Was den Wirten die Luft abschneidet
Warum es klassische Wirtshäuser in unserer Region kaum noch gibt. Der Reichsadler in Mindelheim macht allerdings nur Pause. Hoffentlich, sagen seine Gäste
Katzbrui Der Verein ProNah schlägt schon länger Alarm: Immer mehr Traditionswirtschaften auf den Dörfern verschwinden. Es ist ein schleichender Tod. Wirte finden keinen Nachfolger, kein Personal oder sie machen nicht genug Gewinn um fortbestehen zu können. Geht der Trend so weiter, werden schon in ein paar Jahren ganze Landstriche kein eigenes klassisches Wirtshaus mehr haben. Max Endraß ist seit 38 Jahren Wirt. Er führt mit großem Erfolg die KatzbruiMühle. Aber auch er sagt: Das Wirtshaussterben wird weitergehen.
Neben der idyllisch gelegenen Katzbrui-Mühle, wo 1949 der Film „Hans im Glück“gedreht wurde, betreibt Endraß in Mindelheim den Reichsadler mit einem großen Biergarten. Richtiger wäre: Momentan macht er dort Pause. Ihm fehlt Personal. In der schönsten Biergartenzeit des Jahres ist der Reichsadler also in den Dornröschenschlaf versunken. Ob die Gaststätte wieder zum Leben erweckt wird, ist noch unklar. „Im Herbst wollen wir uns zusammensetzen und beraten, wie es weitergeht“.
Dabei hat Endraß viel Herzblut für das Wirtshaus aufgebracht und viel Geld in das Gebäude gesteckt. Die berühmten Malereien außen und in den Gaststuben hat er anbringen lassen.
In der Kreisstadt kursieren unterdessen Gerüchte, der Biergarten könnte in eine Parkfläche verwandelt werden. Stellplätze sind knappes Gut, und der Biergarten liegt in der Nähe der Altstadt. Das will Endraß aber auf keinen Fall. Zu sehr hängt er an dem schönen Garten.
Endraß sagt, es geht um die Bewahrung einer Kultur. Er will, dass sich alle den Besuch seiner Gaststätte leisten können sollen. Ganz normale Leute ebenso wie gut Betuchte. Gute Qualität, aber keine Show, das will er bieten.
Das wird aber offenbar immer schwieriger. Wirte werden gleich von mehreren Seiten in die Klemme genommen, sagt Endraß. Eines der Hauptprobleme: die überbordende Bürokratie. Keiner wolle mehr Verantwortung übernehmen, und deshalb müsse alles dokumentiert werden. Den Sinn bezweifelt Endraß vielflach. So muss nicht nur die Temperatur im Kühlschrank regelmäßig überwacht und aufnotiert werden. Auch wie oft die Messer geputzt werden, muss in Listen eingetragen werden. „Ich bin jeden Tag eine Stunde damit beschäftigt, irgendwelche Aufzeichnungen zu machen“, sagt der 60-Jährige.
Für völlig verunglückt hält der Wirt das Arbeitszeitgesetz von Arbeitsministerin Andreas Nahles. In Ausnahmefällen darf bis zu zehn Stunden gearbeitet werden. Bei einer Hochzeitsfeier lässt es sich aber gar nicht vermeiden, dass das Personal länger arbeiten muss. Die Mitarbeiter einfach auswechseln, geht oft nicht, weil es gar keinen Ersatz gibt. „Das ist völlig praxisfremd“, kritisiert Endraß. Überhaupt das Thema Personal: ausgebildete Fachkräfte für die Küche zu gewinnen, „ist fast schon so schwierig wie ein Sechser im Lotto.“
Abends und an den Wochenenden wollen viele nicht arbeiten. In der Katzbrui-Mühle versucht es der Wirt jetzt mit Beteiligung am Unternehmen. Wenn der Betrieb gut läuft, hat auch der Koch mehr in der Tasche. Neben der Personalknappheit und der Bürokratie ist es auch die Billig-Kultur, die sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr breit gemacht hat. Die Preise in der Gastronomie sind hierzulande so günstig wie nirgendwo sonst in Mitteleuropa. Aber dass ein Schweinsbraten mit Knödel und Salat auch etwas kosten muss, leuchtet offenbar nicht mehr allen ein.
Wenn am Ende des Tages zu wenig in der Kasse hängen bleibt, gibt eben der eine oder andere Wirt auf. Meist wundern sich die Leute aber erst, wenn das beliebte Lokal geschlossen ist.