Die genervten Stadträte
Die Auseinandersetzung um die Wiese wird nicht immer sachlich geführt
Mindelheim Der Ton in der Auseinandersetzung um die Zukunft der Lautenwirtswiese wird zunehmend persönlicher und emotionaler. Spürbar genervt haben einzelne Sprecher der Stadtratsfraktionen auf die laufende Debatte reagiert. Auf dem zweiten Informationsabend der Stadt zu den beiden Bürgerentscheiden im Forum sagte beispielsweise Roland Ahne (SPD), er habe zunehmend das Gefühl, der Stadtrat werde als „böser Bube oder böses Mädchen“gesehen.
Die Vertreterinnen der Bürgerinitiative waren wie bei den anderen Informationsabenden in der Kernstadt und in den Ortsteilen nicht erschienen. Josef Doll (Grüne) hielt den Mitgliedern der Bürgerinitiative vor, sie hätten vor 30 Jahren das Privileg erhalten, auf „großzügigen Grundstücken“ihre Eigenheime zu errichten. Nun kämpften sie für freie Sicht bis zu den Alpen. Der Stadtrat sei den Anliegern sehr stark entgegengekommen. Die nördlichste Häuserreihe wird 8,25 Meter hoch und nicht wie ursprünglich geplant 10,5 Meter. Der Abstand wurde von drei auf sieben Meter erhöht. Wiederholt reagierte Doll mit Kopfschütteln, wenn Kritiker des Ratsbegehrens das Wort ergriffen.
Peter Miller (ÖDP) betonte, die Wiese als Gemeinbedarfsfläche auszuweisen, dafür bestehe mittelfristig kein Bedarf. Die stellvertretende Schulleiterin der Mittelschule, Elfriede Röthinger, bestätigte das für ihre Schule. Es seien genügend freie Räume im Schulhaus vorhanden, um den Bedarf für die nächsten Jahre zu decken. Auch Bürgermeister Stephan Winter sieht keinen Bedarf für Allgemeinflächen auf der Wiese.
Wolfgang Streitel (CSU) betonte die Wohnungsnot, die es in Mindel- heim gebe. Er addierte kurzerhand die Zahlen, die auf den Wartelisten der Stadt und der Wohnungsgenossenschaften stehen und kam auf 620. Zusätzlich interessierten sich 200 für Bauplätze.
Dem hielt allerdings ein Zuhörer entgegen, dass sich Suchende auf verschiedene Listen eintragen. Man könne also den Bedarf nicht so einfach zusammenzählen.
Die Stadt biete mehr als 10000 Arbeitsplätze und eine hervorragende Kinderbetreuung, sagte Streitel weiter. Das ziehe Neubürger an. Der Stadtrat habe die Pflicht, Wohnraum zu schaffen. Dieser müsse bezahlbar sein. Deshalb begrüße er den Vorstoß der SPD, dass erstmals in Mindelheim zehn Prozent des Wohnraums auf der Lautenwirtswiese sozial gebunden sein werden. 900 oder 1000 Euro Miete für eine Wohnung könne sich nicht jeder leisten. Drittes Argument für die Bebauung der Wiese: Dadurch ließe sich landwirtschaftliche Fläche im Norden der Stadt erhalten.
Der Bürgerinitiative hielt Streitel vor, sie arbeite „bewusst und vorsätzlich“mit falschen Darstellungen. Die Aussagen im Flyer seien „mehr als grenzwertig“. Dort war davon die Rede, dass im Flächennutzungsplan 100 Hektar für den Wohnungsbau vorgesehen seien. Tatsächlich sind es knapp 35 Hektar. Bei aller Diskussion wünsche er sich, dass sachlich, fair und ehrlich diskutiert werde.
Stadtbaumeister Gerhard Frey, der die Planungen der Stadt vorstellte, sagte, für das Projekt Lautenwirtswiese seien keine ökologischen Ausgleichsflächen notwendig. Frey rührte die Werbetrommel für das Ratsbegehren und nannte die Planungen ein „sehr schönes Konzept mit begrünten Wohnhöfen“. Das Projekt komme nicht nur dem Grundeigentümer zugute, „sondern allen Bürgern der Stadt Mindelheim“. Zurückhaltender äußerte sich an dem Abend mit Hinweis auf das Neutralitätsgebot Bürgermeister Stephan Winter.
Schwester Marianne Rauner, die sich ehrenamtlich um die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Klosters Heilig Kreuz kümmert, sagte, die Stadt habe 2015 beim Kloster angefragt, ob es im Norden Flächen verkaufen wolle. „Dem haben wir zugestimmt.“
Weil die Wohnungsnot in Mindelheim so groß sei, habe das Kloster daraufhin auch die Lautenwirtswiese zur Bebauung angeboten. Das Kloster sei der Stadt und ihren Menschen schon immer sehr entgegengekommen.
Die Schwester stellte noch einmal klar, dass der Kindergarten allein ohne die Wohnbebauung nicht kommen werde. Die Kirchenstiftung habe dafür nicht die notwendigen Mittel. Die Stiftung werde ein Mietgebäude errichten und die Wohnungen um einen Euro unter dem Durchschnittspreis anbieten. Dieser soll bei 7,50 Metern liegen. Einen Mietspiegel für Mindelheim gibt es nicht.