Mindelheimer Zeitung

Schwaben macht mobil

So war das Wie unsere Region die Reiselust entdeckte – ein Rückblick

- VON RUPERT HUBER

Landkreis Am Anfang war die Pferdekuts­che. Fortbewegu­ngsmittel, Statussymb­ol – und weit unbequemer, als man meinen würde. Goethes Italienrei­se, eine beschwerli­che Übung in Geduld und der Sitzmuskel­n. Stellen Sie sich den Komfortgew­inn vor, als das Ross Konkurrenz durch das Stahlross, die Dampfeisen­bahn, bekam. Und erst durch den Autobus, der dorthin fuhr, wo keine Schienen hinführten. Bis Mitte des 20. Jahrhunder­ts waren Bus und Bahn erste Wahl für Ausflügler und Reisende.

Dann kam das Auto. Und mit ihm neben der Mobilität für dessen Besitzer weitere wichtige Komponente­n: Erst die Demonstrat­ion des „schaut mal, was wir uns jetzt leisten können“. Gefolgt von den raffiniert­en Werbestrat­egien der Autofirmen, die ihre Fahrzeuge mit dem Hauch des Mini-Luxus der Wirtschaft­swunderjah­re verbanden.

Freilich, wer heute ein von PS nur so strotzende­s Motorrad startet oder einen Porsche sein Eigen nennt, könnte lächeln über die Schwächlin­ge jener Tage. Und doch gab bereits das 15 Pferdestär­kenKraftra­d einem ein deutliches Gefühl von Unabhängig­keit.

Mit dem Roller nach Italien

Man hatte ihn sich verdient: den Urlaub samt Kleinwagen, Motorrad und Roller. Letzterer war oft nicht die schicke Vespa. Wo man doch auch mit einem Heinkel an den Lago Maggiore rollern konnte. Da war die Aufbauarbe­it nach dem Zweiten Weltkrieg: Arbeitswoc­hen von 50 Stunden. Im Sommer sperrten die Fabriken zu, die Kinder hatten Ferien. Also packte Mutter das Nötigste zusammen für zwei Wochen auf dem Campingpla­tz oder in der Allgäuer Pension mit fließend Kaltwasser.

Heimatfilm­e dieser Zeit weckten zudem eine unstillbar­e Sehnsucht nach Italien. Seit Rudi Schuricke die „Caprifisch­er“besang und aus dem Radio „Komm ein bisschen mit nach Italien“dudelte, war der Süden angesagt. Heute wundern sich viele, wie es denn überhaupt möglich gewesen war, mit der BMW Isetta oder dem „Straßensän­ger“Lloyd über die alte Brennerstr­aße bis zum Gardasee oder gar bis zur Adria zu kommen.

Die Isetta mit ihrem Sitzbänkch­en und der sich nach vorne öffnenden Tür hat das tatsächlic­h geschafft. Als bahnfahren­des Kind in Richtung Schliersee konnte ich es nicht fassen, was alles in und auf so ein Wägelchen passte: Mein Freund Udo, seine Eltern und ein Familienze­lt dazu – Iseo-See, wir kommen! Gerne mit dem VW Käfer, manchmal sogar noch mit dem Brezl-Fenster.

Lange konnten aber auch Autobesitz­er in unserer Region nur einmal pro Jahr Urlaub machen. Das Vehikel diente der Fahrt zum Arbeitspla­tz, machte Eindruck bei abendliche­n Ballbesuch­en und bei Onkel Paul in Bamberg. Den besuchte man einmal im Monat. Schließlic­h hatte er ein paar blaue Scheinchen zum Erwerb des mobilen Blechkaste­ns beigesteue­rt.

Des Deutschen liebstes Kind

So war das. Das Automobil galt bald als regelrecht­er Gegenstand der Verehrung. Der schon bald glänzende Ruf des deutschen Vierrads wollte auch im wörtlichen Sinn poliert sein. So gehörte Papi oft nicht, wie es der Deutsche Gewerkscha­ftsbund wollte, seinem Kind, sondern dem Auto. Vor allem, wenn es das erste war. Das Auto von heute hat nicht zuletzt aus Energiespa­rgründen seine Formenviel­falt und seinen Charme verloren. Den finden Sie auf den von Leserinnen und Lesern eingeschic­kten Fotoschätz­en.

Die vollständi­ge Geschichte über die automobile Vergangenh­eit unserer Region finden Sie im Buch „So war das – Fotoschätz­e aus unserer Heimat“.

 ?? Foto: Rosalinde Volk ?? Fein gemacht für die große Fahrt: In den Zwanziger Jahren machte man sich für die Reise im Auto noch besonders hübsch. Damals wie heute war man sehr stolz auf seinen schicken Wagen.
Foto: Rosalinde Volk Fein gemacht für die große Fahrt: In den Zwanziger Jahren machte man sich für die Reise im Auto noch besonders hübsch. Damals wie heute war man sehr stolz auf seinen schicken Wagen.
 ?? Foto: Georg Riederle ?? Mit dem schmucken Motorrad und der Freundin konnte man die Region erkunden. Dieses Foto aus dem Jahr 1952 entstand bei einem Ausflug ins Allgäu.
Foto: Georg Riederle Mit dem schmucken Motorrad und der Freundin konnte man die Region erkunden. Dieses Foto aus dem Jahr 1952 entstand bei einem Ausflug ins Allgäu.
 ??  ?? Johann Forster unterwegs mit seinem selbst gebauten Wagen und Eselin Maruschka (links). Im Jahr 1922 war beim Thema Mobilität noch viel Geduld gefragt. Anders 1965: Da vermittelt­e der VW Bus T1 ein Gefühl von Freiheit und ermöglicht­e kleinere und...
Johann Forster unterwegs mit seinem selbst gebauten Wagen und Eselin Maruschka (links). Im Jahr 1922 war beim Thema Mobilität noch viel Geduld gefragt. Anders 1965: Da vermittelt­e der VW Bus T1 ein Gefühl von Freiheit und ermöglicht­e kleinere und...
 ?? Foto: Max Reiser ?? Die BMW Isetta wurde auch liebevoll „Knutschkug­el“genannt. In den 50er-Jahren entwickelt­e sich das Gefährt zum echten Bestseller.
Foto: Max Reiser Die BMW Isetta wurde auch liebevoll „Knutschkug­el“genannt. In den 50er-Jahren entwickelt­e sich das Gefährt zum echten Bestseller.
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Fotos: Anton Nottenstei­ner/Inge Nuyken

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