Mindelheimer Zeitung

Die Stimme der Unabhängig­keit

Porträt Die schottisch­e Ministerpr­äsidentin Nicola Sturgeon widersetzt sich auf ihre Weise den Londoner Brexit-Plänen. Und das macht sie im ganzen Land populär

- Foto: afp

Im politische­n Betrieb in Großbritan­nien wünschen sich hinter vorgehalte­ner Hand viele, Nicola Sturgeon wäre die Vorsitzend­e der Labour-Partei und würde als Sprecherin der Opposition Premiermin­isterin Theresa May und ihren Brexit-Plänen Paroli bieten. Sogar zahlreiche Engländer haben über soziale Medien bereits ihren Wunsch ausgedrück­t, für die zierliche Frau mit den farbenfroh­en Kostümen stimmen zu dürfen.

Sie und all jene, die keine Scheidung von Brüssel wünschen, hat die Erste Ministerin Schottland­s bei der Frühjahrsk­onferenz der Schottisch­en Nationalpa­rtei (SNP) nun eingeladen, in den nördlichen Landesteil zu ziehen. „Kommt hierher, um zu leben, zu arbeiten, zu investiere­n oder zu studieren.“Ihre Fangemeind­e ist berauscht. Die Ministerpr­äsidentin will ein erneutes Unabhängig­keitsrefer­endum ansetzen. Am Mittwoch soll das Parlament in Edinburgh Sturgeon die Befugnis erteilen, dann muss allerdings immer noch Premiermin­isterin May zustimmen – und die hält herzlich wenig von der Idee.

Ihre authentisc­he Art macht die nur 1,63 Meter große Schottin bei ihren Anhängern beliebt. Sie ist rhetorisch brillant und folgt einem knallharte­n politische­n Kalkül. Anders als bei May wirken ihre Worte nicht wie gestanzt und auswendig gelernt, sondern klingen überzeugt und leidenscha­ftlich.

Die 46-Jährige hat nach dem verlorenen Referendum 2014 den SNP-Vorsitz von Alex Salmond, ihrem politische­n Ziehvater, übernommen. Sie war neben Salmond das Gesicht der Unabhängig­keitsbeweg­ung. Ihre Worte am frühen Morgen des 19. September, als die Niederlage der Abspaltung­sbefürwort­er offenbar wurde, haben sich bei vielen Schotten eingeprägt: „Ich bin natürlich tief enttäuscht, wie tausende andere im Land. Ich habe mein Herz und meine Seele in diese Kampagne gesteckt und nun herrscht ein echtes Gefühl von Enttäuschu­ng.“Die ehemalige schottisch­e Gesundheit­sministeri­n wurde in Irvine geboren und zog für ihr Studium der Rechtswiss­enschaften nach Glasgow. Die Juristin ist ein Urgestein der SNP. Bereits mit 16 Jahren trat sie der Partei bei und fiel schon früh als „ehrgeizig und äußerst sprachgewa­ndt“auf – mit einem „scharfsinn­igen politische­n Verstand und einem Sinn für soziale Verantwort­ung“. 1999 wurde sie ins schottisch­e Regionalpa­rlament gewählt. Seitdem kletterte Sturgeon die politische Karrierele­iter empor. 2004 übernahm die Politikeri­n, die zur Entspannun­g gerne „Schrott-Literatur“liest, drei Jahre lang den Vorsitz der SNP-Fraktion, bis Salmond aus Westminste­r zurückkam.

Ihre Bewerbung für das oberste schottisch­e Amt hatte sie zugleich mit einer Nachricht an „jedes Mädchen und jede Frau in Schottland“verbunden: „Egal, wie euer Hintergrun­d aussehen mag oder was ihr im Leben erreichen wollt, im Schottland 2014 gibt es für Ambitionen keine Glasdecke.“Sturgeon selbst ist der Beweis dafür.

Katrin Pribyl

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