Pastewka über „Pastewka“
Heute startet die neue Staffel der Sitcom. Nicht mehr auf Sat.1, sondern im Streamingdienst Amazon Prime Video. Ist das ein Hinweis auf das baldige Ende des klassischen Fernsehens? Und wie ist es eigentlich, als Comedian zu altern?
Der Mann, der Pastewka erfunden hat, hat abgespeckt. Dunkle Bartstoppeln sprenkeln ein Gesicht, das immer noch jugendlich wirkt. Aber sonst sieht er aus wie Pastewka. Er redet wie Pastewka. Er gestikuliert wie Pastewka. Und wer weiß, vielleicht ist er es auch. Es ist ja so: Bastian Pastewka spielt in der Serie „Pastewka“einen Mann namens Pastewka – sich selbst. Oder eben auch nicht. Pastewka jedenfalls sagt, er wisse das selber nicht mehr so genau. „Diese Figur hat mich von innen filtriert.“
Bewusst wird ihm das immer dann, wenn ihn Freunde darauf ansprechen. Dieses Gefuchtel mit den Armen. Die Art, wie er spricht, nein doziert. Der erhobene Zeigefinger. Er weiß nicht, wie oft er diesen Satz schon gehört hat. „Jetzt hör’ doch mal auf, so zu agieren, als seist du in deiner Sitcom.“
Doch nach 67 Folgen auf Sat.1 ist das gar nicht so leicht. Der Pastewka aus dem Fernsehen ist zwar nur eine Rolle, aber eine, die passt. Ein Fernsehverrückter. Einer, der zielsicher in jeden Fettnapf tritt. Und insgeheim hat man sich ja schon gefragt, wie seine Serienfreundin Anne (Sonsee Neu) das so lange mit ihm aushält. Und was noch kommen soll. Wo man doch nach sieben Staffeln dachte, man wisse alles über dieses ungleiche Paar. Über Pastewkas Freunde, die sich in der Serie auch alle selber parodieren – Anke Engelke, Annette Frier oder Michael Kessler. Die Serie sei im Grunde genommen auserzählt, sagt Pastewka.
Aber! Aber dann sieht man den Trailer zur achten Staffel. Und am Bildrand erscheint nicht mehr das Logo von Sat.1, der Ball, sondern Amazon Prime Video, der Name des größten Video-on-Demand-Anbieters in Deutschland. Man muss zwei Mal hinschauen, um sich zu vergewissern, dass er es wirklich ist. In einer Szene trägt Pastewka einen Bart, so zottelig, dass darin Tiere überwintern könnten. Er hat seinen Job als Klischee-Tunte in einer TVShow geschmissen. Er hat sich mit seinem Bruder Hagen (Matthias Matschke) verkracht und seine Freundin Anne tatsächlich im Streit verlassen. Er bricht mit 45 Jahren zu einer Reise im Wohnmobil auf. Pastewka sagt: „Die Serienfigur Pastewka rutscht in eine selbst verschuldete Midlife-Krise.“
Man trifft ihn in Berlin in einem Hotel in Ku’damm-Nähe. Zur Begrüßung springt er von seinem Stuhl auf. Das hat er seiner Fernsehfigur voraus. Tadellose Manieren. Die Frage, was denn zuerst da war, die „Midlife-Krise“oder der Wechsel zum Streaminganbieter, entlockt ihm ein sonores Lachen. Von einer will er nichts wissen. Er streicht sich mit der Hand über seine Bartstoppel. Der Vollbart aus der achten Staffel ist inzwischen ab. Er sagt, der habe nach drei Wochen gekratzt und geraschelt, wenn er sich im Bett umgedreht habe. Das Haar trägt er auch wieder etwas länger. „Ein bisschen Pfeffer und Salz schaut schon durch“, sagte seine Maskenbildnerin.
Bastian Pastewka grinst. Ach, sagt er, das gesetzte Alter liege ihm. Er sei froh, kein Teenager mehr zu sein. Er sei nicht besonders beliebt gewesen, weil er im Sportunterricht regelmäßig versagt habe. Seine Freunde hätten ihn aber auch nicht für einen Volltrottel gehalten. Wie habe er doch gelitten unter seiner Zahnspange und den Hormonen, die aus jeder Niederlage ein K.o. gemacht hätten.
Geboren 1972 in Bochum. Jugend in Bonn, hochgeklappte Bürgersteige. Wenn man ihn suchte, war er im Kino. Oder schaute fern. Er sagt, „Tom & Jerry“und „Die Muppet Show“habe er geliebt. Erwachsenen-Humor im Kinderprogramm. Heute macht er das, wovon er da- mals träumte. Schreiben, Schauspielern, Hörbücher einsprechen.
