Unfallflucht bleibt strafbar
Selbst wenn es nur ein Blechschaden ist: Wer sich vom Unfallort entfernt, muss mit heftigen Strafen rechnen. Experten wollten das ändern, setzten sich aber nur teilweise durch
Augsburg/Goslar Die meisten Autofahrer haben das schon einmal erlebt: Ein unachtsamer Moment und schon ist es passiert. Am Parkplatz öffnet man die Autotüre und beschädigt den Wagen daneben, oder es kommt auf eisiger Straße zu einem Blechschaden.
Bagatellschaden heißt das dann so schön im Amtsdeutsch. Das klingt harmlos. Aber die Rechtslage ist eindeutig: Wenn sich jemand vom „Unfallort“unerlaubt entfernt, wird das nach derzeitigem Stand der Dinge als „Fahrerflucht“gewertet.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden ist die Zahl von schweren Unfällen mit Sachschäden in den letzten 25 Jahren rückläufig. Dagegen liegt die Anzahl der Unfallflüchtigen nach Personenschaden ziemlich konstant mehr oder weniger bei 26000. Kalkuliert man allerdings bei diesen offiziellen Zahlen auch Bagatellverstöße mit ein, so liegt man schnell bei gut 500 000 Fällen pro Jahr, rechnet der Auto Club Europa (ACE) vor. Die Dunkelziffer ist dabei noch nicht einmal inbegriffen. Denn es führt ja nicht jeder Kratzer auch zu einer Anzeige.
Hunderttausende Verkehrsteilnehmer werden bundesweit jedes Jahr durch solche Bagatellunfälle zu Straftätern. Auf eine solche Unfallflucht bei Blechschäden stehen nämlich Geld- oder Freiheitsstrafe. Und selbst wenn der Verursacher sich später meldet und den Schaden wiedergutmacht, drohen Strafen wie ein Fahrverbot. Schuld daran ist der Paragraf 142 Strafgesetzbuch, den es seit 1975 gibt und der seitdem im Grunde kaum geändert wurde. Nicht wenige Verkehrsjuristen halten diese Vorschrift aber für überholt. Beim Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde darum diskutiert, ob eine Reform notwendig ist. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) bezeichnet den UnfallfluchtParagrafen immerhin als „juristisches Unding“.
Der Paragraf der Unfallflucht sieht drakonische Strafen vor. Übersteigt die Schadenshöhe 1500 Euro, und das kann schon bei einer Beschädigung des Kotflügels passieren, der dann erneuert werden muss, schnappt die Falle zu. Meist ist dann auch der Führerschein erst einmal weg. Gerade bei Selbstständigen oder Außendienstmitarbeitern könne das erhebliche berufliche Auswirkungen haben, sagen Experten.
Das muss nicht sein. Deswegen machten sowohl der ADAC als auch die DAV-Verkehrsanwälte folgenden Vorschlag: Die Betroffenen sollen künftig 24 Stunden Zeit bis zur Unfallmeldung haben. Denn es geht ja beim Straftatbestand eigentlich nur darum, dass sichergestellt wird, dass der Geschädigte sein Geld bekommt. Da sei es wichtig, dass Leute, denen das Unfallgeschehen vielleicht zu Hause noch mal durch den Kopf gegangen ist und die sich dann erst melden, entkriminalisiert werden. Die Befürworter einer solchen Lösung konnten sich in Goslar allerdings nicht zur Gänze durchsetzen.
Zumindest einen Teilerfolg errangen sie aber: Unfallflucht soll zwar auch künftig bei Blechschäden strafbar bleiben. Man sprach sich jedoch dafür aus, ein zusätzliches Fahrverbot nur noch zu verhängen, wenn ein Personenschaden oder Sachschaden ab 10 000 Euro entstanden ist. Der Gesetzgeber solle zudem die Vorschriften zur „tätigen Reue“reformieren, forderte der Verkehrsgerichtstag – ein Kongress, an dem bis Freitag rund 1850 Verkehrsexperten aus Ministerien, Gerichten, Unternehmen, Hochschulen und Verbänden teilnahmen. Eine Strafmilderung sollte, wie beschrieben, möglich sein, wenn sich
Hohe Dunkelziffer bei Bagatellschäden
Bußgelder für Raser und Drängler sollen steigen
jemand nachträglich meldet und auch nach Unfällen im fließenden Verkehr.
Die Frage ist: Wie soll man sich nun verhalten? Fachanwalt Oskar Riedmeyer sagt: Man müsse den Eigentümer des beschädigten Autos auch weiterhin ausfindig machen und benachrichtigen – und ihm dann die erforderlichen Daten zur Verfügung stellen. Ansonsten werde es als Unfallflucht gewertet. Keinesfalls reiche es aus, so Riedmeyer, einen Zettel an der Windschutzscheibe des anderen Fahrzeugs mit seinen Daten zu hinterlassen: „Das ist das Gefährlichste, was man machen kann“, warnt der Anwalt.
Wenn man die Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages insgesamt bewertet, stehen die Zeiten auf Strafverschärfung. Bei Rasern und Dränglern konnten sich die Fachleute auf höhere Bußgelder und schnellere Fahrverbote einigen. Eine pauschale Erhöhung aller Bußgeldsätze lehnten sie aber ab. Wichtig sei eine effektivere Verkehrsüberwachung, vor allem an Unfallschwerpunkten, heißt es.