Trump Wähler fühlen sich in die Ecke gedrängt
USA Sie könnten ihren Triumph genießen. Könnten feiern, dass endlich jemand da ist, der „aufräumt“im Land. Stattdessen beklagen Anhänger des neuen Präsidenten, sie würden von einer „unheiligen linksliberalen Allianz“schlechtgemacht. Und wie tolerant sind
Warrenton Kelly Anne Finn will endlich ihren Pilotenschein für Kleinflugzeuge machen, um ihren Lebensgefährten bei seinem Hobby begleiten zu können, aber sie kommt einfach nicht dazu. Seit dem Wahlsieg von Donald Trump im November gibt es zu viele Tage wie diesen hier. In der Kleinstadt Warrenton, etwa 80 Kilometer südwestlich von Washington im Bundesstaat Virginia, hat sich ein Häuflein Trump-Gegner zum Demonstrieren versammelt. Das lässt Finn keine Ruhe. Also hat sie ihren Hund Jack gepackt und ist zur Demo gegangen – um Trump zu verteidigen.
„Die Stadt hat einen neuen Sheriff, und sein Name ist Präsident Donald J. Trump“, steht auf einem Schild aus rosa Karton, das sie mitgebracht hat. Neben Trumps Namen hat sie ein Herzchen gemalt. Es nützt nicht viel. Der Präsident sei ein Faschist, habe ihr jemand bei der Demo zugerufen, berichtet sie hinterher empört.
Das Schild ist nicht mehr ganz taufrisch, denn es hat so einiges mitgemacht in den letzten Monaten. Schließlich gibt es immer wieder Leute, die gegen den neuen Präsidenten auf die Straße gehen. Finn, 58, ehemalige Rechtsanwältin, Mutter einer Tochter und begeisterte Sammlerin von Barbiepuppen, hält dagegen. Auch in Washington war sie schon, um Flagge zu zeigen. Denn Trump ist ihr Präsident.
Finn hat Trumps Buch „Art of the Deal“gleich nach dessen Erscheinen in den 1980er Jahren verschlungen. Seitdem ist sie überzeugt, dass der Unternehmer der Richtige fürs Land ist. „30 Jahre habe ich darauf gewartet, dass er endlich kandidiert.“Als es so weit war, legte sie sich ein Twitter-Konto zu. „Damit ich ihm bei der ersten Fernsehdebatte Tipps geben konnte.“Inzwischen ist sie genauso Twitter-süchtig wie ihr Präsident.
Zusammen mit anderen TrumpFreunden im Landkreis Fauquier, der Gegend rund um Warrenton, zog Finn im Wahlkampf von Tür zu Tür, um die Republikaner an die Urnen zu bekommen. Bei vielen musste sie keine große Überzeugungsarbeit leisten. Warrenton mag geografisch betrachtet nicht weit weg sein vom linksliberalen Washington – vom Lebensgefühl her sind es Welten. Ein hier beliebter Radiosender unterbricht mittags sein Country-Programm aus Liedern um Suff, Liebe und Trucks und bringt die Nationalhymne.
Finn wünscht sich vom neuen Präsidenten mehr Wohlstand, weniger Vorschriften und strengere Gesetze. „Es ist ein Unding, dass jemand zehn Jahre warten muss, bis er auf den elektrischen Stuhl kommt.“Auch könne sich Amerika beim besten Willen nicht noch mehr Flücht- linge leisten. Den Einwand der Trump-Gegner, weiße Amerikaner stammten ebenfalls von Flüchtlingen ab, lässt sie nicht gelten. Ihre Vorfahren seien vor hunderten Jahren aus Wales gekommen, da sei sie ja wohl kein Flüchtling mehr.
Etwas mehr als 59 Prozent der Stimmen strich Trump im Kreis Fauquier ein und erhielt damit fast doppelt so viel Unterstützung wie Hillary Clinton, die auf knapp 35 Prozent kam. Wie in anderen Landesteilen war Trumps Sieg hier das Ergebnis einer Protestwahl, eines Aufstandes gegen den als abgehoben und arrogant verschrienen Politbetrieb in Washington. Einer der Bälle zu Ehren von Trumps Amtseinführung am 20. Januar hieß der „Ball der Beklagenswerten“, benannt nach Clintons herablassender Beschreibung der Trump-Wähler.
Trump hat den „Beklagenswer- ten“einen Triumph beschert, und doch ist Aktivistin Finn mit ihrer öffentlichen Parteinahme für den Präsidenten eine Ausnahme in Warrenton. Kein Wunder, sagt sie. „Die verprügeln dich, die klauen dir die Trump-Kappe und verbrennen sie, so wie sie die Flagge verbrennen.“
Die – das sind die Demonstranten auf dem Marktplatz, die anderen, die Anhänger von Clinton, die Vertreter des liberalen Establishments, die Medien. Über „die“hört man nichts Gutes in Warrenton. „Eine Freundin von mir verschweigt auf ihrer Arbeitsstelle, dass sie Trump gewählt hat, weil sie Angst hat, gefeuert zu werden“, sagt die Kellnerin im „Sunny Hill American Grill“, in dem der „All American Burger“zu den Spezialitäten zählt. Klar sei es verboten, jemanden wegen seiner Wahlentscheidung vor die Tür zu setzen. „Aber es passiert trotzdem.“
Ein paar Schritte weiter prüft ein Kunde im Waffengeschäft „Highflyer Arms“eine automatische Pistole. Mehrere dutzend solcher Waffen hängen an der Wand. Hinter dem Tresen stehen Papier-Zielscheiben mit aufgemalten menschlichen Silhouetten.
