Nachbeben des Steuerskandals
Auch die VG-Gemeinde Wiedergeltingen trifft der „Steuer-Bumerang“– dennoch steht die Gemeinde finanziell ganz gut da. Die Bürger könnten sogar entlastet werden
Wiedergeltingen Der Türkheimer Skandal um nicht erstellte Steuerbescheide bestimmte auch die Haushaltsberatung des Wiedergeltinger Gemeinderats. Das unangenehme Thema konnte Kämmerer ClausDieter Hiemer bei der jüngsten Gemeinderatssitzung nicht umgehen, der bei dieser Gelegenheit auch seinen Stellvertreter Schöffel vorstellte.
Als ob die Trendprognose der wirtschaftlichen Entwicklung und der kommunalen Einnahmequellen nicht schon schwierig genug wäre, die als Fundament für den alljährlichen Haushaltsplan dienen, musste sich Hiemer einmal mehr mit den Nachbeben der Affäre befassen.
So bilanziert die Jahresrechnung 2016 zwar ein auf den ersten Blick erfreuliches Plus von über 500 000 Euro über Plan und damit eine Rekordzuführung von 1,57 Millionen Euro vom Verwaltungs- an den Vermögenshaushalt – allerdings hat dieser Ausreißer nach oben zur Fol- ge, dass die Schlüsselzuweisungen mit 330 492 Euro heuer um 9300 Euro niedriger als im Vorjahr und 2018 komplett ausfallen werden.
Wie mehrfach berichtet, haben die vier Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Türkheim durch nicht erlassene Bescheide fast drei Millionen an Gewerbe- und Grundsteuer verloren. Den tatsächlich verbleibenden Schaden beziffert die Staatsanwaltschaft Memmingen auf rund 1,3 Millionen Euro. Ein Mitarbeiter der Türkheimer Kämmerei wurde deshalb wegen des Verdachts der Untreue angeklagt. Wann der Prozess beginnt, ist angesichts noch ausstehender Gutachten noch offen. Durch die Systematik des kommunalen Finanzausgleichs werden jedoch die Auswirkungen auf den Haushalt der Gemeinden abgefedert.
Im Gegenzug wird die an den Landkreis Unterallgäu zu zahlende Umlage mit dem neuen Höchstwert von 560 475 Euro um 16000 Euro über der des Vorjahres liegen und im nächsten Jahr bei angenomme- nem unveränderten Hebesatz die Million Euro erreichen.
Diese Entwicklung, so Hiemer, sei nicht ausschließlich dem „Steuereinnahme-Nachholbedarf“geschuldet, sondern auch organisch gewachsenen Einnahmen aus Einkommenund Gewerbesteuer. Sie werden im ersten Fall mit 775 000 Euro 2017 um 50 000 Euro über dem Vorjahresansatz erwartet, während er sich mit einem Gewerbesteuereinnahmenansatz von 550 000 Euro an den Zahlen von 2015 orientiert.
Dem der wirtschaftlichen Entwicklung im allgemeinen entsprechenden Wachstum auf der Einnahmeseite stehen steigende Ausgaben gegenüber, so mit 36 520 Euro eine um knapp 11 000 Euro höhere Umlage für den Schulverband Mittelschule. Kostendeckend arbeitet derzeit die Wasserversorgung der Wiedergeltinger Haushalte.
Die 2008 beschlossene Gebühr von 1,90 Euro/m³ Abwasser zum Ausgleich der zuvor aufgelaufenen Defizite hat inzwischen zu einem Überschuss geführt, der der Sonderrücklage zugeführt werden könne. Nach Hiemers Angaben bestehe Anlass für eine Gebührensenkung, über die er dem Gemeinderat empfahl, noch im Herbst zu beraten.
Mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 87 Euro zum Jahresbeginn und einem Rücklagenstand von 1,9 Millionen Euro erfreut sich die Gemeinde Wiedergeltingen nach dieser Darstellung trotz gewisser Unsicherheiten, die die geopolitische Lage mit sich bringe, einer komfortablen Finanzmittelausstattung.
Selbst die für die Jahre 2018 bis 2020 geplanten Investitionen in der Gesamthöhe von etwa 4,4 Millionen Euro, darunter der Ausbau der Amberger und Kirchenstraße, könnten aus heutiger Sicht – so Hiemer – ohne Kreditaufnahme finanziert werden. Der Haushaltsplan fand die ungeteilte Zustimmung des Gemeinderates.
Auf der Tagesordnung stand dann noch der Breitbandausbau der bislang benachteiligten Ortsrandteile Galgen und Kienlemühle. Die neu aufgelegten Fördermaßnahmen des Bundes erlauben nun auch die Versorgung dieser Ortsteile mit Internet-Verbindungsgeschwindigkeiten von 30 m/bit und mehr. Jürgen Schuster vom beauftragten Beratungsbüro Corwese GmbH, das die Markterkundung durchgeführt hatte, erklärte, dass für diese Außenbereiche die technische Möglichkeit des Glasfaseranschlusses direkt bis ins Haus bestehe.
Die geschätzten Gesamtkosten von etwa 100 000 Euro reduzieren sich durch die zu erwartenden Fördermittel auf etwa 20 000 Euro für die Gemeinde.
Diskutiert wurde von einigen Gemeinderäten, ob dies zu einer Ungleichbehandlung bereits angeschlossener Haushalten im Ort führe, die seinerzeit anteilige Kosten übernommen hätten.
Die lange Wartezeit wiege diesen späten Vorteil jedoch auf, hielten andere dagegen. Der Gemeinderat stimmte dann geschlossen für die Beantragung der Fördermittel für den Netzausbau.