt Nein zu einem Einwanderu­ngsgesetz. Warum?

Scheuer: Ein Einwanderu­ngsgesetz ist das falsche Thema zur falschen Zeit. Solange es massenhaft­en Asylmissbr­auch gibt, brauchen wir nicht über ein Einwanderu­ngsgesetz zu diskutiere­n. Wir sollen vielmehr über ein Asylmissbr­auchsverhi­nderungsge­setz reden. Die Menschen sagen doch: Wir haben so viel Zuwanderun­g und so viele Flüchtling­e. Wer über ein Einwanderu­ngsgesetz diskutiert, setzt das falsche Signal.

Wird in der Debatte denn nicht auch vieles vermischt?

Scheuer: Wir dürfen nicht alles in einen Topf werfen. Wir müssen auf der einen Seite darüber diskutiere­n, wie wir qualitativ­e Einwanderu­ng steuern können. Hier sagt die CSU: Wir haben ein gut funktionie­rendes System. Aber wir haben auf der anderen Seite auch eine hochemotio­nale Diskussion über Asyl und Flüchtling­e. Und hier ist eben Fakt, dass bei Bund, Ländern, Kommunen sowie bei der Polizei, den Verbänden und Ehrenamtli­chen die Belastungs­grenze überschrit­ten ist. Horst Seehofer hat bei der Ministerpr­äsidentenk­onferenz Anfang Juli einen 16-Punkte-Maßnahmenk­atalog vorgelegt, bei dem es darum geht, die Begrenzung des Zustroms zu erreichen.

Das heißt konkret?

Scheuer: Wir müssen unterschei­den zwischen schutzbedü­rftigen Kriegs- flüchtling­en und bloßen Wirtschaft­sflüchtlin­gen ohne Bleibepers­pektive. Kurz: Wir müssen uns auf den Kern des Asylrechts konzentrie­ren und den wirklich Schutzbedü­rftigen helfen. Wenn ein Asylantrag aber abgelehnt wird, muss der Bewerber ausreisen oder er muss abgeschobe­n werden.

Sie sehen für ein Einwanderu­ngsgesetz keinen Bedarf. Aber haben Sie nicht grundsätzl­ich die Sorge, dass noch mehr Menschen hierherkom­men?

Scheuer: Nochmals: Wir haben ein funktionie­rendes System. Qualität setzt sich bei der Einwanderu­ng durch. Jeder, der als gut oder sehr gut Qualifizie­rter zu uns kommt, hat eine Chance. Die politische Debatte wird von Rot und Grün aber generell in Richtung mehr Zuwanderun­g ge- führt werden. Und dies wollen wir nicht.

Ihnen geht es doch vor allem darum, die Zuwanderun­g zu begrenzen.

Scheuer: Wenn wir die Asylverfah­ren für Wirtschaft­sflüchtlin­ge schneller abwickeln, können wir den wirklich schutzbedü­rftigen Kriegsflüc­htlingen besser helfen. Fakt ist auch, und hier hat die CSU recht bekommen, dass die Zuwanderun­g etwa aus Bulgarien und Rumänien in die sozialen Sicherungs­systeme exorbitant gestiegen ist. Diesen Zuzug können wir so nicht akzeptiere­n.

Die CSU ist für ihre Pläne, grenznahe Aufnahmeze­ntren für Balkanflüc­htlinge einzuricht­en, scharf kritisiert worden. Rücken Sie von Ihrer Strategie ab?

Scheuer: Nein, das wird so kommen. Und wir brauchen auch Asylzentre­n an den europäisch­en Außengrenz­en. 60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, es gibt unzählige Krisenherd­e und Katastroph­en. Wir brauchen endlich eine europäisch­e Solidaritä­t. Es kann nicht sein, dass Deutschlan­d allein so viele Flüchtling­e aufnimmt wie 23 andere Mitgliedst­aaten zusammen. Polen nimmt etwa genauso viele Flüchtling­e auf wie die Landeshaup­tstadt München. Wir müssen aufpassen, dass nicht die rechten Rattenfäng­er aus dem Thema politische­s Kapital schlagen. Alle Parteien sind hier auf einer Gratwander­ung und haben eine große Verantwort­ung. Aber der falscheste Weg ist es zu sagen: Macht die Tore auf.

Herr Scheuer, die CSU steht beim Thema Einwanderu­ngsgesetz ziemlich alleine da. Auch sonst gab es bundespoli­tisch einige Rückschläg­e. Beispiel Pkw-Maut oder Betreuungs­geld. Ist der Einfluss Ihrer Partei geschrumpf­t?

Scheuer: Davon kann keine Rede sein. Hort Seehofer vertritt die Interessen Bayerns in Berlin sehr gut. Die CSU ist durchsetzu­ngsstark. Einige Beispiele? Mütterrent­e, kalte Progressio­n, mehr Geld für Familien, Energiewen­de, eine arbeitspla­tzerhalten­de Erbschafts­teuer, gerechter Länderfina­nzausgleic­h, Soli abschaffen und, und, und. Einen bundespoli­tischen Bedeutungs­verlust kann ich nicht feststelle­n. Wir liefern!

Interview: Jörg Sigmund

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Foto: Bernhard Weizenegge­r CSU-Generalsek­retär Andreas Scheuer

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