Verkehrsdebatte mit Überraschungseffekt
Innenstadt Der Bürgermeister will das Verkehrskonzept kippen, sein Stellvertreter Stefan Welzel präsentiert einen Gegenantrag. Am Ende gibt es eine ganz andere Lösung – und einer, der in der Sitzung schweigen musste, meldet sich zu Wort
Bad Wörishofen Große Kulisse, engagierte Debatte, überraschendes Ende: Die Stadtratssitzung zum Verkehrskonzept hatte es in sich. Dazu kam, dass keiner der damaligen Initiatoren des Konzepts auch nur ein Wort sagte. Absicht und vorher so abgesprochen, wie sich zeigte. Am Dienstag jedoch kommentierte Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl (Grüne) das Geschehen gegenüber unserer Zeitung sehr wohl. Doch der Reihe nach.
In der Sitzung ging es um nichts weniger als um die Aufhebung des umstrittenen Verkehrskonzepts. Zahlreiche Bürger hatten gegen die Fahrradstraßen und neuen Stoppstellen demonstriert, 500 bis 600 nach Angaben der Polizei, um die 1000 nach Schätzung des Rathauses. Dort gehen immer mehr Beschwerden über das Konzept ein. Für Bürgermeister Paul Gruschka steht fest: Die Umsetzung des Verkehrsplanes „Kneippkurort und Radfahrverkehr“soll bis auf wenige Ausnahmen nicht weiter verfolgt werden. Er unterbreitete einen entsprechenden Beschlussvorschlag.
Lediglich die Regelung an der Pescatore-Kreuzung soll demnach bis zum Umbau der Kreuzung beibehalten werden. Dort soll ein Kreisverkehr entstehen. Die Achse Bahnhofplatz/Kaufbeurer Straße soll aus Sicherheitsgründen gegenüber der Bahnhofstraße bevorrechtigt werden. Die Beschilderung an der Umgehungsstraße für eine bessere Verkehrslenkung ins Zentrum will Gruschka umsetzen. Aus dem Rund der 100 Zuhörer kam Applaus.
Insgesamt zwei Stunden lang wogte die teils hitzige Debatte, immer wieder unterbrochen von Zwischenrufen, Applaus oder Missmutsäußerungen aus der Zuhörerschaft. Immer wieder wurde aus der Ratsrunde der Ruf nach Konsequenzen für die Zwischenrufer laut, Bürgermeister Gruschka beließ es bei Ermahnungen. Zur Überraschung des Bürgermeisters präsentierte sein Stellvertreter Stefan Wel- (CSU) einen fraktionsübergreifenden Gegenantrag. „Es wäre schön gewesen, wenn der Erste Bürgermeister von diesem Antrag Kenntnis gehabt hätte“, warf Gruschka sichtlich verärgert ein. Welzel beantragte, dass Bad Wörishofens Innenstadt vom motorisierten Verkehr entlastet wird. Fußgänger und Radfahrer müssten besser geschützt werden. Radfahren soll gefördert, Emissionen reduziert werden. Regeln sollen das Bürgermeister und Verwaltung. Der Antrag sieht vor, dass sie zeigen, wie insbesondere Fahrradstraßen ordnungsgemäß eingerichtet werden können und wie die Situation an der Rössle-Kreuzung verbessert werden kann. Die „Stopp-Stellen“an der Obstinsel werden abgebaut. Anwohner der Viktoriastraße und Lieferanten dort sollen die künstliche Einbahnstraße beidseitig befahren dürfen. Aus der Zuhörerschaft wur- de der Antrag mit Unmutsäußerungen quittiert. Dass man nun von ihm verlange, aus einem „alten VW Käfer einen Ferrari zu machen“, kritisierte in der Folge der Bürgermeister. „Ein unmöglicher Antrag“sei das. „Wir sehen, dass das Konzept nicht funktioniert und jetzt beauftragen Sie mich, das hinzubiegen?“, kritisierte Gruschka und stellte klar: „Sie können nichts ändern, Sie können das Konzept nur aufheben; der einzig sinnvolle Beschluss.“Gruschka sprach sich stattdessen für flächendeckendes Tempo 30 im gesamten Stadtgebiet aus.
Am Ende wurde keiner der beiden Anträge beschlossen. Stattdessen wird sich der Stadtrat bis zum 15. März in Sachen Verkehrskonzept mit Experten in Klausur begeben. Bürgermeister Gruschka machte dies nach anfänglichem Zögern zum Antrag, nachdem CSUFraktionssprecherin Christianezel Maria Rapp die Anregung dazu gegeben hatte. Es gab lediglich zwei Gegenstimmen.
Rapp hatte zuvor auch erklärt, warum sich weder Verkehrsreferent Jens Hemberger (CSU) noch Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl in die Debatte eingeschaltet hatten. Man habe dies so besprochen, um die emotional aufgeladene Situation zu versachlichen. Hemberger und Pflügl haben das Verkehrskonzept federführend erarbeitet und wurden dafür aus der Bevölkerung in den vergangenen Monaten verbal teils hart attackiert. „Wir wollten eine faktische und keine postfaktische Sitzung“, sagte Rapp. Unserer Zeitung sagte Pflügl gestern auf Nachfrage, es sei positiv, dass nun alle mitarbeiten wollen. Er sei „froh, dass das Konzept nicht gekippt wurde und dass sich so gut wie alle Stadträte intensiv mit Lösungsmöglichkeiten beschäftigt haben.“ Schnell sei klar geworden, dass das „nicht auf Null zurückgefahren wird.“Seiner Meinung nach sorge vor allem „das gegenseitige Schlechtreden von Vorschlägen für den Stillstand in der Stadt.“Man solle doch überlegen, ob es wirklich wert ist, „Demos zu Stoppstellen zu machen oder ob man sich da womöglich hat aufstacheln lassen.“Das Verkehrskonzept könne funktionieren, davon sei er überzeugt. Er habe auch in sieben Jahren der Arbeit daran noch „keinen Vorschlag gehört, wie die Verkehrsziele günstiger und ohne Baumaßnahmen“erreichbar wären. „Ich bin aber für alle Vorschläge offen“, sagt Pflügl.
Gleich nach der Sitzung kündigte Verkehrskonzept-Gegner Siegfried Unsin gegenüber unserer Zeitung eine weitere Demo gegen den Verkehrsplan an, am Samstag, 18. Februar, um 14.30 Uhr auf der Bahnhofstraße. »Kommentar