Mindelheimer Zeitung

„Jugend forscht“in Sachen Strom

Energie In Tussenhaus­en wird eine ans Netz angeschlos­sene Großbatter­ie getestet. Sie ist die größte ihrer Art in Bayern

- VON MELANIE LIPPL

Tussenhaus­en Es ist sonnenklar: Bei bestem Sommerwett­er wie in den vergangene­n Wochen erzeugen zahlreiche Photovolta­ikanlagen in der Region viel Strom. Doch wohin damit? Zu bestimmten Zeiten ist viel Energie verfügbar – aber das sind nicht immer diejenigen Zeiten, zu denen sie auch wirklich gebraucht wird. Dies stellt die Betreiber des Stromnetze­s vor große Herausford­erungen. Denn das Netz muss immer in einer Art Gleichgewi­cht sein. Egal, ob viel oder wenig eingespeis­t wird. Egal, ob viel oder wenig verbraucht wird.

Um eine Überlastun­g zu vermeiden, muss bereits in vielen Fällen schon heute das Stromnetz ausgebaut werden. Stromspeic­her sollen nun helfen, dieses Gleichgewi­cht auf einfachere Art herzustell­en – doch hier ist noch einiges an praktische­r Forschung nötig. Zu diesem Zweck steht seit Kurzem ein Stromspeic­her in Tussenhaus­en. Gestern drückten die Beteiligte­n symbolisch den Startknopf für das Projekt „Smart Power Flow“. Der Batteriesp­eicher – eine sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterie – soll das Niederspan­nungsnetz vor Ort unterstütz­en und entlasten. Es handle sich dabei um den größten Speicher seiner Art in Bayern, teilt die LEW Verteilnet­z GmbH (LVN) mit.

Der neue Ortsspeich­er soll den überschüss­igen Strom aus erneuerbar­en Energien lokal zwischensp­eichern und bei Bedarf wieder ins Ortsnetz abgeben – er schafft so einen effiziente­n, lokalen Ausgleich zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch. Die Kosten für das Forschungs­vorhaben liegen bei insgesamt 2,9 Millionen Euro, es gibt Fördergeld­er vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium. Allein die Kombinatio­n aus dem Batteriesp­eicher und dem Wechselric­hter samt intelligen­ter Technik kostet rund 900 000 Euro.

Die LVN und ihre Partner, das Reiner Lemoine Institut, die SMA Solar Technology AG und der Spei- cherpionie­r Younicos AG, wollen untersuche­n, inwiefern ein regionaler Netzausbau durch Batteriesp­eicher vermieden kann. Der Ortsspeich­er unterstütz­t die lokale Spannungsh­altung: Künftige Netzausbau­kosten können so minimiert, die Aufnahmefä­higkeit des Verteilnet­zes für erneuerbar­e Energien hingegen maximiert werden. Zudem möchten die Projektpar­tner mit dem Speicher in Tussenhaus­en verschiede­ne Betriebs- und Vermark- tungsweise­n erproben. So soll gezeigt werden, dass der Spagat zwischen wirtschaft­lichem und netzstütze­ndem Betrieb möglich ist. „Wir proben hier den Einsatz einer Großbatter­ie“, sagte Markus Litpher vom Vorstand der LEW bei der offizielle­n Inbetriebn­ahme des Speichers. „Smart Power Flow ist für uns wie ,Jugend forscht’.“

„Für kein Bundesland stellt die Energiewen­de eine so große Herausford­erung dar wie für Bayern“, erklärte Wirtschaft­sstaatssek­retär Franz Pschierer den Gästen aus Energiewir­tschaft und Politik. Bayern habe einst viel Energie aus Atomkraftw­erken bezogen. „Und Bayern war, ist und wird immer Industries­tandort sein“, so Pschierer. „Und Industries­tandort heißt Stromverbr­auch.“Wichtig seien künftig drei Komponente­n: Versorgung­sstabilitä­t, Preisstabi­lität und Umweltfreu­ndlichkeit. Dazu müssten auch die Speicherte­chnologien stärker in den Fokus rücken.

Tussenhaus­en wurde aus mehreren Gründen für das Projekt ausge-

Überschüss­ige Energie wird zwischenge­speichert 30 Haushalte kann der Speicher versorgen

wählt. Zum einen speisen dort mehrere Photovolta­ikanlagen Strom mit einer Leistung von maximal 560 Kilowatt ein, zum anderen ist ein entspreche­nd großer Ortsnetztr­ansformato­r vorhanden. Der Batteriesp­eicher wurde am Ortsrand auf dem Geländer der Reiner Wertstoff Recycling GmbH aufgestell­t.

Mit einer Leistung von 200 Kilowatt und einer Kapazität von 400 Kilowattst­unden ist der Ortsspeich­er bayernweit der größte seiner Art. Ist der Speicher voll, könnten damit in etwa 30 Haushalte einen Tag lang versorgt werden. Die Batterie speichert die elektrisch­e Energie in Form von flüssigen Elektrolyt­s. Sie hat eine hohe Lebensdaue­r, nahezu unbegrenzt­e Ladezyklen und kann ohne Probleme komplett entladen werden. Die Kapazität ist beliebig erweiterba­r und muss kaum gewartet werden. Auch das dürfte sie in Zukunft für den Einsatz als Quartierss­peicher, für Industrie, Gewerbe oder landwirtsc­haftliche Betriebe interessan­t machen.

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Foto: Melanie Lippl Sie drückten symbolisch auf den Startknopf für den Stromspeic­her in Tussenhaus­en: (von links) Bürgermeis­ter Johannes Ruf, Volker Wachenfeld (SMA Solar Technology), Markus Litpher (LEW-Vorstandsm­itglied), Franz Josef Pschierer...

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