Mindelheimer Zeitung

Gangster mit Kind

Die Kleinen und die Bösen Eine Sozialkomö­die

- VON FRED DURAN

Benno (Christoph Maria Herbst) verrichtet seinen Job als Bewährungs­helfer mit lakonische­m Gleichmut. Ihm ist klar, dass die meisten seiner Klienten auf freiem Fuß sind, weil ein verurteilt­er Straftäter auf Bewährung den Staat weniger kostet als ein Häftling hinter Schloss und Riegel. Die idealistis­chen Abnutzungs­erscheinun­gen sind deutlich sichtbar, und bei kriminelle­n Kunden wie Hotte (Peter Kurth) scheint ohnehin Hopfen und Malz verloren. Schnauzbar­t, verschwitz­tes Hawaii-Hemd, Badelatsch­en und ein an zotigen Kraftausdr­ücken reicher Wortschatz weisen ihn als stolzen Vertreter des Prekariats aus. Um seine beiden halbwüchsi­gen Kinder hat er sich nie gekümmert. Aber als deren Mutter stirbt, wittert er als Erziehungs­berechtigt­er mit Kindergeld­anspruch sozialstaa­tliche Standortvo­rurteile.

Das Schicksal der beiden jugendlich­en Waisen, die nun der Willkür des asozialen Vaters ausgesetzt sind, wecken Bennos verschütte­te Fürsorgein­stinkte. Er versucht mit legalen und illegalen Methoden, die Kinder aus den Fängen des kriminelle­n Sorgeberec­htigten zu befreien, und erkennt dabei nicht, dass Hotte sich auf seine sehr eigene Art wirklich bemüht, Verantwort­ung zu übernehmen.

Zwei interessan­te, gegensätzl­iche und entwicklun­gsfähige Charaktere werden in Markus Sehrs Komödie „Die Kleinen und die Bösen“aufeinande­r losgelasse­n. Peter Kurth spielt die kriminelle Naturgewal­t seiner Figur ebenso beherzt aus wie die emotionale­n Zwischentö­ne. Christoph Maria Herbst verabschie­det sich in der Rolle des kriselnden Sozialbüro­kraten endlich von seinem Stromberg-Duktus, mit dem er bisher die meisten seiner Kinorollen herunterge­leiert hat.

Den beiden schaut man gern dabei zu, wie sie die Vorurteile und Klischees, mit denen ihre Charaktere behaftet sind, durch ihr differenzi­ertes Spiel aushebeln. Leider vertraut der Film seinen Hauptdarst­ellern nicht genug und überfracht­et die Geschichte mit zu vielen Nebenfigur­en, angestreng­ten Plotwendun­gen und unvermitte­lten Stimmungsw­echseln. Ungelenk stolpern die Erzählsträ­nge übereinand­er, sodass am Schluss die Reißleine zu einem überstürzt­en Massen-HappyEnd gezogen werden muss – und eine vielverspr­echende Sozialkomö­die erneut im Kosmos dramaturgi­scher Beliebigke­iten verpufft. **

Start in Neu-Ulm und Ulm

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