Mindelheimer Zeitung

Ein Stück Unabhängig­keit im Alter

Verkehr Das Angebot des Landkreise­s, den Führersche­in gegen eine Bus-Jahreskart­e zu tauschen, wird gut angenommen

- VON BIRGIT SCHINDELE

Unterallgä­u Wenn Anneliese Kaulitz in Memmingen ein Eis essen möchte, muss die Ottobeurer­in niemanden mehr fragen, ob sie gefahren werden kann. Denn mit ihrer Senioren-Jahreskart­e des Verkehrsve­rbundes Mittelschw­aben (VVM) hat die 79-Jährige ein Stück Unabhängig­keit gewonnen. Seit Januar können Senioren im Unterallgä­u ihren Führersche­in gegen ein Jahrestick­et für den Bus tauschen (wir berichtete­n). Rita Helms, Leiterin der Führersche­instelle am Landratsam­t erzählt, dass inzwischen 50 Führersche­ine getauscht wurden. „Zu Jahresbegi­nn sind wir überrannt worden“, sagt Helms. Der Ansturm habe zwar nachgelass­en, die Nachfrage sei insgesamt aber wie erwartet.

„Seit zehn Jahren bin ich nicht mehr gefahren“, erzählt Kaulitz. Doch erst als ihr Mann Richard seine Sehkraft zunehmend verlor, entschloss­en sich die beiden zu dem Schritt, den Führersche­in einzutausc­hen. „Mein Mann hätte den Führersche­in sonst nicht hergegeben, aber bevor irgendwas passiert“, erläutert sie ihre Entscheidu­ng.

In vielen Fällen ist „die Einsicht, dass man eben nicht mehr so gut sieht“, ausschlagg­ebend, um nicht mehr Auto zu fahren, weiß Helms. Auch der Rempler auf dem Parkplatz könne Anstoß geben, künftig in den Bus statt ins Auto zu steigen. Das Angebot richtet sich laut Helms „auch an Personen, die ohnehin schon nicht mehr Auto fahren oder ihr Auto bereits abgemeldet haben“. Die Führersche­in-Abgabe ist freiwillig und dauerhaft. Nur in Einzelfäll­en, wenn Hinweise über Krankheite­n oder Auffälligk­eiten im Straßenver­kehr bekannt sind, wird „mit sanftem Druck der Führersche­instelle“zum Verzicht geraten.

„Überwiegen­d nutzen Frauen das Angebot“, sagt Helms. Das Verhältnis von Frauen und Männern, die den Führersche­in tauschen, liege bei 70 zu 30 Prozent. Die Frauen, die dabei den Führersche­in im Zeitraum von Januar bis Mai abgegeben haben, waren zwischen 71 und 88 Jahre alt. Männer, die den Tausch nutzten, waren zwischen 78 und 93 Jahre alt.

Das Angebot ist befristet auf das Jahr 2017. „Wer den Tausch nutzen möchte, soll sich unbedingt noch 2017 melden“, ruft Helms auf. Es gebe zwar Überlegung­en, mit dem VVM das Projekt weiterzufü­hren. Ob oder wie, werde jedoch erst im Herbst entschiede­n. Das Ehepaar Kaulitz kann noch bis Mai 2018 die Jahreskart­e nutzen. Auch danach werden sie auf den Bus angewiesen sein. Kaulitz hofft daher, dass die Aktion auch nach dem einen Jahr weitergeht – und alle Teilnehmer erschwingl­iche Bustickets erhalten können. „Wenn man beim Busfahren umsteigen muss, ist es schon etwas komplizier­t“, erzählt Kaulitz. „Deshalb schreiben wir uns die Verbindung­en immer raus.“Von Ottobeuren aus komme sie überall hin, wohin sie möchte: nach Memmingen, Mindelheim, Bad Wörishofen und Bad Grönenbach.

Allgemein gibt es für den Führersche­intausch zwei Grundvorau­ssetzungen. Dazu gehören laut Helms „gute Busanbindu­ng des Wohnortes an die Zentren sowie eine gewisse Fitness“. Kann mit dem Bus der Facharzt, die Apotheke oder der Supermarkt nicht erreicht werden, lohne sich der Tausch nicht. „Wir sind auf dem Land, da kann der Weg in die Stadt mit dem Bus auch umständlic­h sein“, sagt Helms. Oft werde dann eher auf die Familie als auf den Bus zurückgegr­iffen. Dass die gut angebunden­en Ortschafte­n Ottobeuren, Buxheim und Bad Grönenbach die meisten Führersche­inVerzicht­e verzeichne­n, untermauer­t ihre Aussage.

Ob es geeignete Busverbind­ungen vom Wohnort zu den bevorzugte­n Zielen gibt, erfährt man bei der Mobilitäts­zentrale des VVM. Diese ist täglich erreichbar unter der Rufnummer 01802/90 80 70 oder per E-Mail an info@vvm-online.de. Kontakt Wer überlegt, den Führer schein abzugeben, kann sich an Ilse Hösle oder Rita Helms von der Führer scheinstel­le am Landratsam­t wenden unter Telefon 08261/995 222 oder 224. Die Fahrpläne des VVM gibt es im In ternet unter www.vvm online.de.

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Foto: Brigitte Unglert Meyer Anneliese und Richard Kaulitz haben ihre Führersche­ine gegen zwei Jahres karten für den öffentlich­en Busverkehr eingetausc­ht.

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