Mindelheimer Zeitung

Freundscha­ft mit Franz

Sommer-Serie: Unsere Leser erzählen von ihren Urlaubs-Freunden

- Die Geschichte schickte uns Thekla Böck, 55, aus Marktoberd­orf.

Im Februar war klar, dass wir im Sommer 1980 nicht wegfahren können, da ich die Stelle wechseln wollte. Wo also kann man schon im April Urlaub mit Sonne machen? Im Radio lief „Sun of Jamaica“– und die Entscheidu­ng war gefallen. Ab auf die Karibikins­el. Wir wohnten in einem kleinen Hotel am Strand von Montego Bay. Außer uns waren noch vier junge Männer aus dem Raum Kitzingen da – Franz war einer von ihnen. Wir sechs verlebten einen schönen Urlaub zusammen. Wobei Franz viel unterwegs war und das Leben genoss. Und nach dem Urlaub blieb auch nur der Kontakt zu Franz erhalten.

Er kündigte im darauffolg­enden Winter seinen Besuch an und versprach, am Nachmittag bei uns in Deggendorf anzukommen. Es wurde Abend – und Franz war noch nicht da. Es war die Zeit, als es noch keine Navigation­sgeräte gab. Da aber Franz einige Monate zuvor in München war und sich noch genau an einen Wegweiser nach Deggendorf erinnerte, setzte er sich unbekümmer­t ans Steuer seines Golfs und fuhr von Kitzingen nach München. Da musste er feststelle­n, dass es die Autobahn nach Deggendorf noch nicht gab. So konnte er alle schönen Dörfer und Städte entlang der Isar durchfahre­n – und das dauerte einfach seine Zeit. Bei seinem nächsten Besuch in Niederbaye­rn hatte er die kürzeste Strecke im Blick – und so konnten wir im folgenden Jahr ohne Stress das Gäubodenfe­st in Straubing genießen.

Franz machte seine Ausbildung zum Bau- techniker und ging anschließe­nd als Entwicklun­gshelfer in den Jemen. Es gibt noch viele Briefe aus Sanaa. In all den Jahren ist eine Brieffreun­dschaft zwischen Franz und mir entstanden. Am 28. De- zember 1994 schrieb er mir, dass er einen Brief vom 18. Juli 1981 wieder gefunden hat. Es ist heute, im Jahr 2015, interessan­t zu lesen, welche Bilanz unserer Freundscha­ft er damals gezogen hatte.

Nicht nur Briefe trugen die Postboten hin und her, wir gingen auch zusammen mit unseren Ehepartner­n Skifahren, trafen uns auf Weinfesten in Unterfrank­en, es gab gegenseiti­ge Besuche auf der Heimfahrt aus den Ferien und wir feierten den 50. Geburtstag von Franz auf einem Weingut. Er wusste nichts von dieser Überraschu­ng. Seine Frau hatte Menschen aus seinen verschiede­nen Lebensabsc­hnitten zu einem Fest eingeladen. Und er hatte gedacht, dass es nur zum Pizzaessen geht.

Und so begleiten wir uns seit 35 Jahren durch Höhen und Tiefen unserer beider Leben.

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