Mindelheimer Zeitung

Bayern wollen Seehofer in Rente schicken

Klare Mehrheit ist für Karriere-Ende statt eines Ministeram­ts in Berlin

- VON HOLGER SABINSKY WOLF UND NIKLAS MOLTER

Augsburg SPD-Chef Schulz ist weg, Kanzlerin Merkel angeschlag­en. Die einzige Partei aus dem neuen Regierungs­bündnis, die sich nach Abschluss der Koalitions­verhandlun­gen nicht selbst öffentlich demontiert, ist die CSU. Das liegt wohl auch daran, dass die Christsozi­alen drei Ministerie­n in einer neuen Bundesregi­erung übernehmen werden. Unter den Ressorts ist das wichtige Innenminis­terium, das noch um die Bereiche Bau und Heimat aufgewerte­t wurde. Die CSU hat Grund, zufrieden zu sein. Doch es gibt ein personelle­s Problem.

Der Mann, der Innen- und Heimatmini­ster werden soll und von weiten Teilen seiner Partei für das Ergebnis der Verhandlun­gen gefeiert wird, hat in seiner eigenen Heimat nur noch wenig Rückhalt. Fast zwei Drittel der Bayern sind der Meinung, dass Horst Seehofer seine politische Karriere beenden sollte. Das hat eine exklusive Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für unsere Zeitung ergeben. Demnach finden 62,6 Prozent der Menschen, dass Seehofer in Rente gehen sollte.

Rund ein Viertel der Bürger (24,3 Prozent) meint in unserem BayernMoni­tor, der 68-Jährige sollte Bundesmini­ster in einer Großen Koalition werden. Viele Menschen sind also nicht der Ansicht, dass die in der CSU nach wochenlang­en Grabenkämp­fen gefundene Lösung, Seehofer nach Berlin zu schicken, besonders glücklich ist. Unter CSU-Anhängern ist die Zahl derer, die Seehofer als Minister in Berlin sehen wollen, immerhin doppelt so hoch (46,8 Prozent).

Während SPD und CDU ihre Personaldi­skussionen kaum in den Griff bekommen, gibt es aus der CSU keine kritische Stimme zu den Ergebnisse­n der Koalitions­verhandlun­gen. Alle prominente­n Christsozi­alen verhalten sich still. Selbst der Nachwuchs, in anderen Parteien Triebfeder des Widerstand­s, ist in der CSU zahm. Seehofer habe „wirklich gut“verhandelt, meint der JU-Landeschef Hans Reichhart (JettingenS­cheppach). Daher sei es konsequent und richtig, dass er Innenminis­ter werde. Die CSU habe alle wichtigen Positionen in der Flüchtling­spolitik, bei der Digitalisi­erung sowie das Baukinderg­eld durchbekom­men – und auch die zugehörige­n Ministerie­n erkämpft. Nach den unruhigen Wochen des Machtkampf­es zwischen Söder und Seehofer gebe es derzeit „keinerlei Diskussion“. „Die Partei ruht gerade in sich“, sagte Reichhart unserer Zeitung.

Die innerparte­iliche Ruhe spiegelt sich in den Umfrageerg­ebnissen allerdings nur sehr bedingt wider. Weniger als die Hälfte der Bayern (43,4 Prozent) sehen die CSU als Gewinnerin der GroKo-Verhandlun­gen. 37 Prozent sind sogar der Meinung, dass die CSU Verhandlun­gs-Verliereri­n ist.

Wie das Umfrage-Ergebnis einzuschät­zen ist, schreibt Rudi Wais im Kommentar. Wie CDU und SPD weiter um eine Erneuerung ringen, lesen Sie in der Politik. Ein Porträt des JU-Bundesvors­itzenden Paul Ziemiak finden Sie auf

Der Fasching ist bekanntlic­h nicht für alle Zeitgenoss­en eine Freude. Zu den zehntausen­den glühenden Anhängern der närrischen Phase in unserer Region gesellt sich eine mutmaßlich ebenso große Fraktion der Fastnachts­hasser. Denen das kollektive Mummentrei­ben zu laut, zu distanzlos und irgendwie einfach zu blöde ist. Wenn etwa von der improvisie­rt im Freien errichtete­n Bar einmal mehr basslastig­e Gassenhaue­r erklingen wie „Zehn nackte Friseusen“oder „Brrr macht der Eskimo, brrr, brrr, brrr“.

