Wie man Weihnachten malt
Ein Besuch im Atelier des Künstlers Michael Triegel, der gerade an einem Bild für eine bayerische Kirche arbeitet
Herr Triegel, schon seit frühchristlicher Zeit zählt Weihnachten zu den beliebtesten Bildmotiven. Was macht denn Ihre Version besonders? Michael Triegel: Die Hauptidee bei meinem Bild war – wie es immer so bei mir ist: Ich kann nicht nur das heile und schöne Weihnachtsfestchen malen. Ochs und Esel im Stall und alles ist gut. Natürlich ist es gut, dass zu Weihnachten mit der Geburt Jesu das Licht der Welt zu uns in die Dunkelheit kommt. Aber es kommt eben in die Dunkelheit – in eine kaputte, labyrinthische Welt. Das wollte ich in meinem Bild auf keinen Fall ausklammern.
Wie haben Sie das eingefangen? Triegel: Da ist zum einen die verschachtelte Architektur des Stalls, übrigens angeregt von einer Scheune im Erzgebirge. Unten im Stroh liegen da hingeworfene Leitern, die keiner aufgerichtet hat. Im dunklen Hintergrund bilden die Holzstiege und der Stützbalken ein Kreuz – das Symbol der Passion ist, aber eben auch aus dem engen Raum zu der nach oben offenen Architektur führt. Über dem Jesus hängt ein Kranz aus verblichenen Tier- und Menschenschädeln, in dessen Mitte ein Embryo in einer Fruchtblase schwimmt. Das Jesuskind selbst schwebt mit Segensgestus vor einem Tuch und erinnert schon an den auferstandenen Christus. Und statt Ochs und Esel gibt es bei mir eine schlafende Katze – die in der Bildsymbolik für das Böse und den Teufel steht. Und ein Schaf – das man auch als Opfertier, als Lamm Gottes, lesen kann.
Da steckt aber schon viel Ostern drin, in Ihrem Weihnachtsbild.
Triegel: Die Idee war, dass ich Weihnachten spiegele und als den ersten Schritt zur Passion zeige. Klar beginnt mit der Geburt das wunderbare Leben. Aber es ist eben auch der erste Tag des Sterbens. Wir wissen, am Ende stehen der Tod und die Hoffnung der Auferstehung – das kann und wollte ich nicht ausklammern.
Klassisches Weihnachtsidyll ist offenbar nicht so Ihre Sache?
Triegel: Ich habe den Eindruck, in der Gesellschaft wird besonders zu Weihnachten alles Problematische verdrängt. Alles ist toll, die Familie erwartet glücklich das Fest. Und dann: Meistens kracht’s, man ist gestresst. Verdrängung schafft Psychosen. Darum ist es wichtig, das Schreckliche nicht auszublenden. Weihnachten vor 2000 Jahren war ja kein Idyll: Maria und Josef waren fremd, und eine Entbindung in einem dunklen, kalten Stall ist nun auch nicht so heimelig. Ich finde, das Schöne am Weihnachtsfest ist, dass es ein Trotzdem ist und ein Versprechen auf Hoffnung.
Triegel: Genau. So wie eigentlich jede Geburt irgendwo ein Trotzdem ist. Viele fragen sich ja: Kann ich in diese schreckliche Welt überhaupt ein Kind setzen? Kann ich dafür die Verantwortung übernehmen? Und das Großartige bei jeder Geburt ist für mich, dass man trotzdem die Hoffnung über den Zweifel stellt und nicht vor dem Schrecken der Welt kapituliert.
Weihnachtsbilder sind ja geradezu prädestiniert für Kitsch …
Triegel: Ja, und dieser Kitsch nervt mich unsäglich. Das ist auch der Grund, warum ich eben auch den Passionsaspekt mit aufnehmen wollte. Kitsch versucht mit möglichst einfachen Mitteln, eine Emotion zu bedienen, und Kitsch ist nicht interpretierbar. Er will vereinfachen, nicht problematisieren. Schönheit hat für mich immer auch etwas Ambivalentes, das in Korrelation zur Dunkelheit steht.
Ist die sperrige Botschaft in Ihrem Bild deshalb in Schönheit gekleidet, so ästhetisch gemalt?
Triegel: Ja. Wir wissen ja nicht erst seit Rilke, dass das Schöne des Schrecklichen Anfang ist. Über Jahrtausende war Schönheit aufs Engste mit der Frage nach Wahrheit und dem Guten verknüpft. Das ist dann spätestens im 19. Jahrhundert diskreditiert worden, wo Schönheit nur noch für die Oberfläche und Erotik stand. Ich versuche wieder den Pendelschlag in die andere Richtung: Die Schönheit verstehe ich als ein Trotzdem, als ein Gekoppeltsein an eine Idee – dadurch bekommt sie Sprengkraft. Außerdem glaube ich, dass Kunst problematisieren muss.
Interview: Karin Wollschläger, kna
Der Leipziger Maler Michael Trie gel, geboren 1968, wurde be kannt durch sein Porträt des Papstes Benedikt XVI. Für die katholische Pfarrkirche St. Oswald in Baunach bei Bamberg hat er nun ein Bild mit weihnachtlichem Thema erstellt.