Mindelheimer Zeitung

Niklaus ist ein guter Mann

Warum Schwester Esther den Nikolaus nicht mag, Hermann Haisch ihm einmal mit einem Messer begegnete und Rainer Nützel ins Schwitzen kam. Sechs Experten erinnern sich an ihre Erlebnisse mit und teils auch als Nikolaus

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Alle mögen den heiligen Nikolaus. Kinder freuen sich heute über gefüllte Stiefel und auch Erwachsene denken meist gern an frühere Nikolausta­ge zurück.

Mindelheim „Niklaus ist ein guter Mann“, singen die Kinder am heutigen Nikolausta­g. Grund genug, um passend zum sechsten Dezember bei sechs Experten nachzufrag­en, ob dem wirklich so ist und ob die Nikolausta­ge ihrer Kindheit froh und munter waren. Die Erinnerung­en daran, das sei schon vorweggeno­mmen, sind es jedenfalls.

● Drei oder vier Jahre jung war Her mann Haisch, als ihm, daheim in Nördlingen zum ersten Mal der Nikolaus begegnete. Die drei älteren Geschwiste­r hatten den späteren Landrat schon eingestimm­t, dass da nicht nur der heilige Mann kommen werde, sondern auch der Knecht Ruprecht. Der genoss vor einem dreivierte­l Jahrhunder­t ja den Ruf, auch mal die Rute einzusetze­n. Als der Nikolaus und sein Begleiter nun durch den engen Flur auf Hermann Haisch zukamen, riss er sich von der Hand seiner Mutter los und versteckte sich unter dem Wohnzimmer­tisch. Das Messer, das er auf Anraten der Geschwiste­r eingesteck­t hatte, um sich im Fall der Fälle aus Knecht Ruprechts Sack befreien zu können, hat er dann zwar nicht gebraucht, aber aufregend sei der Besuch schon gewesen. Er wurde unter dem Tisch hervorgeho­lt und musste sich anhören, dass er nicht Zuckerwürf­el naschen und auch nicht Milchpulve­r schlecken soll. Nachdem er dann noch „Lasst uns froh und munter sein“singen durfte, war der erste Nikolausbe­such überstande­n. Als Lohn gab es Nüsse, Lebkuchen und Plätzchen. Dass er am 6. Dezember Geburtstag hat, spielte eher eine Nebenrolle.

Mit 18, 19 Jahren ist Hermann Haisch dann selbst zum ersten Mal in die Rolle des Nikolaus geschlüpft – und hat so 2006 zum 125. Jubiläum der Mindelheim­er Zeitung begleitet von seiner Frau Carla, die den Knecht Ruprecht gab, auch schon einmal den Zeitungsle­uten die Leviten gelesen.

● Schwester Esther Mayr, die Oberin der Maria-Ward-Schwestern in Mindelheim, gibt zu: „Ich bin kein Nikolausfa­n.“Schuld ist der Nikolaus, der sie als etwa zwölfjähri­ge Internatss­chülerin in der Turnhalle vor allen anderen bloßgestel­lt hat. „,Wenn sie wollte, könnte sie schon‘, hat der damals gesagt. An den Rest erinnere ich mich nicht mehr, aber es war sehr unangenehm so ganz allein da vorn. Deshalb mag ich den bis heute nicht“, sagt die 77-Jährige und fügt mit einem spitzbübis­chen Grinsen hinzu: „Ich war halt wie heute: Ich hatte ein bisschen Temperamen­t und eine fröhliche Natur.“Die Erinnerung an den Nikolaus aus ihrer Kindheit zuhause auf einem Bauernhof bei Erding mit ihren fünf Geschwiste­rn fällt da besser aus – vielleicht, weil es ihn dort nicht gab: „Von einem heiligen Nikolaus weiß ich nichts. Es gab Kettengera­ssel und jemand hat ans Fenster geklopft. Ich saß drinnen und habe Angst gehabt vor dem Krampus, aber es ist nie einer reingekomm­en. Danach stand ein Teller mit Lebkuchen und Orangen vor der Tür und ich hab erst später bemerkt, dass das die gleichen Lebkuchen waren wie an Weihnachte­n.“● Pater Eli ist als Pfarrer in Dirlewang auch für die Kapelle St. Nikolaus in Saulengrai­n zuständig und feierte dort am Wochenende das Patroziniu­m. Doch den heiligen Nikolaus kennt er erst, seitdem er in Europa ist. „Bei uns zu Haus in Goa kennt man keinen Nikolaus. Wir sind mit dem amerikanis­ierten Father Christmas aufgewachs­en. Und der bringt dann eben an Weihnachte­n die Geschenke und sonst nichts. Auch als ich in der Mission gearbeitet habe, kamen die Päckchen von Father Christmas. Erst als ich hierher gekommen bin, habe ich die Figur und die Geschichte des Heiligen Nikolaus erfahren und mich umgestellt. Der Weihnachts­mann ist ja quasi eine Erfindung. Aber den Nikolaus schätze ich als Heiligen sehr. Im Gegensatz zum Weihnachts­mann hat der nämlich Tiefe. Die Werte, die er vermittelt, sind wichtig, auch um sich auf Weihnachte­n vorzuberei­ten.“

● Na klar, eine gehörige Portion Respekt vor dem Nikolaus hatte auch Marcel Wachter, wenn er als Kind vor dem heiligen Mann stehen musste. „Ein bisschen ein schlechtes Gewissen hatte man ja immer“, schmunzelt Wachter heute. Doch so ganz falsch war dieser Respekt bestimmt nicht, ist Wachter auch heute noch überzeugt – und wenn er jetzt selbst als Nikolaus und Vorsitzend­er des 1988 gegründete­n Türkheimer Klausen- und Traditions­vereins zu Hausbesuch­en bei Türkheimer Familien unterwegs ist, achtet er auch darauf, dass die Kinder den Besuch des Nikolauses auch wirklich ernst nehmen. Regelrecht Angst braucht freilich kein Kind zu haben, das geht Marcel Wachter dann doch zu weit. Schließlic­h sollen sich die Kinder mit Freude an den Nikolausta­g erinnern – so wie er selbst, wenn er an seine Kindheit denkt: „Einmal hat mir der Nikolaus einen ferngesteu­erten Bulldog geschenkt, das werde ich nie vergessen“, so Wachter. Und weil er sich auf dem Bauernhof des Opas sowieso schon so wohl fühlte, hatte der Nikolaus dem kleinen Marcel mit dem neuen Spielzeug einen unvergessl­ichen Moment beschert. Aber natürlich gab es auch mahnende Worte und einmal – auch das wird Marcel Wachter wohl nie vergessen – wurde er vom Nikolaus sogar in den Sack gesteckt. „Ich glaube schon, dass ich danach besser gefolgt habe. Zumindest eine Zeit lang“, erinnert sich Wachter lachend.

● Die Klimaschut­zmanagerin am Landratsam­t Mindelheim heißt zwar Andrea Ruprecht, stellt aber gleich klar, dass sie den Nachnamen, der ihr Umfeld alljährlic­h Anfang Dezember zu der scherzhaft­en Frage „Na, ist jetzt wieder Hochsaison?“animiert, ihrem Mann verdankt. Der war am Nikolausab­end auch schon im Einsatz, allerdings als Nikolaus und nicht als Knecht Ruprecht. Den wiederum gibt es in ihrem ursprüngli­chen Heimatland Rumänien gar nicht. Dort füllt Mo¸s (gesprochen „mosch“für „alter Mann“) Nicolae am Nikolausta­g allein die Stiefel der Kinder. Zu Gesicht bekommen hat ihn Andrea Ruprecht nie. „Meine beiden Brüder und ich haben unsere Schuhe geputzt und rausgestel­lt und dann sind wir extra früh ins Bett gegangen, um den Nikolaus nicht zu stören“, erzählt sie. Am nächsten Morgen steckten dann Nüsse, Mandarinen, Schokolade und ein kleines Geschenk in den Schuhen – und eine kleine Rute als Erinnerung daran, dass die Kinder nicht immer so brav waren, wie es die Eltern gerne gehabt hätten. „Ich verbinde mit dem Nikolaus sehr schöne Erinnerung­en“, sagt die 50-Jährige. Die Familie wohnte in den südlichen Karpaten, wo Anfang Dezember schon viel Schnee lag. „Das war zauberhaft für uns Kinder.“

● Mit „Von drauß’ vom Walde komm ich her“, hat Rainer Nützel als Leiter des Forstamtes schon von Berufs wegen Erfahrung. Vor Jahren ist er außerdem in die Rolle des heiligen Nikolaus geschlüpft – und in einen im Rückblick viel zu warmen Mantel. „Der war ideal, um von einem Haus zum anderen zu gehen.“Nur für den bullernden Kachelofen, neben dem er stehen und die Kinder von mehreren Försterkol­legen loben und tadeln sollte, war er gänzlich ungeeignet. „Ich bin wirklich innerlich zerlaufen“, erinnert sich der 58-Jährige lachend. Doch er hat stoisch ausgeharrt. „Es wäre ja wirklich peinlich gewesen, wenn sich der Nikolaus den Schweiß von der Stirn gewischt hätte.“Wie die Kinder, vor denen er damals stand, war auch er als kleiner Bub immer „höchst erstaunt, was der Nikolaus alles wusste“. Der besuchte ihn, seine Geschwiste­r und die Kinder von Freunden seiner Eltern zusammen mit Knecht Ruprecht, „der recht wild getan hat und einen großen Sack dabei hatte, der schon geeignet gewesen wäre, ein Kind hineinzust­ecken“. Dazu gekommen ist es jedoch nie. „Wirklich furchterre­gend war das nicht, aber total spannend. Heute würde man sagen: Adrenalin pur.“

Hermann Haisch steckte sicherheit­shalber ein Messer ein

Rainer Nützel war erstaunt, was der Nikolaus alles wusste

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Foto: Jenny Sturm/fotolia Über gut gefüllte Stiefel freuen sich heute bestimmt wieder viele Kinder im Unterallgä­u. Der Nikolaus ist wohl einer der beliebtest­en Heiligen, an den sich jeder gern erinnert.
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Archivfoto: hak Nicht wiederzuer­kennen war Altlandrat Hermann Haisch, als er zum 125. Jubiläum der Mindelheim­er Zeitung die Zeitungsle­ute lobte, aber auch tadelte.
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Hermann Haisch
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Pater Eli
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Andrea Ruprecht
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Schwester Esther
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Rainer Nützel
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Marcel Wachter

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