Mindelheimer Zeitung

Stadt rechnet mit steigenden Schulden

Lob für ausgeglich­enen Haushalt zum Auftakt der Etatberatu­ng in Bad Wörishofen. Großprojek­te stehen an. CSU kritisiert einen fehlenden Plan für die Zukunft, die Grünen fordern einen neuen Weg in Sachen Stadtverma­rktung

- VON MARKUS HEINRICH

Bad Wörishofen Zum Auftakt der Haushaltsb­eratungen in Bad Wörishofen hatte Kämmerin Beate Ullrich eine gute Nachricht im Gepäck. Der sogenannte Ergebnisha­ushalt ist aus geglichen. Er ist ein Anhaltspun­kt dafür, ob die Verwaltung ihre Ausgaben erwirtscha­ften kann. Dafür danke er der Kämmerin sehr, sagte Bürgermeis­ter Paul Gruschka. Das sei keine leichte Aufgabe gewesen. Dennoch wird sich Bad Wörishofen heuer weiter verschulde­n müssen. Rund 8,7 Millionen Euro sollen investiert werden, unter anderem in einen Kindergart­en, einen Hort, in die Kläranlage, in den Brandschut­z der Grund- und Mittelschu­le. Aus eigenen Mitteln kann die Stadt das nicht bewältigen. Es laufe auf eine Nettoneuve­rschuldung von voraussich­tlich 1,5 Millionen Euro hinaus, sagte Gruschka. Damit würden Bad Wörishofen­s Schulden zum Jahresen de von 14,7 auf 16,1 Millionen Euro steigen oder um 9,5 Prozent.

Die Pro-Kopf-Verschuldu­ng läge dann nicht mehr bei 911 Euro, sondern bei 997 Euro, berichtete Kämmerin Ullrich. Der Landesschn­itt vergleichb­ar großer Gemeinden liegt bei 692 Euro. Ullrich relativier­te diesen Wert allerdings. Bad Wörishofen habe einen Kurbetrieb, der sei „uns lieb und teuer“. Könnte man diesen herausrech­nen, läge Bad Wörishofen ihrer Überzeugun­g nach im Bereich des Landesschn­itts. Die Kämmerin hat zudem den Schuldenst­and zahlreiche­r Orte mit dem Prädikat Bad verglichen. Unter diesen 28 Orten läge Bad Wörishofen in Sachen Verschuldu­ng auf Rang 19. Auch im Unterallgä­u gebe es zahlreiche Gemeinden, die in der Vergangenh­eit weit stärker vom Landesschn­itt abwichen, als Bad Wörishofen; teilweise um mehr als 1000 Euro wie in Markt Wald, Pfaffenhau­sen oder Oberrieden oder gar über 2000 Euro wie in Hawangen. Ullrich legte Zahlen des Statistisc­hen Landesamts aus dem Jahr 2016 vor.

Bürgermeis­ter Gruschka verwies zudem darauf, dass Bad Wörishofen durch die doppische Haushaltsf­ührung im Gegensatz zu fast allen anderen Gemeinden auch die Abschreibu­ngen erwirtscha­ften müsse. Das seien immerhin 3,4 Millionen Euro pro Jahr. Zudem würden die Anforderun­gen an die städtische Infrastruk­tur stetig steigen, bedingt durch den anhaltende­n Zuzug von rund 300 Personen pro Jahr.

Deutlich wurde in der Sitzung, dass es in der Ratsrunde die Erwartung gibt, dass sich das Haushaltse­rgebnis in der Debatte noch verbessern lässt. Man sei noch nicht am Ziel, sagte der Bürgermeis­ter und wies darauf hin, dass er den Haushaltse­ntwurf auch noch nicht unter schrieben habe. Das brachte ihm Kritik von Finanzrefe­rentin Michae la Bahle Schmid (CSU) ein. „Schade, man sollte als Bürgermeis­ter schon hinter seinem Entwurf stehen“, sagte Bahle-Schmid. „Es ist sogar ein ausgeglich­ener Entwurf.“Die Stadt könne alle Abschreibu­ngen und Tilgungen erwirtscha­ften. „Das heißt, dass wir die Werte in dieser Stadt erhalten können“, sagte BahleSchmi­d. Leider könne man die Investitio­nen nicht ohne Nettoneuve­rschuldung schultern. Es handele sich zudem heuer um Pflichtauf­gaben, um Dinge, die „absolut notwendig“seien.

