Bayern wollen Seehofer in Rente schicken
Klare Mehrheit ist für Karriere-Ende statt eines Ministeramts in Berlin
Augsburg SPD-Chef Schulz ist weg, Kanzlerin Merkel angeschlagen. Die einzige Partei aus dem neuen Regierungsbündnis, die sich nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen nicht selbst öffentlich demontiert, ist die CSU. Das liegt wohl auch daran, dass die Christsozialen drei Ministerien in einer neuen Bundesregierung übernehmen werden. Unter den Ressorts ist das wichtige Innenministerium, das noch um die Bereiche Bau und Heimat aufgewertet wurde. Die CSU hat Grund, zufrieden zu sein. Doch es gibt ein personelles Problem.
Der Mann, der Innen- und Heimatminister werden soll und von weiten Teilen seiner Partei für das Ergebnis der Verhandlungen gefeiert wird, hat in seiner eigenen Heimat nur noch wenig Rückhalt. Fast zwei Drittel der Bayern sind der Meinung, dass Horst Seehofer seine politische Karriere beenden sollte. Das hat eine exklusive Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für unsere Zeitung ergeben. Demnach finden 62,6 Prozent der Menschen, dass Seehofer in Rente gehen sollte.
Rund ein Viertel der Bürger (24,3 Prozent) meint in unserem BayernMonitor, der 68-Jährige sollte Bundesminister in einer Großen Koalition werden. Viele Menschen sind also nicht der Ansicht, dass die in der CSU nach wochenlangen Grabenkämpfen gefundene Lösung, Seehofer nach Berlin zu schicken, besonders glücklich ist. Unter CSU-Anhängern ist die Zahl derer, die Seehofer als Minister in Berlin sehen wollen, immerhin doppelt so hoch (46,8 Prozent).
Während SPD und CDU ihre Personaldiskussionen kaum in den Griff bekommen, gibt es aus der CSU keine kritische Stimme zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen. Alle prominenten Christsozialen verhalten sich still. Selbst der Nachwuchs, in anderen Parteien Triebfeder des Widerstands, ist in der CSU zahm. Seehofer habe „wirklich gut“verhandelt, meint der JU-Landeschef Hans Reichhart (JettingenScheppach). Daher sei es konsequent und richtig, dass er Innenminister werde. Die CSU habe alle wichtigen Positionen in der Flüchtlingspolitik, bei der Digitalisierung sowie das Baukindergeld durchbekommen – und auch die zugehörigen Ministerien erkämpft. Nach den unruhigen Wochen des Machtkampfes zwischen Söder und Seehofer gebe es derzeit „keinerlei Diskussion“. „Die Partei ruht gerade in sich“, sagte Reichhart unserer Zeitung.
Die innerparteiliche Ruhe spiegelt sich in den Umfrageergebnissen allerdings nur sehr bedingt wider. Weniger als die Hälfte der Bayern (43,4 Prozent) sehen die CSU als Gewinnerin der GroKo-Verhandlungen. 37 Prozent sind sogar der Meinung, dass die CSU Verhandlungs-Verliererin ist.
Wie das Umfrage-Ergebnis einzuschätzen ist, schreibt Rudi Wais im Kommentar. Wie CDU und SPD weiter um eine Erneuerung ringen, lesen Sie in der Politik. Ein Porträt des JU-Bundesvorsitzenden Paul Ziemiak finden Sie auf
Der Fasching ist bekanntlich nicht für alle Zeitgenossen eine Freude. Zu den zehntausenden glühenden Anhängern der närrischen Phase in unserer Region gesellt sich eine mutmaßlich ebenso große Fraktion der Fastnachtshasser. Denen das kollektive Mummentreiben zu laut, zu distanzlos und irgendwie einfach zu blöde ist. Wenn etwa von der improvisiert im Freien errichteten Bar einmal mehr basslastige Gassenhauer erklingen wie „Zehn nackte Friseusen“oder „Brrr macht der Eskimo, brrr, brrr, brrr“.
Und dazu auch noch der viele Alkohol. So schimpfte denn jüngst die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Der Karneval ist in den letzten Jahren – oder eher Jahrzehnten – zu etwas geworden, das eher einem allgemeinen Besäufnis entspricht als dem, was unsere Karnevalskultur ausmacht.“Sie spricht damit vielen ganz sicher aus der Seele.
Also war früher mal wieder alles besser? Viel zitiert an dieser Stelle wird gern Sokrates, der ja eigentlich wusste, dass er nichts weiß – und sich dennoch vor bereits 24 Jahrhunderten zu der Meinung verstieg, dass „heutzutage“die Jugend im Prinzip zu nichts mehr tauge, zu viel Süßspeise verzehre, keine Manieren und keinen Respekt mehr vor dem Alter habe. Aber stimmen solche „Früher-war-alles-besser“-Reflexe?
Alkohol und Fasching bildeten jedenfalls schon immer eine Symbiose – ohne dass dies an dieser Stelle damit verharmlost sein sollte. Das belegt ein Blick in die Geschichte. So wird der circa 800 Jahre alte Begriff Fasching von „Vaschang“hergeleitet, was mit „Fastenschank“, dem letzten Ausschank alkoholischer Getränke vor der kargen Fastenzeit, übersetzt werden kann. In eben jener Domstadt von Henriette Reker wurde bereits für das Jahr 1341 verzeichnet, dass der Stadtrat kein Geld mehr für den „Fastelovend“bereitstellen darf. Zwölf Jahre später wurde zudem dem Klerus vom Erzbischof untersagt, Bier und Wein zu verkaufen. Zu groß war offenkundig das Interesse an diesen Getränken zur Karnevalszeit. In der Folge ergaben sich zahlreiche Versuche der Stadtväter Colonias, die Umtriebe zu unterbinden – vergebens.
Mit dem Alkoholkonsum einher ging auch in allen Jahrhunderten, dass sich das Fußvolk das Recht herausnahm, die Obrigkeit aufs Korn zu nehmen. Ab dem 12. Jahrhundert bis zum 16. Jahrhundert gab es etwa Narrenfeste, in denen niedrigere Priester schelmenhaft den Rang höherer Geistlichkeiten einnahmen und sogar einen „Pseudopapst“dabei kürten.
So weit, so gut. Früher war also natürlich nicht alles besser. Auch früher gab es schon Verfechter des rauschhaften Erlebnisses samt Maske – und entschiedene Gegner, denen das Treiben zu bunt und wohl auch zu suspekt, zu albern war. Wenn diese dann heute gern ergänzen, es sei doch unsinnig, quasi auf Knopfdruck lustig zu sein, so könnte man entgegnen, dass man beim Besuch einer Party auch in der Regel eine gewisse Bereitschaft zur guten Laune mitbringt.
Wer einmal an einem Faschingsumzug teilgenommen hat, ohne vielleicht viel zu erwarten, stellt übrigens schnell fest, dass das Ganze ansteckend lustig werden kann. Viele Menschen nutzen den Fasching für eine kleine Auszeit aus dem Alltag. In der die üblichen Regeln ausgehoben sind. Bei der man nun einmal Alkohol trinkt. Bei der man vielleicht sogar den Nachbarn oder die Nachbarin plötzlich mal im Arm hat. Was am Tag danach aber nichts bedeutet.
Andere wieder rümpfen weiter die Nase. Aus ihrer Sicht völlig zu Recht. Am Fasching scheiden sich eben die Geister. Schon vor Hunderten von Jahren. Und das wird auch so bleiben.
Das Fußvolk nimmt die Obrigkeit aufs Korn