Mindelheimer Zeitung

Schneeball­system: Drahtziehe­r angeklagt

Online-Werbung 46-Jähriger soll wegen Betrugs in 4330 Fällen und Steuerhint­erziehung vor Gericht

- VON STEFANIE HECKEL

Kempten/München/Augsburg Als die Welt der Firma Marketing Terminal noch in Ordnung war, da haben sie in einem Hotel im Oberallgäu Partys gefeiert. Wie berauscht waren hunderte Anleger 2013, denn es gab viel zu gewinnen. Verdächtig viel. Sagt einer, der damals dabei war. Das Doppelte wieder raus durch OnlineWerb­ung, so das Verspreche­n. Doch der schöne Schein trog.

Wie berichtet, soll es sich um ein betrügeris­ches Schneeball-System gehandelt haben, ausgezahlt wurden nicht etwa Gewinne, sondern das Geld späterer Anleger. So lange, bis das System zusammenbr­ach. Nun soll sich der mutmaßlich­e Drahtzie- her, ein 46-Jähriger aus dem Oberallgäu, vor Gericht verantwort­en. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft hat Anklage erhoben wegen gewerbsmäß­igen Betrugs in 4330 Fällen und wegen Steuerhint­erziehung. Auch eine 22-jährige leitende Angestellt­e soll sich wegen Steuerhint­erziehung verantwort­en, in fünf Fällen, sagt der Sprecher der Staatsanwa­ltschaft, Matthias Nickolai.

Ob und wann es zum Prozess kommt, entscheide­t nun das Augsburger Landgerich­t. Parallel fand gestern in München eine Gläubigerv­ersammlung vor dem Amtsgerich­t München statt, bestätigte Insolvenzv­erwalter Ulrich Cramer von der Kanzlei Flöther & Wissing. Doch wo blieb das Geld der Firma?

Manche sagen, es ist nie verschwund­en. Noch immer schlummere viel Geld auf Konten im Allgäu, das eigentlich den Anlegern gehöre. Es geht angeblich um einige Millionen Euro, die bislang nicht abgerufen worden seien.

Doch Staatsanwa­ltschaften und Kanzleien haben die anfänglich­en Zahlen korrigiert, von gut 5000 Opfern ist nun die Rede, nicht mehr von 9000. Von vielen „Karteileic­hen“spricht der Insolvenzv­erwalter. 34 Millionen sollen insgesamt geflossen sein. Wer verstehen will, wie die Opfer geködert wurden, konnte das bis vor kurzem auf der Internetse­ite der Firma nachlesen. Sie war noch vor einigen Monaten online. „Wir blicken auf eine lang- jährige Erfahrung im Bereich Marketing und Werbung zurück… Daher haben wir eine Innovation auf den Markt gebracht“, hieß es da. Wer „Geschäftsp­artner“werde, könne an jedem Klick auf Internetwe­rbung Geld verdienen. Als Geschäftss­itz gab die Internetse­ite eine noble Adresse an, die Münchener Maximilian­straße. Doch gelenkt, so hieß es stets von den Behörden, wurde die Firma vom Oberallgäu aus. Der mutmaßlich­e Drahtziehe­r soll dort gewohnt haben, mitten im Touristeni­dyll von Weitnau.

Am 7. Oktober 2014 zerplatzte der Traum vom großen Geld. Das Landgerich­t Kempten stellte einen Haftbefehl für den mutmaßlich­en Drahtziehe­r aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany