Wie zehnmal Weihnachten
Wie ein ehemaliger Lehrling „seinen“Bulldog wiederfand
Pfaffenhausen Eine schier unglaubliche Geschichte hat der frühere Konstrukteur Matthias Bisle in Pfaffenhausen erlebt. Der 75-Jährige fand einen Bulldog wieder, den er 1959 als Lehrling bei einem Breitenbrunner Traktorenbauer eigenhändig mitgebaut hatte. Er entdeckte ihn bei einer Auktion am Bodensee.
Diese Geschichte beginnt 1948. Der Maschinenbauer Ernst Burischek war nach der Vertreibung aus Mährisch-Schönberg in Breitenbrunn gestrandet, wo er als mittelloser Flüchtling bald seinen Unternehmungsgeist und sein technisches Talent einsetzte und einen kleinen Maschinenbau-Betrieb eröffnete. In einer Baracke konstruierte und baute Burischek Traktoren für die Landwirtschaft, denen er den Namen „Kleinland“gab. In diesem Kleinbetrieb begann 1956 der 15-jährige Mathias Bisle aus Loppenhausen eine Lehre als Kfz-Mechaniker. Die tägliche Arbeitszeit für den „Stift“ging von 7.30 Uhr bis 18.30 Uhr. Dafür gab es pro Monat 30 Mark Lehrgeld. Die Belegschaft bestand aus dem Chef, zwei Gesellen und zwei Lehrlingen. Hier lernte Mattias Bisle von seinem Chef Burischek sehr viel, war dieser doch ein erfahrener Techniker, Tüftler und Erfinder. Sechs Jahre lang war Mathias dann unmittelbar am Bau der „Kleinland-Allrad-Traktoren“beteiligt, die anfänglich aus Achsen, Getrieben oder Rädern von AmiJeeps hervorgingen und dann allmählich weiterentwickelt wurden. Die meisten der vielen Bestandteile wurden selbst gefertigt. Die anfänglichen Zanker- Motoren wurden in Lizenz gebaut. Bisle schätzt zurückblickend, dass während seiner sechsjährigen Beschäftigungszeit gut 100 Traktoren die Werkstatt verlassen haben. Diese waren wegen ihrer extremen Geländegängigkeit und ihrer Eignung an Steilhängen vor allem bei Bergbauern im Oberallgäu, Vorarlberg und in der Schweiz gefragt. Bisle kannte dabei jede Schraube und jedes Teil eines Traktors. 1962 hörte Bisle dann „beim Burischek“auf, um die Technikerschule zu besuchen und später bei der Firma Grob in Mindelheim als Konstrukteur zu arbeiten. Angesichts der übermächtigen Konkurrenzlage verlegte Burischek 1965 seinen Betrieb zwar noch nach Mindelheim, stellte aber die Traktorenfertigung ein und wandte sich anderen Produkten zu. Seinen letzten Kleinland-Traktor schraubte er noch selbst zusammen und übergab ihn dem Traktoren-Museum in Schwendi (Landkreis Biberach). 1998 starb der geniale Maschinenbauer und unermüdliche „Mächalar“.
Vor diesem Hintergrund war Mathias Bisle später dann jahrelang auf der Suche nach einem einst in Breitenbrunn – und damit auch direkt von ihm – gefertigten „Kleinland“-Traktor. Doch angesichts der geringen Produktionszahl war auch von Kennern der Oldtimer-Szene kein „Kleinland“mehr auszumachen, abgesehen vom MuseumsExemplar in Schwendi.
Da bekam Bisle 2016 überraschend einen Hinweis auf eine Auktion in Uhldingen am Bodensee, wo aus einer privaten Sammlung 165 verschiedene Traktoren angeboten würden. Also fuhr er hin und traute seinen Augen nicht. In der langen Oldtimer-Reihe stand auch ein relativ gut erhaltener „Kleinland“, Baujahr 1959, was ihm den laut vernehmbaren Ausruf „ja, mei Bulldog!!“entlockte. Er konnte sein Glück kaum fassen. Doch das Glück ging weiter.
Bisle bekam bei der Auktion tatsächlich den Zuschlag. Am nächsten Tag schon ließ er sein Produktionsstück nach Pfaffenhausen transportieren. Für Bisle war dies „wie zehn Weihnachten auf einmal“. Daheim hat er dann den Traktor wie einen verlorenen Sohn gefeiert und ihn umgehend fachkundig und mit viel Herzblut generalüberholt. Bisle beschaffte sich die notwendigen Ersatzteile und fühlte sich wie um 60 Jahre zurückversetzt.
Bald stand der Traktor als bewunderter Oldtimer wie neu da. Seitdem darf er als frisch lackierter Star einer vergangenen Epoche zu regionalen Oldtimer-Ausstellungen rattern und seinem „Schöpfer“und neuen „Herrle“auch immer wieder als nützliches „Zugpferd“dienen.