Hybrid-Hemd
zur Weltmusik. Sänger Stefan Dettl sagte dieser Zeitung, dass die Welt im 21. Jahrhundert kleiner und die Heimat größer geworden sei. Und: Traditionen, die sich nicht erneuern, würden verschwinden. Das letzte Album der Band, die auch schon als Vorgruppe der Ärzte unterwegs war, hieß dann auch „Around the World“– und mit dem tourten sie um die Welt, in kleine Klubs, zu Hause aber zugleich auch vor 12000 Menschen in die ausverkaufte Olympiahalle München. Selbstbewusste, weltoffene Freude klingt hier.
Und auch diese ist politisch völlig unverdächtig, von einem Aufblühen alter, rechts-ideologischer Heimatverklärung keine Spur, nichts Volkstümelndes im Volkstümlichen. Was bei manch anderen heimatlich Bewegten aus dem Alpenland oder deren Fans weniger eindeutig erscheint – ob VolksRock ’n’ Roller oder unterm Geweih deutschrockende Südtiroler. Eine interessante Differenzierung, wenn Stefan Dettl von LaBrassBanda sagt, er würde nie hochdeutsch singen, zuvor eher englisch, und Philipp Burger von Frei.Wild erklärt, Frei.Wild sei ein deutscher Name, weil die Band ausschließlich deutsche Texte habe und auch immer haben werde. So klären sich sprachlich Identitätsfragen. Sicher nicht zufällig.
Womit noch die Frage der Literatur bleibt. Gibt es nicht auch eine Wiedergeburt des Heimatromans? Die schon länger wogende Flut an Regional-Krimis spricht dafür – von Niveau und Weltsicht her angesiedelt zwischen „Dahoam is Dahoam“und einem guten Rosenmüller. Darüber hinaus aber stellten in den vergangenen Jahren Autoren in Romanen verstärkt nicht nur Heimat dar, sondern auch die Frage nach ihrer Bedeutung. Katharina Hackers „Dorfgeschichte“, Moritz von Uslars „Deutschboden“, Sasa Stanisic’ „Vor dem Fest“, Andreas Maier gleich mit einem zwölfteiligen Romanzyklus … Und aus Bayern etwa: Josef Bierbichlers „Mittelreich“sowie Georg Kleins Augsburg-Erinnerung „Roman unserer Kindheit“. Was mit ihnen in unserer Zeit sicher nicht von ungefähr (auf-)lebt, ist die Erkenntnis, dass Heimat für die Identität nicht nur eine Szenerie darstellt, sondern auch: ein Urteil. Das dunkle „Mia san Mia“.
Deutschland schätzt das Hybride, in dem alles schön gebündelt, vermengt & vermischt ist und alle Gegensätze aufgehoben scheinen. Die GroKo ist so ein breit angelegter Politik-Hybrid, ein wenig auch die Doppelspitze der Grünen. Und Aldi, der jetzt neben Kreuzfahrten und Fernsehern auch Geschirrspüler verkauft, ist ein Handels-Hybrid, zu dem man gerne in einem Wagen mit Hybrid-Antrieb vorfährt. Hybrid kann man sogar essen, bei McDonald’s zum Beispiel.
Angesichts dieser hybriden Durchdringung Deutschlands ist das Hybrid-Hemd zwar schwerlich als Hybris zu bezeichnen. Aber eine besondere Blüte im bunten Strauß der Mix- und Kombiformen ist es zweifellos. Wir haben es mit einer Art Ikea-Du zum Anziehen zu tun. Das Hybrid-Hemd macht Schluss mit der Vielfalt, die den Kleiderschrank aufbläht. CityHemden, Business-Hemden, Freizeit-Hemden, Wander-Hemden, Casual-Hemden: Du kannst ja verrückt werden. Weil aber die feinen Unterscheidungen aufgeweicht und alte distinguierte Grenzziehungen geschleift sind, ist das HybridHemd keine Dobrindt’sche Revolution, sondern nur eine logische Reaktion auf die gesellschaftliche Realität der Mitte. Die heißt kleidungsetikettenmäßig schlicht: Alles ist Jacke wie Hose.
Wenn niemand mehr Krawatte trägt, außer Gauland seine Hundeschlipse, kann man doch gleich im Freizeitlook in die Firma – gerne mit Hybrid-Sneakers statt mit handgenähten Budapestern. Und Unisex-Mütze im Winter.
Das Hybrid-Hemd, das nach Ansicht der Fachzeitschrift
Zuordnungen des Trägers nicht mehr eindeutig erlaubt, hat das Zeug zur smarten Uniform unserer Tage. Wer Beliebigkeit trägt, kann mit allem kombinieren und überall andocken, womit wir wieder bei der GroKo wären. Ein regular fit Hybrid-Shirt passt zu der Art, wie wir heute leben: Der Übergang von Arbeit in Feierabend ist fließend – und umgekehrt. Ob das Hybrid-Hemd an den Erfolg der Hybrid-Hose anknüpfen wird? Welche das ist? Einfach mal an sich runterschauen. Jeans, was sonst.