Wie dicht darf die Stadt bebaut werden?
Zwei Projekte für Bad Wörishofen lösen eine Grundsatzdebatte aus
Bad Wörishofen Eigentlich ging es nur um zwei Bauvoranfragen für den Bau zweier Mehrfamilienhäuser. Und plötzlich begann im Bauausschuss von Bad Wörishofen eine Grundsatzdebatte, wie man es in der Zukunft halten will: Noch mehr Verdichtung oder mehr Restriktion? An dem Abend wurde zwar eine salomonische Lösung gefunden, doch eines war den Räten klar: Demnächst wird es zum Schwur kommen müssen.
Zunächst zum größeren Bauvorhaben in der Hahnenfeldstraße, das Bernhard Oberstaller von der Bauverwaltung erläuterte. Hier möchte eine Wohnbaugesellschaft zwei versetzt angeordnete Baukörper für bis zu 13 Wohnungen mit Tiefgaragen bauen. Nach Süden soll es eine Fassadenvollverglasung geben. Der Clou: Jede Wohnung erhält durch Staffelgeschosse Terrassen als Gartenersatz. Durch die Gliederung in zwei Baukörper, die miteinander mit einem Treppenhaus verbunden sind, gehe man auf die Bestandsstrukturen ein. Die vorgegebene Gebäudehöchstlänge werde nur um 0,4 Meter überschritten. Das östliche Gebäude soll 20 mal 15, das westliche 16 mal 12 Meter lang werden. Geplant sind Erdgeschoss, erstes und zweites Obergeschoss plus Dachgeschoss (Penthouse) mit Pultdach.
Oberstaller ging dann auf die nicht ganz einfachen Planungsverhältnisse ein. Der erste Bebauungsplan stamme aus dem Jahr 1968, dieser wurde 1980 und 1986 geändert, dabei wurde die Gebäudehöchstlänge auf 20 Meter und die Zahl der Vollgeschosse auf zwei, die Grund- und Geschossflächenzahl
Geschossflächenzahl
● Die Geschossflächenzahl, kurz GFZ, gilt als Maß für die bauliche Nutzung einer Fläche.
● Die GFZ setzt die Größe des Grundstückes in ein Verhältnis zu der Fläche aller Vollgeschosse, die in den Häusern auf dem Grundstück vorhanden oder geplant sind.
● Je größer die GFZ ist, desto stärker wird das Grundstück baulich genutzt.
● Ein Beispiel: Die Geschossflächen sind zusammen 8000 Quadratmeter groß, das Grundstück umfasst 10000 Quadratmeter. Dann beträgt die GFZ 0,8. (pem) auf 0,3/0,7 statt wie früher 0,3/0,9 festgelegt.
Damit werde die Grund- und Geschoßflächenzahl überschritten. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Ausnahmen seien zulässig, wenn straßenseitig angrenzende Grundstücke höhere Werte aufwiesen.
Grundflächenzahl
● Die Grundflächenzahl gibt nach der Baunutzungsverordnung an, wie groß der Anteil eines Grundstücks ist, der bebaut werden darf, also welche Grundfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche erlaubt ist.
● Bei einer Grundflächenzahl von 1,0 darf beispielsweise alles be baut werden.
● Eine Grundflächenzahl von 0,5 bedeutet entsprechend, dass die Hälfte des Grundstücks frei von Be bauung bleiben muss. (mz) sei zum Beispiel nördlich und südlich der Fall, die Geschossflächenzahl liege bei 0,4/1,0 statt 0,3/0,7.
Und Oberstaller hatte gleich noch einen Kompromiss im Gepäck. Er schlug Mittelwerte vor, also 0,36/0,88. Dies stelle seiner Meinung nach eine gebietsverträgliche Lösung dar. Bei älteren Wohngebäuden habe man Gebäude mit diesen Werten genehmigt.
Ähnlich gelagert war der Neubau eines Gebäudes mit acht Wohneinheiten und Tiefgarage in der Hildegardstraße. Hier soll das Wohnhaus 23 Meter lang sein, Im Bebauungsplan sei die Grundflächenzahl auf 0,4, die Geschossflächenzahl auf 0,6 festgelegt. Auch hier plädierte die Verwaltung für eine Ausnahme, weil es auch hier gleichartige Überschreitungen gebe.
In der Diskussion brachte es Konrad Hölzle (CSU) auf den Punkt: „Wir haben Wohnbedarf“. Aber auf der anderen Seite werde durch die Ausnahmen der Wohnwurde raum sehr verdichtet. Er regte eine Grundsatzdiskussion im Rat an. Seine Bedenken, ob die Kläranlage durch die Bautätigkeit nicht an ihre Grenzen stoße, teilte Stadtbaumeister Roland Klier nicht. Man habe noch Kapazitäten. Bernd Oberstaller benannte das Dilemma, einerseits sei man vom Gesetzgeber angehalten, Räume zu verdichten, um die Natur zu schützen, auf der anderen Seite leide die Wohnqualität.
Zweiter Bürgermeister Stefan Welzel (CSU) regte an, sich mehr an die Bebauungspläne zu halten. Stadtentwicklungsreferent Daniel Pflügl (Grüne) sah auch eine Gerechtigkeitsfrage, man müsse bei den Befreiungen aufpassen.
Schließlich einigte man sich auf die goldene Brücke des Stadtbauamtes, der für die Anfrage Hahnenfeldstraße, der Beschluss lautete wie folgt: „Zu dem Antrag auf Vorbescheid wird das gemeindliche Einvernehmen unter der Maßgabe erteilt, dass die Grundflächenzahl maximal 0,36 und die GeschossflächenDies zahl maximal 0,88 sein darf. Einer abweichenden Dachform wird wegen der besonderen Grundrissgestaltung zugestimmt“.
Über dieses Thema dürfte der Rat nicht zum letzten Mal gesprochen haben, Fortsetzung folgt spätestens bei der Vorlage des Bauantrages.
Kiesabbau westlich der Bahnlinie: Weiter erteilte der Bauausschuss die Zustimmung zu dem geplanten Trockenkiesabbau auf den Grundstücken mit den Flurnummern 2092 und 2093 der Gemarkung Bad Wörishofen. Der Abbau war bereits 2008 genehmigt worden. Die gesamte Abbaufläche von zehn Hektar soll nach der Entkiesung höhengleich mit unschädlichem Material verfüllt und anschließend renaturiert werden. Dabei könnte auch ein naturbelassener Wald entstehen, so die Bauverwaltung.
Die Wiedervorlage war notwendig geworden, weil der Kiesgrubenbetreiber den geplanten Trockenkiesabbau von Norden nun nach Süden verlegt sehen möchte.