Unfallfahrer kommt glimpflich davon
Bei einem riskanten Überholmanöver zwischen Markt Wald und Tussenhausen werden mehrere Personen verletzt. Der Verursacher lag zwei Wochen im Koma – nun stand er vor Gericht
Memmingerberg Als „absoluten Aussetzer“bezeichnete ein 34-Jähriger vor Gericht sein Handeln an dem Abend im Februar 2016, als er zwischen Markt Wald und Tussenhausen unterwegs war. Auf der überwiegend kurvigen Kreisstraße beschleunigte der Mann und setzte rasant zum Überholen an – die entgegenkommende Kolonne sah er erst, als es bereits zu spät war.
Sein Fahrzeug traf einen entgegenkommenden Kleinwagen an dessen linkem Kotflügel, bevor es frontal mit einem Kleinbus kollidierte. Auch mit dem überholten Fahrzeug stieß er zusammen, der darin sitzende 65-jährige Fahrer und seine 58-jährige Beifahrerin kamen mit leichteren Verletzungen glimpflich davon.
Durch die Wucht der Kollision war der entgegenkommende Kleinwagen einer 49-Jährigen quer über die Straße geschleudert worden und kam in entgegengesetzter Fahrtrichtung zum Stehen. Sowohl die Frau als auch ihre damals 15-jährige Tochter wurden mit leichteren Blessuren zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht.
Mit diversen Prellungen zog sich auch der Fahrer des Kleinbusses nur verhältnismäßig leichte Verletzungen zu, obwohl der Unfallverursa- cher frontal auf sein Fahrzeug geprallt war.
In wesentlich kritischerem Zustand befand sich der Unfallverursacher selbst, der von den Rettungskräften aus dem Wrack seines völlig zerstörten Autos befreit werden musste. Mit einer angebrochenen Schädelbasis und zahlreichen weiteren Knochenbrüchen vom Gesicht über den Oberkörper bis zu den Beinen wurde der Mann per Hubschrauber in das Klinikum Großhadern eingeliefert, wo er ins künstliche Koma versetzt wurde. Eine Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 0,27 Promille, womit der Unfallfahrer noch knapp im juristischen Toleranzbereich lag.
Vor Gericht erklärte der 34-Jährige, sich an kaum etwas erinnern zu können. „Ich weiß noch, dass mich meine Frau anrief und mir sagte, dass sie mit unserem Sohn auf dem Weg ins Krankenhaus sei“, sagte er zur vorsitzenden Richterin Katharina Erdt. Der fünfjährige Bub habe sich den Finger in einer Autotür eingeklemmt. Daraufhin machte sich der Mann auf den Weg zu den Schwiegereltern, um seinen jüngeren Sohn abzuholen, dort kam er jedoch nicht an. „Meine Erinnerung setzt erst wieder ein, als ich aus dem Koma aufgewacht bin“, erklärte der Mann, der seine leichte Alkoholisierung mit einem Feierabendbier begründete.
Trotz seiner großen Erinnerungslücken widersprach er den Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft, er habe sich rücksichtslos und grob fahrlässig verhalten, als er auf der kurvenreichen Strecke überholte. Für einen einmaligen Fahrfehler spreche vor allem sein bis dato stets tadelloses Verhalten im Straßenverkehr, sagte Strafverteidiger Joachim Feller über den Angeklagten. Auch an die hohe Eigenschädigung seines Mandanten erinnerte Feller. Mit allen Unfallgeschädigten habe der 34-Jährige seither Kontakt aufgenommen und sich entschuldigt. Keiner der Beteiligten habe Strafantrag gegen ihn gestellt. Die entstandenen Schäden von insgesamt rund 50000 Euro seien inzwischen ebenfalls bezahlt.
„Nichtsdestotrotz war die ganze Geschichte einfach extrem gefährlich“, erwiderte Richterin Erdt. Dem Zufall sei es zu verdanken, dass man lediglich über Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässige Körperverletzung statt über ein Tötungsdelikt sprechen müsse. Dabei bezog sie sich auch auf das Unfallgutachten, aus dem hervorging, dass der Angeklagte sich trotz der abendlichen Dunkelheit und schwer einsehbaren Strecke zum Überholen hatte hinreißen lassen. Auch ein als Zeuge geladener Polizist bestätigte die unübersichtlichen Gegebenheiten: „Ich würde nie auf die Idee kommen, dort zu überholen.“
Sowohl die Richterin als auch der Staatsanwalt sahen in dem 34-Jährigen keinen typischen Verkehrsrowdy. „Sie haben überholt, wo Sie nicht hätten überholen sollen“, sagte Erdt in ihrer Urteilsbegründung. Strafmildernd wertete sie die Tatsache, dass der Familienvater die vergangenen zwei Jahre wieder sicher am Straßenverkehr teilgenommen hat. Vom Entzug der Fahrerlaubnis könne man daher absehen, eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25 Euro sei angemessen. Die Verteidigung stimmte dem Urteil zu.
Der Angeklagte kann sich an kaum etwas erinnern