Die Hitze und der Wutbürger
Es gab eine Zeit – und die ist noch nicht allzu lange her –, da hat man sich in Bayern halbwegs gepflegt miteinander unterhalten. An Stammtischen beschimpfte man sich zwar bei Meinungsverschiedenheiten wüst. Aber am folgenden Sonntag war meist alles wieder gut. Außerdem fand das Ganze in überschaubaren kleinen Zirkeln statt.
Das hat sich geändert. Der moderne Hitzkopf ist eine Spezies, die sich offenbar mit der Klimaerwärmung in unserer Gesellschaft vermehrt wie Streptokokken im Spätwinter. Und der neue Stammtisch ist Facebook und Co. Ziemlich groß und ziemlich öffentlich.
Von den sommerlichen Temperaturen werden diese Hitzköpfe derzeit wieder richtig zum Glühen gebracht. Wer eine andere Meinung hat, ist mindestens ein Depp, meist aber ein Arschloch.
Die Rede ist von einer neuen gesellschaftlichen Schicht – dem Wutbürgertum. Es bricht mit der Tradition, dass zur politischen Mitte auch eine innere Mitte gehört, also Gelassenheit. Der Wutbürger buht, schreit, hasst. Und er ist zutiefst empört über alles und jeden, der nicht seiner Meinung ist. Denn der Wutbürger denkt an sich und nicht an andere. Die sind ihm egal. Und er hat das Gefühl, stets in der Mehrheit zu sein. So argumentiert er auch – meist ohne Fakten, aber immer mit einer Überdosis Emotion. Das Wort Respekt verwendet er nur in Bezug auf die eigene Person.
Glücklicherweise wird der Wutbürger oft nur digital aktiv. Im wahren Leben traut sich die Masse der Zornigen noch nicht, sich zu offenbaren. Doch der Ärger in den Köpfen und Seelen ist da. Und sagen wir es mal platt: Wenn die Köpfe der Wutbürger tatsächlich rauchen würden, würde es in unseren Dörfern und Städten qualmen wie bei einer Grillparty.