Mindelheimer Zeitung

Es krankt auch an der Selbstdars­tellung

Versorgung Mediziner sehen gute Ansätze gegen Hausarzt-Mangel. Image soll sich verbessern

- VON VERENA KAULFERSCH

Memmingen/Unterallgä­u „An allen Ecken und Enden, wo ältere Kollegen aufhören, gibt es Probleme, Nachfolger zu finden“: Matthias Schinkel, Mitglied der hausärztli­chen Gemeinscha­ftspraxis in Heimerting­en, steht der drohende Ärztemange­l auf dem Land klar vor Augen. Unter anderem mit Stipendien und Niederlass­ungsförder­ungen will das bayerische Gesundheit­sministeri­um gegensteue­rn. Schinkel und Dr. Max Kaplan, Präsident der Bayerische­n Landesärzt­ekammer, sehen hierin zwar richtige Ansätze, machen aber klar: Auch Berufsbild und Arbeitsbed­ingungen müssen auf den Prüfstand.

Monatlich 500 statt bisher 300 Euro Unterstütz­ung stellt das Ministeriu­m Studierend­en in Aussicht. Bedingung: Sie verpflicht­en sich, nach dem Abschluss die Facharzt-Weiterbild­ung auf dem Land zu absolviere­n und dann fünf Jahre dort tätig zu sein. Finanziell­e Förderung gibt es zudem seit einigen Jahren etwa für Haus- und Fachärzte, die sich in Gemeinden mit maximal 20000 Einwohnern niederlass­en. „Als Sofortmaßn­ahmen halte ich das für sinnvoll“, sagt Kaplan, der selbst Landarzt in Pfaffenhau­sen war.

Ablehnend steht er einer geplanten Landarztqu­ote für das Medizinstu­dium gegenüber: Bis zu fünf Prozent der Studienplä­tze in Bayern sollen für Studierend­e vorgehalte­n werden, die zusagen, Hausarzt in Regionen zu werden, die unterverso­rgt oder davon bedroht sind. Eine derart frühzeitig­e und umfassende Festlegung zu fordern, geht Kaplan zu weit. Zudem rücke es die LandarztTä­tigkeit in das Licht eines „grundsätzl­ich unattrakti­ven Berufs“.

Ähnlich schätzt Schinkel den Effekt von Schritten ein, die Zwang beinhalten. Stipendien und Förderung für Praxisgrün­dungen befürworte­t er zwar als „Erleichter­ungen“– letztlich ausschlagg­ebend sei aber die Selbstdars­tellung: Zu oft werde das Bild des geknechtet­en Landarztes beschworen, „der nichts verdient, aber wahnsinnig viel arbeiten muss“. Dabei handelt es sich seiner Meinung nach um einen„ schönen, abwechslun­gsreichen Beruf “– mit der Aussicht auf„ ein Einkommen, mit dem man sich schon sehen lassen kann“.

Als Fortschrit­t betrachten Schinkel und Kaplan die Neuorganis­ation der Versorgung außerhalb der Sprechzeit­en: „Indem man die Bereitscha­ftsdienst gruppen vergrößert, wird die Häufigkeit der Dienste für den Einzelnen reduziert“, erklärt Kaplan. In Memmingen sei dies geschehen – und am Klinikum die Notdienstp­raxis als Anlaufpunk­t entstanden. Laut Schinkel bewirkte dies eine deutliche Entlastung. An solchen Punkten gelte es anzusetzen, um den Beruf auf lange Sicht attraktive­r zu machen, betonen die Ärzte. Gefragt sind laut Kaplan auchKoope rat ions formen wie Gemein schaftspra­xen und Ärzte häuser. „Wir teilen zum Beispiel den Bürokratie aufwand auf “, sagt Schinkel, der seine Praxis mit zwei Kollegen betreibt. Auch er spricht von einem Zukunftsmo­dell. Viele junge Mediziner scheuen sich laut Kaplan, Praxen zu gründen und bevorzugen es, angestellt zu sein – mit definierte­n Arbeitszei­ten. Teilzeitst­ellen ließen sich in Gemein schafts praxen ebenfalls anbieten, sagt Schinkel: „Wichtig ist das auch für die Vielzahl von Kolleginne­n in unserem Bereich. Viele haben Kinder und können eine Praxis allein nicht stemmen.“In den Blick muss laut Kaplan überdies die Ausund Weiterbild­ung rücken. Er schlägt vor, junge Mediziner schneller und verstärkt an Patienten versorgung und haus ärztliche Tätigkeit heranzufüh­ren. Zudem sollten angehende Ärzte Praxis-Anteile des Studiums vermehrt bei Kollegen auf dem Land absolviere­n können.

Auch für Schinkel wäre dies „der richtige Weg“, den man durch Anreizsyst­eme attraktiv machen könne. Der Facharzt für Innere Medizin weist aber auf ein Problem hin: „Für viele Ärzte wäre der zeitliche Aufwand kaum zu bewerkstel­ligen. Wir brauchen Ausbil dungs praxen .“

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Treten Ärzte auf dem Land in den Ruhestand, so finden sich häufig keine Nachfolger, um die Praxis weiterzufü­hren. Um dem ent gegenzuwir­ken und die medizinisc­he Versorgung sicherzust­ellen, setzt das bayerische Gesundheit­sministeri­um unter anderem auf...
Archivfoto: Marcus Merk Treten Ärzte auf dem Land in den Ruhestand, so finden sich häufig keine Nachfolger, um die Praxis weiterzufü­hren. Um dem ent gegenzuwir­ken und die medizinisc­he Versorgung sicherzust­ellen, setzt das bayerische Gesundheit­sministeri­um unter anderem auf...

Newspapers in German

Newspapers from Germany