Acht Minuten
Ist es gestattet, eine Straßenlaterne zu umarmen und ihr etwas zuzuflüstern? Wie ausdauernd darf man auf einer öffentlichen Toilette sitzen? 5 Minuten? 10? Eine halbe Stunde? Wie lange darf man vor einem Schaufenster stehen bleiben, ohne verdächtig zu werden? 90 Sekunden? 4½ Minuten? Und was geschieht mit einem, der an einer Fußgängerampel verharrt und zwei oder mehr Grünphasen verstreichen lässt, ohne zu gehen?
Im öffentlichen Raum, in dem es weniger frei zugeht, als man denkt, der immer mehr zu einer Zone des Überwachens und Belauerns, des Misstrauens, des Einschreitens und der Einmischung wird, ist das wenigste noch Privatsache. Wer eine Kippe wegwirft, kann ebenso gemaßregelt und bebußgeldet werden wie jemand, der sich hinsetzt. Nicht irgendwohin, nicht auf einen Brunnenrand oder einen Gehsteig – sondern auf eine Wartebank. Ein Rentner hatte das getan in Düsseldorf. Setzte sich, bedürftig nach einer Pause, auf eine Bank an einer Bushaltestelle in Bahnhofsnähe. Der 86-Jährige saß dort acht Minuten. Acht. Acht Minuten auf einer Bank! Mitarbeiter des Ordnungsdienstes fanden das zu lange. Warten geht kürzer, und ruhen, einfach so verharren auf der Bank – das wurde als nicht der Zweckbestimmung entsprechend eingestuft. Macht 35 Euro Geldbuße. Danach: Wirbel, Rückzieher, Entschuldigungen. Es sei halt so, dass Trinker und Obdachlose die Wartebänke über Gebühr besetzten, und da habe man in Fehleinschätzung… Geschenkt. Aber darum geht es nicht. Das Düsseldorfer Bank-Trauerspiel zeigt, wie überreglementiert der Stadtraum inzwischen ist, wie willkürlich über angemessenes und unangemessenes Verhalten entschieden wird. Wer nicht brav in amtlich abgesegneter Verhaltenskonfektionsgröße konsumierend seiner Wege geht, ist unerwünscht in unseren schönen Paranoia-Spießercitys.