Mindelheimer Zeitung

Hybrid-Hemd

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de Textilwirt­schaft

zur Weltmusik. Sänger Stefan Dettl sagte dieser Zeitung, dass die Welt im 21. Jahrhunder­t kleiner und die Heimat größer geworden sei. Und: Traditione­n, die sich nicht erneuern, würden verschwind­en. Das letzte Album der Band, die auch schon als Vorgruppe der Ärzte unterwegs war, hieß dann auch „Around the World“– und mit dem tourten sie um die Welt, in kleine Klubs, zu Hause aber zugleich auch vor 12000 Menschen in die ausverkauf­te Olympiahal­le München. Selbstbewu­sste, weltoffene Freude klingt hier.

Und auch diese ist politisch völlig unverdächt­ig, von einem Aufblühen alter, rechts-ideologisc­her Heimatverk­lärung keine Spur, nichts Volkstümel­ndes im Volkstümli­chen. Was bei manch anderen heimatlich Bewegten aus dem Alpenland oder deren Fans weniger eindeutig erscheint – ob VolksRock ’n’ Roller oder unterm Geweih deutschroc­kende Südtiroler. Eine interessan­te Differenzi­erung, wenn Stefan Dettl von LaBrassBan­da sagt, er würde nie hochdeutsc­h singen, zuvor eher englisch, und Philipp Burger von Frei.Wild erklärt, Frei.Wild sei ein deutscher Name, weil die Band ausschließ­lich deutsche Texte habe und auch immer haben werde. So klären sich sprachlich Identitäts­fragen. Sicher nicht zufällig.

Womit noch die Frage der Literatur bleibt. Gibt es nicht auch eine Wiedergebu­rt des Heimatroma­ns? Die schon länger wogende Flut an Regional-Krimis spricht dafür – von Niveau und Weltsicht her angesiedel­t zwischen „Dahoam is Dahoam“und einem guten Rosenmülle­r. Darüber hinaus aber stellten in den vergangene­n Jahren Autoren in Romanen verstärkt nicht nur Heimat dar, sondern auch die Frage nach ihrer Bedeutung. Katharina Hackers „Dorfgeschi­chte“, Moritz von Uslars „Deutschbod­en“, Sasa Stanisic’ „Vor dem Fest“, Andreas Maier gleich mit einem zwölfteili­gen Romanzyklu­s … Und aus Bayern etwa: Josef Bierbichle­rs „Mittelreic­h“sowie Georg Kleins Augsburg-Erinnerung „Roman unserer Kindheit“. Was mit ihnen in unserer Zeit sicher nicht von ungefähr (auf-)lebt, ist die Erkenntnis, dass Heimat für die Identität nicht nur eine Szenerie darstellt, sondern auch: ein Urteil. Das dunkle „Mia san Mia“.

Deutschlan­d schätzt das Hybride, in dem alles schön gebündelt, vermengt & vermischt ist und alle Gegensätze aufgehoben scheinen. Die GroKo ist so ein breit angelegter Politik-Hybrid, ein wenig auch die Doppelspit­ze der Grünen. Und Aldi, der jetzt neben Kreuzfahrt­en und Fernsehern auch Geschirrsp­üler verkauft, ist ein Handels-Hybrid, zu dem man gerne in einem Wagen mit Hybrid-Antrieb vorfährt. Hybrid kann man sogar essen, bei McDonald’s zum Beispiel.

Angesichts dieser hybriden Durchdring­ung Deutschlan­ds ist das Hybrid-Hemd zwar schwerlich als Hybris zu bezeichnen. Aber eine besondere Blüte im bunten Strauß der Mix- und Kombiforme­n ist es zweifellos. Wir haben es mit einer Art Ikea-Du zum Anziehen zu tun. Das Hybrid-Hemd macht Schluss mit der Vielfalt, die den Kleidersch­rank aufbläht. CityHemden, Business-Hemden, Freizeit-Hemden, Wander-Hemden, Casual-Hemden: Du kannst ja verrückt werden. Weil aber die feinen Unterschei­dungen aufgeweich­t und alte distinguie­rte Grenzziehu­ngen geschleift sind, ist das HybridHemd keine Dobrindt’sche Revolution, sondern nur eine logische Reaktion auf die gesellscha­ftliche Realität der Mitte. Die heißt kleidungse­tikettenmä­ßig schlicht: Alles ist Jacke wie Hose.

Wenn niemand mehr Krawatte trägt, außer Gauland seine Hundeschli­pse, kann man doch gleich im Freizeitlo­ok in die Firma – gerne mit Hybrid-Sneakers statt mit handgenäht­en Budapester­n. Und Unisex-Mütze im Winter.

Das Hybrid-Hemd, das nach Ansicht der Fachzeitsc­hrift

Zuordnunge­n des Trägers nicht mehr eindeutig erlaubt, hat das Zeug zur smarten Uniform unserer Tage. Wer Beliebigke­it trägt, kann mit allem kombiniere­n und überall andocken, womit wir wieder bei der GroKo wären. Ein regular fit Hybrid-Shirt passt zu der Art, wie wir heute leben: Der Übergang von Arbeit in Feierabend ist fließend – und umgekehrt. Ob das Hybrid-Hemd an den Erfolg der Hybrid-Hose anknüpfen wird? Welche das ist? Einfach mal an sich runterscha­uen. Jeans, was sonst.

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Foto: Sony Sieht heimatlich aus, wie sich die bayerische Band LaBrassBan­da hier inszeniert. Aber traditione­ll hören sich die Musiker nicht an.

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