Gerne sage er etwas über die Stimmung im Landkreis, meint der stämmige Verkäufer. Nur wolle er seinen Namen nicht in der Zeitung sehen. Als Sohn eines US-Soldaten ist er in Kaiserslautern in der Pfalz zur Schule gegangen und hat deshalb eine gewisse Beziehung zu Deutschland. „Ihr habt ja den Sozialismus bei euch“, aber in Amerika sei das nun mal anders. Noch jedenfalls. Die Spannungen im Land? „Wenn die Linke verliert, gibt es gleich Revolution.“Die geplanten Einreiseschranken für Muslime? „Damit habe ich kein Problem.“ Die Kritik an Trumps Amtsführung? „Reine Hysterie.“
Die Leute in Warrenton können sich noch gut an die Aufbruchstimmung der Linken zu Beginn der Amtszeit von Barack Obama vor acht Jahren und an das Versprechen eines fundamentalen Wandels erinnern. „Wenn Trump heute dasselbe sagt, wird er mit Adolf Hitler verglichen“, schnaubt der Waffenverkäufer. Linksliberale Amerikaner „haben für Leute, die anderer Meinung sind, nichts als Verachtung übrig“.
Draußen auf der Straße spricht auch Kelly Anne Finn von einer unheiligen Allianz aus öffentlichen Schulen, Medien und Politikern, die Amerika manipuliere. Sie hat es bei ihrer eigenen Tochter erlebt. Früher nahm sie das Mädchen an Wahltagen mit in die Kabine und ließ sie an der Wahlmaschine den Hebel betätigen – stets für republikanische Präsidentschaftskandidaten, versteht sich. Jetzt ist das Mädchen volljährig, geht zum Studium nach New York – und was passiert? „Sie hat mir gesagt, dass sie Bernie Sanders wählt“, ruft Finn aus, als könne sie es immer noch nicht fassen, dass ihre eigene Tochter den Linksausleger der Demokratischen Partei unterstützt hat. „Das ist doch Gehirnwäsche.“
So weit will Jim nicht gehen, auch wenn er den Groll der Trump-Wähler auf das Establishment sehr gut verstehen kann. Jim ist Verkäufer in einem Weingeschäft in Culpeper, einem Städtchen eine halbe Stunde südlich von Warrenton, und redet jeden Tag mit vielen Leuten. „Es gibt keine Verbindung mehr zwischen dem wahren Amerika und den Großstädten an den Küsten“, hat er beobachtet. Culpeper würde er natürlich zum „wahren Amerika“zählen. „Die Leute wollen Jobs, aber die Politiker reden darüber, wer welches Klo benutzen darf“, sagt er mit Blick auf die Debatte über Geschlechterrollen.
An der Straße zwischen Warrenton und Culpeper sitzt Jim Driver in seinem Tante-Emma-Laden und versteht viele seiner Nachbarn und Kunden nicht mehr. Seit 31 Jahren führt der massige Mann das Geschäft an der Landstraße; er wohnt im ersten Stock des einsamen Hauses und schlurft zur Kasse, um den Leuten aus der Umgebung Dosensuppen und Bier zu verkaufen. Anders als die meisten anderen hier in der Gegend hat er, der republikanische Stammwähler, Trump die Gefolgschaft verweigert. Driver kann sich nicht mit einem Politiker anfreunden, der damit prahlt, Frauen zu begrapschen. Aber als Driver das vor ein paar Wochen in seinem Laden gegenüber einer Trump-Anhängerin erwähnte, erlebte er sein blaues Wunder. „Sie wurde richtig sauer und sagte, sie werde nie mehr bei mir einkaufen.“
Auch die Hoffnung vieler Leute hier auf neue Arbeitsplätze durch Trumps Politik kann er nicht verstehen. Die Modernisierung fresse eben immer mehr Jobs. Trump könne die Unternehmen zwar mit Sondersteuern zwingen, ihre Fabriken aus Mexiko wieder in die USA zu verlegen. Doch diese neuen Fabriken würden dann hochautomatisiert sein, meint Driver. „Die Jobs kommen nicht zurück.“
Solche zweiflerischen Gedanken sind der Trump-Aktivistin Finn in Warrenton völlig fremd. Sie hat auch an diesem Tag ihre Aufgabe erfüllt und bei der Demo die Fahne des Präsidenten hochgehalten. Jetzt macht sie sich mit ihrem Schild und ihrem Hund auf den Heimweg. Die Leute sollen Trump zumindest eine Chance geben, sagt sie. Finn ist überzeugt, dass der Präsident diese Chance nutzen wird: „Er wird Amerika wieder groß machen.“
Die Kundin sagt, sie wolle hier nie mehr einkaufen Das Leben in Washington ist Lichtjahre entfernt