„Jugend forscht“in Sachen Strom
Energie In Tussenhausen wird eine ans Netz angeschlossene Großbatterie getestet. Sie ist die größte ihrer Art in Bayern
Tussenhausen Es ist sonnenklar: Bei bestem Sommerwetter wie in den vergangenen Wochen erzeugen zahlreiche Photovoltaikanlagen in der Region viel Strom. Doch wohin damit? Zu bestimmten Zeiten ist viel Energie verfügbar – aber das sind nicht immer diejenigen Zeiten, zu denen sie auch wirklich gebraucht wird. Dies stellt die Betreiber des Stromnetzes vor große Herausforderungen. Denn das Netz muss immer in einer Art Gleichgewicht sein. Egal, ob viel oder wenig eingespeist wird. Egal, ob viel oder wenig verbraucht wird.
Um eine Überlastung zu vermeiden, muss bereits in vielen Fällen schon heute das Stromnetz ausgebaut werden. Stromspeicher sollen nun helfen, dieses Gleichgewicht auf einfachere Art herzustellen – doch hier ist noch einiges an praktischer Forschung nötig. Zu diesem Zweck steht seit Kurzem ein Stromspeicher in Tussenhausen. Gestern drückten die Beteiligten symbolisch den Startknopf für das Projekt „Smart Power Flow“. Der Batteriespeicher – eine sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterie – soll das Niederspannungsnetz vor Ort unterstützen und entlasten. Es handle sich dabei um den größten Speicher seiner Art in Bayern, teilt die LEW Verteilnetz GmbH (LVN) mit.
Der neue Ortsspeicher soll den überschüssigen Strom aus erneuerbaren Energien lokal zwischenspeichern und bei Bedarf wieder ins Ortsnetz abgeben – er schafft so einen effizienten, lokalen Ausgleich zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch. Die Kosten für das Forschungsvorhaben liegen bei insgesamt 2,9 Millionen Euro, es gibt Fördergelder vom Bundeswirtschaftsministerium. Allein die Kombination aus dem Batteriespeicher und dem Wechselrichter samt intelligenter Technik kostet rund 900 000 Euro.
Die LVN und ihre Partner, das Reiner Lemoine Institut, die SMA Solar Technology AG und der Spei- cherpionier Younicos AG, wollen untersuchen, inwiefern ein regionaler Netzausbau durch Batteriespeicher vermieden kann. Der Ortsspeicher unterstützt die lokale Spannungshaltung: Künftige Netzausbaukosten können so minimiert, die Aufnahmefähigkeit des Verteilnetzes für erneuerbare Energien hingegen maximiert werden. Zudem möchten die Projektpartner mit dem Speicher in Tussenhausen verschiedene Betriebs- und Vermark- tungsweisen erproben. So soll gezeigt werden, dass der Spagat zwischen wirtschaftlichem und netzstützendem Betrieb möglich ist. „Wir proben hier den Einsatz einer Großbatterie“, sagte Markus Litpher vom Vorstand der LEW bei der offiziellen Inbetriebnahme des Speichers. „Smart Power Flow ist für uns wie ,Jugend forscht’.“
„Für kein Bundesland stellt die Energiewende eine so große Herausforderung dar wie für Bayern“, erklärte Wirtschaftsstaatssekretär Franz Pschierer den Gästen aus Energiewirtschaft und Politik. Bayern habe einst viel Energie aus Atomkraftwerken bezogen. „Und Bayern war, ist und wird immer Industriestandort sein“, so Pschierer. „Und Industriestandort heißt Stromverbrauch.“Wichtig seien künftig drei Komponenten: Versorgungsstabilität, Preisstabilität und Umweltfreundlichkeit. Dazu müssten auch die Speichertechnologien stärker in den Fokus rücken.
Tussenhausen wurde aus mehreren Gründen für das Projekt ausge-
Überschüssige Energie wird zwischengespeichert 30 Haushalte kann der Speicher versorgen
wählt. Zum einen speisen dort mehrere Photovoltaikanlagen Strom mit einer Leistung von maximal 560 Kilowatt ein, zum anderen ist ein entsprechend großer Ortsnetztransformator vorhanden. Der Batteriespeicher wurde am Ortsrand auf dem Geländer der Reiner Wertstoff Recycling GmbH aufgestellt.
Mit einer Leistung von 200 Kilowatt und einer Kapazität von 400 Kilowattstunden ist der Ortsspeicher bayernweit der größte seiner Art. Ist der Speicher voll, könnten damit in etwa 30 Haushalte einen Tag lang versorgt werden. Die Batterie speichert die elektrische Energie in Form von flüssigen Elektrolyts. Sie hat eine hohe Lebensdauer, nahezu unbegrenzte Ladezyklen und kann ohne Probleme komplett entladen werden. Die Kapazität ist beliebig erweiterbar und muss kaum gewartet werden. Auch das dürfte sie in Zukunft für den Einsatz als Quartiersspeicher, für Industrie, Gewerbe oder landwirtschaftliche Betriebe interessant machen.