Ein unvergessliches Ablösespiel
Vor 50 Jahren kam der FC Bayern München als frisch gekürter Europapokalsieger nach Kaufbeuren
Kaufbeuren Am 1. Juni 1967 meldete die Allgäuer Zeitung, damals noch „Der Allgäuer“: „FC Bayern München ist Europapokalsieger! Mit 1:0 gewannen die Münchner das Finale gegen den schottischen Vertreter Glasgow Rangers. Das entscheidende Tor fiel in der Verlängerung durch Franz Roth.“Eine gute Woche später holten sich die Bayern auch noch den DFB-Pokal mit einem 4:0 gegen den Hamburger SV, um dann drei Tage darauf, am 13. Juni, aus Allgäuer Sicht den Höhepunkt der Saison zu feiern: mit einer Partie gegen die SpVgg Kaufbeuren (SVK) in deren Parkstadion. Und schuld war Franz „Bulle“Roth.
Ihn hatten die Bayern ein Jahr zuvor aus Kaufbeuren geholt und ein Ablösespiel an der Wertach vereinbart. Auch ansonsten eher Fußballferne spürten Interesse, Fans waren schlicht aus dem Häuschen, so der Autor eines Vorberichts im „Allgäuer“: „Hereinspaziert, Damen und Herren, in unserer heutigen Abendvorstellung erleben Sie die derzeit größte Fußball-Attraktion Deutschlands, den Europa-Cup-Sieger und DFB-Pokal-Gewinner, den FC Bayern München. Mit von der Partie sind Seppl Maier, der Mann mit den tausend Händen, Franzl Beckenbauer, einer der größten Lederkugel-Artisten der Welt, Gerd Müller, ausgestattet mit einem unvergleichlichen Torinstinkt, und Bulle Roth, der Bauernsohn aus Bertoldshofen, die Dampfmaschine der Rothosen. Gegen diesen Goliath wagt es der David, sprich die SpVgg Kaufbeuren, seine Kräfte auf dem grünen Rasen zu messen. Das Spiel des Jahres in der Wertachstadt kann beginnen …“Und 6500 Zuschauer nahezu jeden Alters, darunter die gesamte politische Spitze der Stadt sowie viele junge Frauen, spazierten tatsächlich herein – Stadion- und Einnahmerekord, rund 20 000 Mark (60 Prozent davon nahmen allerdings die Bayern mit). „Das erwartete Volksfest übertraf noch die Erwartungen“, jubelte der Reporter, auch weil Sepp Meier in der zweiten Halbzeit Rechtsaußen spielte, reichlich kasperlte und zwei Tore schoss (für die Münchner trafen außerdem noch Müller, Koulmann und Roth).
Am Ende stand es 5:2 für die Bayern (nach Toren von Mutter und Berkmüller für den SVK). Sie bekamen eine Kuhglocke als Andenken, im Hotel „Hasen“gab’s ein gemeinsames Abendessen für beide Mannschaften, garniert mit Trauben von Autogrammjägern. „Net zur Ruah kommt ma“, schmunzelte Franz Beckenbauer. Andere wollten gar keine Ruhe: Sepp Maier und Rainer Ohlhauser verdrückten sich bald in ein nahes Tanz-Café, wo „der Mann mit den tausend Händen“dem applaudierenden Publikum Variationen seiner Beinarbeit abseits vom Spielfeld zeigte, indem er barfuß schuhplattelte.
Ganz nebenbei erlebte Kaufbeuren vor 50 Jahren auch die kleinen Anfänge des heute hochprofessionalisierten Devotionalienhandels: Vor dem Stadion, so ein Augenzeuge, „hatte ein schlauer Händler aus München einen kleinen Stand aufgeschlagen, an welchem er Mannschaftsbilder, Fähnchen und sonstige Bayern-Utensilien feilbot. Sein Geschäft blühte jedenfalls.“Bei anderen blühte die Fantasie: Erika aus Blöcktach, damals zwölf Jahre und nah am Spielfeld fiebernd, erzählte noch lange, Franz Beckenbauer habe sie beim Vorbeigehen in der Halbzeitpause gestreift, und zwar absichtlich – jedenfalls ihrem Empfinden (oder Wunsch) nach.
Einer der beiden Torschützen für die SVK lebt noch in Kaufbeuren. Walter Berkmüller, Jahrgang 1939, erinnerte sich zunächst nur vage an sein Tor gegen den FCB. Seine Erklärung: „Ich habe in meiner Laufbahn so viele Tore geschossen. 1966/67 zum Beispiel war ich Torschützenkönig der Kaufbeurer mit 29 Treffern.“