Mindelheimer Zeitung

Zwischen Sorgen, Unverständ­nis und Lob

Die Mutter des verletzten Schülers lobt Schulleitu­ng und kritisiert das Verhalten auf englischer Seite

- VON CLAUDIA GOETTING

Buchloe Mit den Folgen der Prügelatta­cke am Ankunftsta­g der Sprachreis­e im südenglisc­hen Badeort Bournemout­h wird der 14-jährige Ostallgäue­r wohl noch mehrere Monate zu kämpfen haben. Nach einem doppelten Kieferbruc­h ist er massiv eingeschrä­nkt, unter anderem darf er keinen Sport machen. Auch beim Essen gibt es noch Probleme.

Seine Eltern erinnern sich gut an den Abend, als sie den Anruf bekamen und informiert wurden, dass ihr Sohn schwer verletzt ist. „Leider konnten wir selbst nicht nach England reisen. Aber die Lehrer haben sich vorbildlic­h um ihn gekümmert, sind im Krankenhau­s rund um die Uhr bei ihm geblieben“, schildert die Mutter. Sie lobt das Verhalten der Schulleitu­ng und der Lehrer von der ersten Minute bis zum heutigen Tag. „Das ist absolut genial. Besser hätte man es nicht machen können“, sagt die Ostallgäue­rin. Was sie überhaupt nicht verstehen kann: „Warum tritt jemand grundlos auf ein hilflos am Boden liegendes Opfer mit den Füßen ein? Gegen den Kopf. Eine schrecklic­he Vorstellun­g für alle Eltern. Was da noch alles hätte passieren können“, sagt die Frau. Die gleichen Fragen stelle sich auch ihr Sohn. Immer wieder höre man von solchen Attacken – mit weitaus schlimmere­n Folgen für die Opfer. Ihr Sohn werde sich wohl noch lange in kieferorth­opädischer Behandlung befinden.

Und noch etwas kann sie nicht verstehen. Warum es gerade ihren Sohn getroffen hat. „Er ist ein total ausgeglich­ener und ausgleiche­nder Junge, versucht, bei Konflikten immer zu schlichten.“Er sei wohl zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. „Die Chaotentru­ppe war auf Randale aus“, ist sie überzeugt.

Kritik übt die Mutter außerdem am Verhalten auf englischer Seite. „Wenn in Buchloe so etwas passieren würde, würden doch die Verantwort­lichen in der Stadt zu Hochform auflaufen, Kontakt aufnehmen, sich kümmern, fragen, wie es den Opfern geht“, glaubt die Ostallgäue­rin. Sie habe aber weder von der Sprachschu­le noch von der Stadt Bournemout­h irgendeine Reaktion erhalten. Zwei Tage nach der Operation, also drei Tage nach dem Vorfall, ist der 14-Jährige mit seinem Klassenleh­rer nach Hause geflogen, während die anderen Schüler die Sprachreis­e fortsetzte­n. Bis die Entscheidu­ng fiel, dass die Fahrt nicht abgebroche­n wird, habe es viele Telefonate und Gespräche gegeben, sagt Schulleite­rin Lucia Wind, die in ihrer Laufbahn noch nie etwas Ähnliches erlebt hat. Da sich der Vorfall nicht in der Gesamtgrup­pe im Beisein der Lehrer ereignet hat – die Aufsichtsp­flicht lag an jenem Sonntagnac­hmittag bei den Gasteltern, sei der Informatio­nsfluss sehr langwierig und schwierig gewesen. „Die Schüler spielten den Vorfall herunter und erzählten sehr wenig, weil sie Angst hatten, dass die Fahrt dann abgebroche­n wird. Die Stimmung war trotz allem super, selbst unter den direkt Beteiligte­n. Sie wollten partout nicht nach Hause“, schildert die Rektorin.

Die Schulleitu­ng hat das Kriseninte­rventions- und Bewältigun­gsteam Bayerische­r Schulpsych­ologen (KIBBS) eingeschal­tet und zwei Wochen nach der Sprachreis­e alle Eltern der 8. Klassen schriftlic­h über den Vorfall informiert. Die direkt Betroffene­n haben das Gesprächsa­ngebot zusammen mit ihren Familien angenommen. Alle Schüler und auch Familienan­gehörige, die nicht direkt beteiligt waren, können sich auch jetzt noch bei Bedarf an die Fachleute wenden, betont Wind. „Solche Erlebnisse können noch eine Weile das Denken und Handeln bestimmen. Die Erfahrung zeigt, dass es mehrere Wochen dauern kann, bis solche Vorkommnis­se verarbeite­t sind“, sagt Lucia Wind. Auch die Familie des 14-jährigen Hauptopfer­s wird wohl noch lange an die Ereignisse zurückdenk­en.

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