38 Jähriger vergeht sich jahrelang an Stieftochter
Justiz Vor dem Amtsgericht gesteht der Unterallgäuer, die heute 15-Jährige missbraucht und vergewaltigt zu haben – machmal sogar, wenn die Mutter im Zimmer gegenüber schlief
Unterallgäu Als für eine 37-jährige Unterallgäuerin die Welt zusammenbricht, liegt die ihrer damals 15-jährigen Tochter schon seit zwei Jahren in Scherben. So lange nämlich verging sich ihr Stiefvater beinahe täglich an ihr. Erst als die Mutter, die nachts arbeitet, im vergangenen Jahr früher als sonst nach Hause kommt, endet das Martyrium des Mädchens: Sie ertappt ihren Mann im Bett ihrer Tochter. „Das Bild hat sich in mir eingebrannt, das werde ich nie vergessen“, sagt sie vor dem Amtsgericht und ringt dabei sichtlich um Fassung.
Bis zu diesem Tag sei das Familienleben schön und harmonisch gewesen. Der 38-Jährige habe sich liebevoll um ihre Tochter und die beiden jüngeren Geschwister gekümmert. Das Mädchen, das ihn von klein auf kannte, habe ihn „Papa“genannt, die Adoption war geplant. „Ich hab gedacht, den Mann meines Lebens gefunden zu haben. Ich hätte für ihn die Hand ins Feuer gelegt. Nie hätte ich so etwas gedacht, nie“, schildert sie dem Vorsitzenden Richter Markus Veit und den beiden Schöffen. „Seither ist nichts mehr wie vorher. Der hat meiner Tochter alles geraubt. Der hat unser Leben zerstört, der hat uns zerstört.“
Die Mutter quält sich mit Selbstvorwürfen: „Ich überlege die ganze Zeit: Hast du was übersehen? Hast du was ignoriert oder nicht sehen wollen?“Manchmal sei ihre Tochter schlecht aus dem Bett gekommen, aber das sei bei ihr im gleichen Alter nicht anders gewesen. Gelegentliche Stimmungsschwankungen führte sie auf die Pubertät zurück. „Ich hätte nie so etwas gedacht. Ich verstehe das selber nicht, dass ich nichts bemerkt habe.“Schließlich wendet sich Oberstaatsanwalt Christoph Ebert an sie: Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, die Taten ihres Mannes zu verhindern, sondern die Aufgabe ihres Mannes, sie nicht zu begehen. „Machen Sie sich keine Vorwürfe“, bittet er, doch die 37-Jährige schüttelt den Kopf. „Das sagt sich so leicht. Aber man macht sie sich trotzdem und fragt sich, wie naiv man war.“Der Angeklagte, der bis dahin jeden Blickkontakt mit seiner Frau vermieden hat, sagt: „Es tut mir wahnsinnig leid. Du bist nicht Schuld daran.“
Die Frage des Richters jedoch, was ihn dazu bewogen hat, das Mädchen anzufassen, kann er nicht beantworten: „Das hab ich mich die vergangenen Monate auch immer wieder gefragt – und keine Antwort gefunden.“Seine Stieftochter sei sehr attraktiv und habe ihn an seine Frau erinnert, als er sie vor rund 15 Jahren kennengelernt hat. Richter und Staatsanwalt vermuten außerdem, dass auch Alkohol eine Rolle gespielt haben dürfte: Seit 20 Jahren trinkt der Mann, der derzeit eine Entziehungskur macht.
Die Taten, die sich im Laufe der Zeit bis zur Vergewaltigung mit auf den Rücken gefesselten Händen gesteigert haben, gibt er stockend zu, um seiner Stieftochter eine Aussage dazu zu ersparen. Sehen will Richter Veit die 15-Jährige trotzdem, um sich einen Eindruck zu verschaffen. Auf seine Frage, wie es ihr geht, antwortet sie: „Es geht, nicht supergut.“In der Schule habe sie manchmal Probleme, sich zu konzentrieren, doch einmal pro Woche besuche sie die Fachstelle gegen sexuelle Gewalt und das tue ihr gut. Vor dem Angeklagten, der vor ihrer Aussage den Gerichtssaal verlassen musste, habe sie Angst. „Ich will ihn nicht mehr sehen.“
Ihrer Mutter habe sie sich nicht anvertraut, weil ihr Stiefvater gesagt habe, dass das ihr Geheimnis sei. Zudem hatte sie wohl Angst, die Familie zu zerstören – und gab sich selbst die Schuld an den Übergriffen. Zu ihnen kam es nachts, wenn die Mutter arbeitete, oder abends, wenn sie früh zu Bett gegangen war. Als Richter Veit die 37-Jährige fragt, welche Strafe sie für ihren Mann für angemessen hält, sagt sie: „Eine gerechte Strafe kann es dafür nicht geben. Keine Strafe kann das Geschehene wieder gutmachen.“ Deshalb wünscht sie sich lediglich, dass ihr Mann, von dem sie sich getrennt hat, zu einer Therapie verurteilt wird. „Damit so etwas nie wieder passiert.“
Auch Staatsanwalt Ebert glaubt, mit einer Behandlung der Alkoholkrankheit mehr erreichen zu können, als damit, den 38-Jährigen wegzusperren. „Das ist kein Vergeltungsprozess, in dem es um eine möglichst harte Strafe geht“, betont er und fordert, den Angeklagten mit zwei Jahren Haft auf Bewährung zu bestrafen. Zudem muss er seine Alkoholtherapie fortsetzen und das im Rahmen eines Vergleichs angebotene Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro an seine Stieftochter zahlen. Das Schöffengericht folgt diesem Antrag: Vier Jahre darf sich der 38-Jährige nichts zu Schulden kommen lassen und muss zudem 2400 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Beide berücksichtigten das Geständnis des Mannes, den sogenannten Täter-Opfer-Ausgleich in Form des Schmerzensgeldes und dass er nicht vorbestraft ist. „Ich gehe davon aus, dass so etwas nie wieder vorkommt“, gibt ihm Richter Veit auf den Weg. „Ich halte Sie nicht für pädophil.“