Seit zehn Jahren ist er verheiratet. Seine Frau managt Comedy-Künstler und Schauspieler. Und glaubt man Pastewka, ist sie noch fernsehverrückter als er. Eine gute, wenn nicht gar unabdingbare Voraussetzung, um es mit ihm, dem bekennenden Workaholic und Serienjunkie, auszuhalten. „Wir sind beide leider vollkommen addicted und müssen uns immer wieder schöne Sachen zusammen anschauen. Sie ist dann diejenige, die zur mir sagt, nee komm, lass uns noch zwei Folgen anschauen, du kannst nicht schon wieder einschlafen.“Addicted. Süchtig. Klingt schlimmer, als es ist.
Auch nicht nach einer MidlifeKrise des, nun ja, echten Bastian Pastewka. In einem Interview mit dem Magazin hat das neuMidlife-Krise lich noch ein wenig anders geklungen. Da hat er über den Generationswechsel in der TV-Comedy gesprochen und darüber, dass 25-Jährige nachrückten, die alles anders definierten. Kollegen wie Luke Mockridge oder Hazel Brugger, die er bewundert für ihre Schnelligkeit, ihre Präzision und ihr Timing. „Und ich denke, nur weil ich ein bisschen älter geworden bin, gehöre ich nicht mehr dazu, oder was?“
Womit man bei Amazon Prime Video wäre, seinem neuen Auftraggeber. Auf dem Portal laufen die alten „Pastewka“-Folgen schon seit drei Jahren. Mit Erfolg. Pastewka sagt, die Serie erreiche dort eine Klientel, die sich nicht nachts durchs TV-Programm von Sat.1 zappe. Das zeige ihm das Feedback in den sozialen Netzwerken. „Die Generation der Zuschauer, die halb so alt ist wie ich, schreibt dort: ,Habt ihr schon diese komische Serie mit dem Pastewka gesehen, der sich selber spielt?’ Es freut mich, dass diese User die Serie gerade neu entdecken.“Pastewka also gehört noch dazu, hat eine neue Bühne, ein jüngeres Publikum. Keine Sekunde habe er und sein Team gezögert, als ihnen Amazon Prime Video den Zuschlag für die achte Staffel gegeben habe, sagt er.
Er will sich nicht über Sat.1 beschweren. Er sagt, er habe gerne mit dem Redakteur zusammengearbeitet, der jahrelang alle seine Projekte betreut habe. Aber im Sender habe es schon lange keinen festen Sendeplatz mehr für die knapp halbstündige Sitcom gegeben. Die letzte reguläre Folge von „Pastewka“sendete Sat.1 am 10. Oktober 2014. Sogar Fans hätten die Serie irgendwann nicht mehr gefunden, sagt Pastewka. Um es hier mit einem Wort von ihm zu schreiben: Die Serie steckte sehr wohl in der MidlifeKrise. Die gehört nun der Vergangenheit an. Wie die Probleme, die Pastewka erwähnt. Beim Streaminganbieter kann etwa jeder einschalten, wann er will.
Dennoch die Frage: Ist der Wechsel von „Pastewka“von Sat.1 zu Amazon Prime Video ein Zeichen für eine größere Entwicklung? Der Anfang vom Ende des klassischen (Privat-)Fernsehens?
Pastewka winkt ab. Fernsehen sei doch Fernsehen. Egal, ob man es auf dem Flachbildschirm, dem Tablet oder dem Handy schaue. Hauptsache, die Geschichte sei gut erzählt. Pastewka ist jetzt in seinem Element. Er ätzt über die unendliche Verlängerung, die Fortsetzungsorgien des Hollywood-Blockbusters im Kino, schwärmt von „der kleinen Geschichte von nebenan“, die das Serienfernsehen wiederbelebt habe. Die britische Krimiserie „Line of Duty“steht auf Platz eins seiner Top Five. Logisch, dass er alle großen Streamingdienste abonniert hat. Mehr als drei Stunden am Tag schaue er aber nicht.
Midlife-Krise? Die Drehbücher für „Pastewka“werden nicht mehr gegengelesen. Das Team genießt absolute Freiheit. Ein Privileg, das im Zeitalter der Politischen Korrektheit nicht zu unterschätzen ist. Und Pastewka sagt: „Pastewka darf in der Rolle sehr viel mehr sagen, als er es privat tun würde.“
Eine Midlife-Krise als Chance, nein, als Auftrag, um sich neu zu erfinden. So versteht Pastewka „Pastewka“. Schließlich, sagt er, müsse sich die Sitcom bei Amazon Prime Video auch gegen internationale Formate wie „The Big Bang Theory“behaupten. Erzählt werden Handlungen in den zehn neuen Episoden nun horizontal über mehrere Folgen hinweg und die Anmutung der Serie ist hochwertiger geworden. Gedreht wurde in Ultra HD. Man sieht jeden noch so kleinen Pickel. Pastewka sagt, das störe ihn nicht. „Meine Figur ist ja eine Witzfigur. Die darf nicht nur grobporig aussehen. Sie muss es sogar.“
„Meine Figur ist ja eine Witzfigur. Die darf nicht nur grobporig aussehen. Sie muss es sogar.“Bastian Pastewka