„Ich hatte große Angst“Deutschlands Hollywood-Star Diane Kruger über ihre erste deutschsprachige Rolle und den sensationellen Sieg beim Festival in Cannes
Frau Kruger, nach 15 Jahren als Schauspielerin ist „Aus dem Nichts“Ihr erster Film in der deutschen Heimat. Warum hat das eigentlich so lange gedauert?
Diane Kruger: Na ja, ich war 15 Jahre alt, als ich aus Deutschland weggezogen bin, und damals war ich noch lange keine Schauspielerin. Ich hatte also nie irgendwelche Verbindungen in die deutsche Filmszene. Ich habe dort nicht einmal einen Agenten. Doch dann war ich vor Jahren JuryMitglied in Cannes und bin eines Abends zur Party von Fatih Akins Film „Müll im Garten Eden“gegangen. Dort habe ich ihm gesagt, dass ich gerne mal mit ihm arbeiten würde.
Warum gerade Fatih Akin?
Kruger: Fatih und seine Filme waren mir ein Begriff, lange bevor ich Schauspielerin wurde. Seine Filme haben meiner Generation ihren Stempel aufgedrückt. Eines Tages mal mit ihm zu drehen, war immer schon ein Traum von mir. Deswegen bin ich damals auch zu seiner Party gegangen.
Ursprünglich hatte Akin die Rolle in „Aus dem Nichts“ja für einen Mann geschrieben, nicht wahr?
Kruger: Das stimmt, aber nachdem das Projekt eine Weile auf Eis lag, hat er das Drehbuch dann umgeschrieben und hatte dann wohl mich für die Rolle im Sinn. Ich finde das fantastisch, denn daran zeigt sich, was Fatih für ein Frauen-Fan ist. Er ist Familienmensch durch und durch und hat den größten Respekt für seine Frau, die ganz eindeutig der Anker seines Lebens ist. Für Fatih sind alle Mütter Superheldinnen! Es wundert mich kein bisschen, dass es ihm gelungen ist, eine solch komplexe, abgründige Frauenfigur zu kreieren. Das schafft ja bekanntlich nicht jeder Mann.
Glauben Sie, dass Filme wie dieser ein Zeichen dafür sind, dass die Zeiten langsam vorbei sind, in denen gute Rollen für Frauen Mangelware sind?
Kruger: Vorbei sind die natürlich noch lange nicht. Es gibt immer noch so viel weniger starke, komplexe Frauenfiguren, als es geben sollte. Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Aber Filme wie „Aus dem Nichts“sind sicherlich ein guter Anfang.
Sie selbst haben sicherlich lange gewartet auf eine Rolle, die Ihnen schauspielerisch so viel abverlangt, oder?
Kruger: Definitiv. In diesem Fall kam wirklich ganz viel zusammen. Der Film ist für mich wirklich eine sehr persönliche Angelegenheit, er bedeutet mir unglaublich viel. Ich bin sehr dankbar, dass Fatih das Risiko eingegangen ist, mich zu besetzen, und mir die Gelegenheit gegeben hat, meine Komfortzone zu verlassen. Genauso dankbar bin ich dafür, dass wir nach Cannes in den Wettbewerb eingeladen wurden, denn das ist für einen Film wie diesen keine Selbstverständlichkeit. Denn eine solche Geschichte wird natürlich immer kontrovers aufgenommen. Einen besseren Einstand hätte ich mir für meinen ersten deutschen Film nicht wünschen können.
Apropos Kontroversen: Grundlage des Films sind die NSU-Morde und der nun schon seit Mai 2013 laufende Gerichtsprozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe in München. Wie vertraut waren Sie mit all dem, als jemand, der gar nicht in Deutschland lebt?
Kruger: Ich verfolge natürlich auch Nachrichten aus Deutschland, aber vertraut wäre in diesem Fall sicherlich das falsche Wort. Denn tatsächlich ist der Fall in den USA oder Frankreich, wo ich lebe, nicht annähernd so präsent. Aber was mich so interessierte an diesem Film, war eben die Tatsache, dass der wahre Fall eigentlich zur Nebensache wird. Die Geschichte wäre kaum eine andere, wenn sie in Amerika oder Frankreich spielen würde und wenn der Bombenanschlag nicht einen Neonazi-, sondern einen dschihadistischen Hintergrund hätte. Die Geschichte selbst ist universell und handelt von den Menschen, die nach einem Terrorakt zurückbleiben.
Fragen Sie sich bei einer Rolle wie dieser, ob Sie in einer ähnlichen Situation genauso handeln würden?
Kruger: Puh … Natürlich habe ich drüber nachgedacht, aber das ist für mich unmöglich zu beantworten. Ich habe ja keine Kinder und noch nicht einmal einen Ehemann. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass Fatih alles in die Luft jagen würde, wenn jemand seine Familie tötet.