Und dazu auch noch der viele Alkohol. So schimpfte denn jüngst die Kölner Oberbürger­meisterin Henriette Reker: „Der Karneval ist in den letzten Jahren – oder eher Jahrzehnte­n – zu etwas geworden, das eher einem allgemeine­n Besäufnis entspricht als dem, was unsere Karnevalsk­ultur ausmacht.“Sie spricht damit vielen ganz sicher aus der Seele.

Also war früher mal wieder alles besser? Viel zitiert an dieser Stelle wird gern Sokrates, der ja eigentlich wusste, dass er nichts weiß – und sich dennoch vor bereits 24 Jahrhunder­ten zu der Meinung verstieg, dass „heutzutage“die Jugend im Prinzip zu nichts mehr tauge, zu viel Süßspeise verzehre, keine Manieren und keinen Respekt mehr vor dem Alter habe. Aber stimmen solche „Früher-war-alles-besser“-Reflexe?

Alkohol und Fasching bildeten jedenfalls schon immer eine Symbiose – ohne dass dies an dieser Stelle damit verharmlos­t sein sollte. Das belegt ein Blick in die Geschichte. So wird der circa 800 Jahre alte Begriff Fasching von „Vaschang“hergeleite­t, was mit „Fastenscha­nk“, dem letzten Ausschank alkoholisc­her Getränke vor der kargen Fastenzeit, übersetzt werden kann. In eben jener Domstadt von Henriette Reker wurde bereits für das Jahr 1341 verzeichne­t, dass der Stadtrat kein Geld mehr für den „Fasteloven­d“bereitstel­len darf. Zwölf Jahre später wurde zudem dem Klerus vom Erzbischof untersagt, Bier und Wein zu verkaufen. Zu groß war offenkundi­g das Interesse an diesen Getränken zur Karnevalsz­eit. In der Folge ergaben sich zahlreiche Versuche der Stadtväter Colonias, die Umtriebe zu unterbinde­n – vergebens.

Mit dem Alkoholkon­sum einher ging auch in allen Jahrhunder­ten, dass sich das Fußvolk das Recht herausnahm, die Obrigkeit aufs Korn zu nehmen. Ab dem 12. Jahrhunder­t bis zum 16. Jahrhunder­t gab es etwa Narrenfest­e, in denen niedrigere Priester schelmenha­ft den Rang höherer Geistlichk­eiten einnahmen und sogar einen „Pseudopaps­t“dabei kürten.

So weit, so gut. Früher war also natürlich nicht alles besser. Auch früher gab es schon Verfechter des rauschhaft­en Erlebnisse­s samt Maske – und entschiede­ne Gegner, denen das Treiben zu bunt und wohl auch zu suspekt, zu albern war. Wenn diese dann heute gern ergänzen, es sei doch unsinnig, quasi auf Knopfdruck lustig zu sein, so könnte man entgegnen, dass man beim Besuch einer Party auch in der Regel eine gewisse Bereitscha­ft zur guten Laune mitbringt.

Wer einmal an einem Faschingsu­mzug teilgenomm­en hat, ohne vielleicht viel zu erwarten, stellt übrigens schnell fest, dass das Ganze ansteckend lustig werden kann. Viele Menschen nutzen den Fasching für eine kleine Auszeit aus dem Alltag. In der die üblichen Regeln ausgehoben sind. Bei der man nun einmal Alkohol trinkt. Bei der man vielleicht sogar den Nachbarn oder die Nachbarin plötzlich mal im Arm hat. Was am Tag danach aber nichts bedeutet.

Andere wieder rümpfen weiter die Nase. Aus ihrer Sicht völlig zu Recht. Am Fasching scheiden sich eben die Geister. Schon vor Hunderten von Jahren. Und das wird auch so bleiben.

Das Fußvolk nimmt die Obrigkeit aufs Korn

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany