Die Angst vor dem Handelskrieg
Auf dem G20-Treffen in Argentinien versucht der neue Finanzminister Olaf Scholz, drohende US-Strafzölle zu verhindern. Doch die Zeit läuft langsam davon
Buenos Aires Olaf Scholz kommt in Turnschuhen und Pullover. Der Airbus A340 steht bereit, er geht die Gangway hinauf, 11930 Kilometer liegen vor dem neuen deutschen Vizekanzler. In Buenos Aires, der Stadt der Einwanderer aus aller Welt, mit einem Hafen, der als Symbol für freien Handel steht, wird er konfrontiert mit dem neuen Konflikt auf globaler Ebene. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) telefoniert mit Chinas Staatschef Xi Jinping, Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist auf Charmeoffensive in Washington – und Bundesfinanzminister Scholz (SPD) beim G20-Treffen der Finanzminister und Notenbankchefs am Rio de la Plata, dem Silberfluss. Als er ankommt, tobt ein Gewitter. Land unter. Das passt zur Stimmung auf dem Treffen der 20 größten Wirtschaftsnationen, der G20. Auch hier braut sich etwas zusammen.
Scholz, Altmaier und Merkel kämpfen gegen ein Problem, das im Koalitionsvertrag von Union und SPD gar nicht enthalten ist – die Strafzölle von US-Präsident Donald Trump. Er will 25 Prozent auf Stahl und zehn Prozent auf Aluminium zum Schutz der US-Industrie erheben. Und er droht mit mehr, auch mit Zöllen gegen Autobauer. Beim Stahl sind die hohen Überkapazitäten wegen einer Stahlschwemme aus China ein Problem – da so weltweit die Preise gedrückt werden.
Argentinien hat von Deutschland die G20-Präsidentschaft übernommen. Scholz pocht auf freien und fairen Handel. „Das ist die Sprache von Hamburg“, sagt er. Das bezieht auf die Beschlüsse des G20-Gipfels der Staats- und Regierungschefs im Juli 2017. Darin heißt es: „Wir werden die Märkte in dem Bewusstsein offenhalten, wie wichtig auf Gegenseitigkeit beruhende und für alle Seiten vorteilhafte Handels- und Investitionsrahmen sind; werden Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken weiterhin bekämpfen und erkennen die Rolle rechtmäßiger Handelsschutzinstrumente an.“
Die Erinnerung an Hamburg, wo der damalige Bürgermeister Scholz Gastgeber war, ist natürlich nur auf das Politische gemünzt, nicht auf die „Sprache der Straße“damals, als ganze Straßenzüge im Chaos versanken. Auch beim G20-Gipfel in Buenos Aires dürfte es heiß hergehen, hier ist eine nicht minder aktive linke Szene unterwegs.
Für Scholz ist der Protektionismus, die Abschottung, „eine Erfindung des 19. Jahrhunderts“, wie er sagt. Aber keiner weiß, ob Trump G20-Beschlüsse beeindrucken. Die große Gefahr von dessen Drohungen ist, dass eine Spirale in Gang geer setzt wird. Produkte werden teurer, viele Arbeitsplätze könnten weltweit in Gefahr geraten. Deutschland und die EU wollen die von Trump erlassenen Schutzzölle auf Stahl und Aluminium deshalb in letzter Minute abwenden. Wenige Tage vor dem geplanten Inkrafttreten am Freitag stehen in dieser Woche in den USA mehrere Krisengespräche an.
Eines absolvierte Wirtschaftsminister Altmaier gestern in Washington. Er trifft seinen US-Amtskollegen Wilbur Ross – und zeigt sich danach erstaunlich zuversichtlich. „Ich bin heute Mittag um einige Prozent optimistischer, als ich heute Morgen vor Beginn der Gespräche war“, sagt er. „Wir haben beide den Eindruck gewonnen, Secretary Ross und ich, dass es in dieser Woche entscheidende Gespräche geben wird und dass es möglich ist, zu einer Lösung zu kommen, die ein Abgleiten in einen schweren Handelskonflikt noch verhindern kann.“Heute will EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström Ross treffen.
Ökonomen befürchten längst dramatische Folgen für die Weltwirtschaft. Das Ifo-Institut fürchtet nach der Ankündigung der US-Zölle auf Stahl und Aluminium eine Ausweitung auf weitere Branchen. „Das könnte zu einer Untergrabung der Welthandelsorganisation WTO führen und die über Jahrzehnte hinweg mühsam erzielten Fortschritte bei der Liberalisierung des Welthandels ernsthaft gefährden“, sagt der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr. „Vieles sieht bei Trump nach Willkür aus.“