Mindelheimer Zeitung

So haben Dörfer eine Zukunft

Soziales Wenn Kommune, Kirche und Bürger zusammenar­beiten, kann der Zusammenha­lt gestärkt werden

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Mindelheim Unsere Dörfer verändern sich – und das in Windeseile. Wo noch vor zwei, drei Jahrzehnte­n vor allem Bauern lebten und arbeiteten, sind heute Bürger aus nahezu allen Schichten vertreten. Wo früher noch Groß- und Mehrgenera­tionenfami­lien lebten, sind es heute oft nur Einfamilie­n-und Singlehaus­halte. Wohnen und Arbeiten sind längst getrennt. Dörfer werden mehr und mehr zur Schlafstät­te.

Was folgt aus all dem? Vor welchen Herausford­erungen stehen Bürgermeis­ter und Gemeinderä­te? Kluge Köpfe haben schon vor Jahren erkannt, dass die Dörfer neue Ideen brauchen, wenn sie nicht ihre Stärke verlieren wollen, die da heißt: Nähe, Nachbarsch­aftshilfe, Zusammenha­lt. Die Antwort hieß: Kräfte bündeln, den Schultersc­hluss von Politik, Kirche, Vereinen und Bürgern suchen.

Es war der Beginn des Netzwerks „Kirche und Kommune - gemeinsam für soziale Gemeinden“des Diözesanra­tes der Katholiken im Bistum Augsburg. Auf einer Veranstalt­ung des Dekanats Mindelheim im Pfarrheim St. Stephan wurde deutlich, wie viel sich in manchen Dörfern schon getan hat.

Der Leiter des „Sachaussch­usses Land“im Diözesanra­t, der frühere Landwirtsc­haftsminis­ter Josef Miller, erinnerte daran, dass die häusliche Pflege der Eltern oder Schwiegere­ltern früher ausschließ­lich die Frauen übernommen hatten. Auch heute noch würden 80 Prozent der älteren Menschen zuhause gepflegt werden. Das Lebensalte­r steige stetig. Heute könne ein neugeboren­er Bub in Bayern auf eine durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung von 78,9 Jahren hoffen, ein neugeboren­es Mädchen sogar auf gut 83,5 Jahre, was einer Zunahme für Buben gegenüber vor 30 Jahren um gut sieben Jahre und für Mädchen um 4,5 Jahre entspricht.

Weil die Kinder oft weit weg wohnen und die Frauen zunehmend einem Beruf außer Haus nachgehen, könne die Pflege nicht mehr so wie früher in der Familie oder in der heimischen Gemeinscha­ft erfolgen. Deshalb solle die nächstgröß­ere Einheit, die Gemeinde und die Kirche, helfen, dass die Menschen auch im Alter im Dorf in entspreche­nden Einrichtun­gen bleiben können. Damit könne die Wirtschaft­lichkeit dieser „kleinen Einrichtun­gen“durch die Solidaritä­t und die gesellscha­ftliche Mitverantw­ortung der einzelnen Bürgerinne­n und Bürger erreicht werden. Voraussetz­ung dafür sei eine enge Verzahnung von Haupt- und Ehrenamt.

In immer mehr Dörfern würden organisier­te Nachbarsch­aftshilfe wie Einkaufen, Kinderbetr­euung oder Nachbetreu­ung nach einem Krankenhau­saufenthal­t oder ein gemeinsame­r Mittagstis­ch einmal in der Woche abwechseln­d in den Gaststätte­n des Ortes angeboten werden. Tagespfleg­eeinrichtu­ngen, in denen die Pflegebedü­rftigen am Morgen gebracht und am Abend und am Wochenende in die Familien zurückkehr­en, ermögliche­n berufstäti­gen Frauen, weiterhin in ihrem Beruf zu bleiben, und ersparen den Pflegebedü­rftigen häufig das Pflegeheim. Der Staat hat zum Jahreswech­sel die Pflegesätz­e für die Angehörige­n in diesen Fällen verdoppelt und Zuschüsse beim Bau solcher Einrichtun­gen in Aussicht gestellt. „Unsere Dörfer brauchen einen noch größeren Zusammenha­lt der Generation­en, um ein Mehr an Lebensqual­ität zu gewinnen“, sagte Miller.

Gemeindeen­twickler Thomas Stark regte für jedes Jahr ein eigenes Sozialgesp­räch zwischen Pfarrgemei­nderäten und Gemeinderä­ten an. Es sollte einen Kirchenbea­uftragten im Gemeindera­t und einen Kommunalbe­auftragten im Pfarrgemei­nderat geben. Der Bürgermeis­ter aus Salgen, Johann Egger, berichtete von den beispielha­ften Einrichtun­gen seiner Gemeinde, insbesonde­re für die Jugendlich­en. Landrat Hans-Joachim Weirather machte deutlich, wie notwendig das Ehrenamt in den Dörfern sei. Dies habe sich insbesonde­re bei der Betreuung von Asylbewerb­ern erwiesen.

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Foto: Johannes Wiest Sie diskutiert­en über die Zukunft der Dörfer: (von links) Moderator Ferdinand Biesle, Pater Eli, Landrat Hans Joachim Weirather, Dekanatsvo­rsitzende Ursula Henle, Staatsmini­ster a. D. Josef Miller, Referent für Gemeindeen­twicklung Thomas Stark und die...

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