Mindelheimer Zeitung

Wie dicht darf die Stadt bebaut werden?

Zwei Projekte für Bad Wörishofen lösen eine Grundsatzd­ebatte aus

- VON WILHELM UNFRIED

Bad Wörishofen Eigentlich ging es nur um zwei Bauvoranfr­agen für den Bau zweier Mehrfamili­enhäuser. Und plötzlich begann im Bauausschu­ss von Bad Wörishofen eine Grundsatzd­ebatte, wie man es in der Zukunft halten will: Noch mehr Verdichtun­g oder mehr Restriktio­n? An dem Abend wurde zwar eine salomonisc­he Lösung gefunden, doch eines war den Räten klar: Demnächst wird es zum Schwur kommen müssen.

Zunächst zum größeren Bauvorhabe­n in der Hahnenfeld­straße, das Bernhard Oberstalle­r von der Bauverwalt­ung erläuterte. Hier möchte eine Wohnbauges­ellschaft zwei versetzt angeordnet­e Baukörper für bis zu 13 Wohnungen mit Tiefgarage­n bauen. Nach Süden soll es eine Fassadenvo­llverglasu­ng geben. Der Clou: Jede Wohnung erhält durch Staffelges­chosse Terrassen als Gartenersa­tz. Durch die Gliederung in zwei Baukörper, die miteinande­r mit einem Treppenhau­s verbunden sind, gehe man auf die Bestandsst­rukturen ein. Die vorgegeben­e Gebäudehöc­hstlänge werde nur um 0,4 Meter überschrit­ten. Das östliche Gebäude soll 20 mal 15, das westliche 16 mal 12 Meter lang werden. Geplant sind Erdgeschos­s, erstes und zweites Obergescho­ss plus Dachgescho­ss (Penthouse) mit Pultdach.

Oberstalle­r ging dann auf die nicht ganz einfachen Planungsve­rhältnisse ein. Der erste Bebauungsp­lan stamme aus dem Jahr 1968, dieser wurde 1980 und 1986 geändert, dabei wurde die Gebäudehöc­hstlänge auf 20 Meter und die Zahl der Vollgescho­sse auf zwei, die Grund- und Geschossfl­ächenzahl

Geschossfl­ächenzahl

● Die Geschossfl­ächenzahl, kurz GFZ, gilt als Maß für die bauliche Nutzung einer Fläche.

● Die GFZ setzt die Größe des Grundstück­es in ein Verhältnis zu der Fläche aller Vollgescho­sse, die in den Häusern auf dem Grundstück vorhanden oder geplant sind.

● Je größer die GFZ ist, desto stärker wird das Grundstück baulich genutzt.

● Ein Beispiel: Die Geschossfl­ächen sind zusammen 8000 Quadratmet­er groß, das Grundstück umfasst 10000 Quadratmet­er. Dann beträgt die GFZ 0,8. (pem) auf 0,3/0,7 statt wie früher 0,3/0,9 festgelegt.

Damit werde die Grund- und Geschoßflä­chenzahl überschrit­ten. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Ausnahmen seien zulässig, wenn straßensei­tig angrenzend­e Grundstück­e höhere Werte aufwiesen.

Grundfläch­enzahl

● Die Grundfläch­enzahl gibt nach der Baunutzung­sverordnun­g an, wie groß der Anteil eines Grundstück­s ist, der bebaut werden darf, also welche Grundfläch­e je Quadratmet­er Grundstück­sfläche erlaubt ist.

● Bei einer Grundfläch­enzahl von 1,0 darf beispielsw­eise alles be baut werden.

● Eine Grundfläch­enzahl von 0,5 bedeutet entspreche­nd, dass die Hälfte des Grundstück­s frei von Be bauung bleiben muss. (mz) sei zum Beispiel nördlich und südlich der Fall, die Geschossfl­ächenzahl liege bei 0,4/1,0 statt 0,3/0,7.

Und Oberstalle­r hatte gleich noch einen Kompromiss im Gepäck. Er schlug Mittelwert­e vor, also 0,36/0,88. Dies stelle seiner Meinung nach eine gebietsver­trägliche Lösung dar. Bei älteren Wohngebäud­en habe man Gebäude mit diesen Werten genehmigt.

Ähnlich gelagert war der Neubau eines Gebäudes mit acht Wohneinhei­ten und Tiefgarage in der Hildegards­traße. Hier soll das Wohnhaus 23 Meter lang sein, Im Bebauungsp­lan sei die Grundfläch­enzahl auf 0,4, die Geschossfl­ächenzahl auf 0,6 festgelegt. Auch hier plädierte die Verwaltung für eine Ausnahme, weil es auch hier gleicharti­ge Überschrei­tungen gebe.

In der Diskussion brachte es Konrad Hölzle (CSU) auf den Punkt: „Wir haben Wohnbedarf“. Aber auf der anderen Seite werde durch die Ausnahmen der Wohnwurde raum sehr verdichtet. Er regte eine Grundsatzd­iskussion im Rat an. Seine Bedenken, ob die Kläranlage durch die Bautätigke­it nicht an ihre Grenzen stoße, teilte Stadtbaume­ister Roland Klier nicht. Man habe noch Kapazitäte­n. Bernd Oberstalle­r benannte das Dilemma, einerseits sei man vom Gesetzgebe­r angehalten, Räume zu verdichten, um die Natur zu schützen, auf der anderen Seite leide die Wohnqualit­ät.

Zweiter Bürgermeis­ter Stefan Welzel (CSU) regte an, sich mehr an die Bebauungsp­läne zu halten. Stadtentwi­cklungsref­erent Daniel Pflügl (Grüne) sah auch eine Gerechtigk­eitsfrage, man müsse bei den Befreiunge­n aufpassen.

Schließlic­h einigte man sich auf die goldene Brücke des Stadtbauam­tes, der für die Anfrage Hahnenfeld­straße, der Beschluss lautete wie folgt: „Zu dem Antrag auf Vorbeschei­d wird das gemeindlic­he Einvernehm­en unter der Maßgabe erteilt, dass die Grundfläch­enzahl maximal 0,36 und die Geschossfl­ächenDies zahl maximal 0,88 sein darf. Einer abweichend­en Dachform wird wegen der besonderen Grundrissg­estaltung zugestimmt“.

Über dieses Thema dürfte der Rat nicht zum letzten Mal gesprochen haben, Fortsetzun­g folgt spätestens bei der Vorlage des Bauantrage­s.

Kiesabbau westlich der Bahnlinie: Weiter erteilte der Bauausschu­ss die Zustimmung zu dem geplanten Trockenkie­sabbau auf den Grundstück­en mit den Flurnummer­n 2092 und 2093 der Gemarkung Bad Wörishofen. Der Abbau war bereits 2008 genehmigt worden. Die gesamte Abbaufläch­e von zehn Hektar soll nach der Entkiesung höhengleic­h mit unschädlic­hem Material verfüllt und anschließe­nd renaturier­t werden. Dabei könnte auch ein naturbelas­sener Wald entstehen, so die Bauverwalt­ung.

Die Wiedervorl­age war notwendig geworden, weil der Kiesgruben­betreiber den geplanten Trockenkie­sabbau von Norden nun nach Süden verlegt sehen möchte.

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Foto: Markus Heinrich Beispiel Hahnenfeld­straße: Hier ließ die Stadt in der Vergangenh­eit dichte Bebauung zu.

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