Warum sind Ihre Geweihe bunt?
Andrea Böck aus Mindelheim betreibt „Heimatgefühl“, einen ungewöhnlichen Laden. Ein Gespräch über Identität und warum ein bisschen Kitsch auch nicht schadet
Mindelheim Andrea Böck ist in Mindelheim aufgewachsen. Später besuchte sie die Fachoberschule für Gestaltung in Augsburg. Heute lebt sie in Kempten, wo sie als Mediengestalterin bei der Firma Idkom arbeitet. Nebenbei betreibt die 39-Jährige das Label „Heimatgefühl“im Internet. Dazu gibt es im Antikladen im Elternhaus in der Mindelheimer Gerberstraße eine extra Verkaufsfläche.
Frau Böck, was ist Heimatgefühl? Böck: Heimat ist da, wo dein Herz schlägt. Heimat ist dort, wo man sich am wohlsten fühlt.
Das klingt ein wenig nach Musikantenstadel.
Böck: Ich höre auch mal gerne Volksmusik und bin sehr heimatverbunden. Ich fühle mich in Mindelheim genauso zu Hause wie jetzt als Wahl-Kemptenerin im Allgäu. Sie kommen aber noch regelmäßig nach Mindelheim?
Böck: Ja. Jedes zweite Wochenende regulär, manchmal nur zum Mittagessen bei Mama zuhause. Sie kocht dann schwäbische Hausmannskost. Das ist Heimatgefühl, das durch den Magen geht. Das fehlt mir hier in Kempten, weil ich für mich ja nicht so häufig und aufwendig koche.
Sie verkaufen unter dem Namen Heimatgefühl bunte Rehgeweihe. Was haben bunte Geweihe mit Heimat zu tun? Böck: Die Idee kam mir 2012. Rehe und Hirsche gehören zu unserer Heimat. Man sieht diese Trophäen ja oft in Wohnzimmern. Mir gefiel das immer schon sehr gut. Daraus wollte ich aber etwas Pfiffiges machen.
Woher hatten Sie die vielen Geweihe? Böck: Mein Papa betreibt immer noch die Spenglerei Böck in Mindelheim. Seit nun 21 Jahren haben wir den Antik-Laden in der Gerberstraße. Mein Papa ist oft erster Ansprechpartner, wenn es darum geht, ein Haus leerzuräumen. Da kommt viel zusammen, eben auch viele Rehgehörne.
Also ist Heimat auch etwas, womit man seine Wohnung vollstellen kann? Böck: Natürlich. Schon in meinem Elternhaus stehen viele heimatbezogene Dinge. Das ist alles sehr rustikal eingerichtet. Ich wollte anfangs, als ich auszog, eine völlig modern eingerichtete Wohnung. Inzwischen habe ich festgestellt, das Sterile funktioniert nicht. Ich brauche Gegenstände um mich, die mit Heimat zu tun haben.
Sie hängen an alten Dingen?
Böck: Sehr. Ich habe zum Beispiel ein 150 Jahre altes Küchenbuffet im Wohnzimmer stehen. Nur solche Gegenstände können auch Geschichten erzählen. Ich mag es rustikal mit viel Holz. Auch Gehörne und Felle zählen dazu, weil sie es schön gemütlich und heimelig machen.
Wie sind Sie auf den Begriff Heimatgefühl gekommen?
Böck: Ehrlich gesagt, weiß ich das gar nicht mehr. Alles, was ich anbiete, sind Dinge, die aus meiner Heimat kommen. Diese Verbundenheit gibt eben ein gutes Gefühl.
Wo verläuft bei Heimatliebe die Grenze zum Kitsch? Manche hängen riesige Berglandschaften ins Wohnzimmer, weil sie die Berge lieben. Böck: Mir ist da manches auch zu viel. Ich war in so mancher Wohnung, wo ich für mich gedacht habe, das ist jetzt grenzwertig. Letztlich ist das aber jedem selbst überlassen, wie er seiner Heimatliebe Ausdruck verleiht.
Sie kommen aus Mindelheim, leben in Kempten. Wo ist Ihre Heimat? Böck: Ich fühle mich in beiden Städten zuhause. Beide sind für mich Heimat geworden. Meine Heimat geht sogar bis Ingolstadt, weil da Verwandtschaft lebt. Auf diese Bindungen lege ich großen Wert. Wenn Sie Ihre Heimat verlassen müssten wie es Millionen von Menschen auf der Welt derzeit widerfährt, und dürften nur einen Koffer mitnehmen, was würden sie da reintun?
Böck: Da hat viel Platz. Da wären jede Menge Klamotten drin und auch eines meiner Dirndl. Wahrscheinlich würde ich auch mein Smartphone mitnehmen und eines meiner Lieblingsgeweihe.
Ihr Smartphone ist Heimat für Sie? Böck: Das Gerät macht viel für mich. Da stehen Kontakte, Geburtstage und Termine drin. Ein gutes WLAN-Netz bräuchte ich dann allerdings auch noch.