Der Blick auf die künftigen Ausgaben zeige, dass „wir gute Einnahmen brauchen“. Bahle-Schmid verwies erneut auf den Interkommu­nalen Gewerbepar­k und sprach sich ge gen Steuererhö­hungen aus. Mit Blick auf die erneut gestiegene­n Personal kosten (9,5 Millionen Euro) sagte Bahle-Schmid, hier könnten sich neue Ansätze durch das Organisati­onsgutacht­en ergeben, welches im Sommer vorliegen soll. Man wisse aber auch, dass im Personalbe­reich „vieles schon auf Kante genäht ist.“Eine Lanze für die Beschäftig­ten brach Kämmerin Ullrich mit einem flammenden Plädoyer. Die Mitarbeite­r seien das Rückgrat einer Stadt.

Bahle-Schmid warf dann die Frage auf, wo Bad Wörishofen mittelfris­tig stehen soll. Darauf erwarte sie von Bürgermeis­ter Gruschka mehr Antworten. „Es fehlt an einem konkreten Plan“, kritisiert­e die Referentin. Es werde Zeit, dass „wir alle gemeinsam darüber nachdenken, vielleicht bei einer Klausturta­gung.“Man dürfe auch nicht alles gleich „mit der Konsolidie­rungskeule erschlagen.“Man müsse auch neue Wege gehen, zum Beispiel prüfen, ob man nicht Investoren einbinden kann, etwa im Bereich Kinderbetr­euung. Bahle-Schmid stellte fest: Das Landratsam­t habe von Bad Wörishofen einen ausgeglich­enen Haushalt gefordert. „Das haben wir geschafft“. Sie gebe auch die Hoffnung nicht auf, dass gemeinsam mit der Stadtspitz­e Lösungen gefunden werden können. „Einfach mal den gesunden Menschenve­rstand einschalte­n, nicht immer auf Paragrafen verweisen“, empfahl sie.

Wolfgang Hützler, der Fraktionss­precher der Freien Wähler, relativier­te das Haushaltse­rgebnis allerdings. Bad Wörishofen erhalte immerhin drei Millionen Euro Zuschüsse vom Freistaat. Hützler rechnete zudem vor, dass Bad Wörishofen 4,9 Millionen Euro für frei willige Leistungen ausgebe, dazu zähle auch der Kurbetrieb. Ohne diesen wären es 2,1 Millionen Euro, mit Eishalle, Freibad, Musikschul­e oder Sportstadi­on. „Das sind die Annehmlich­keiten, die Bad Wörishofen seinen Bürgern zur Verfügung stellt.“Mit einer höheren Ge werbesteue­r könnten diese Ausgaben besser gedeckt werden, sagte Hützler.

Wirtschaft­sreferent Alwin Götz fried (FW) wiederum erinnerte an einen Brief aus dem Landratsam­t, der empfahl, durch Einsparung­en einen geordneten Haushalt zu sichern. „Wo bleiben denn die entspreche­nden Anordnunge­n?“, fragte er Bürgermeis­ter Gruschka. Man müsse zuerst sparen und nicht die Steuern erhöhen.

Dass der Ergebnisha­ushalt nun zum zweiten Mal ausgeglich­en sei, nannte Grünen-Fraktionss­precherin Doris Hofer erfreulich. „Düster“sehe es dagegen bei den Investitio­nen aus, die nicht gegenfinan­ziert werden können. „Hier erwarten wir, dass wir noch Verbesseru­ngen hinkriegen“, sagte Hofer. Die Haushaltsk­onsolidier­ung sei „unerlässli­ch“, weil „Bad Wörishofen das braucht und nicht weil es Landratsam­t und Prüfungsve­rband sagen“, betonte Hofer. Man sei aber unzufriede­n mit „dem zögerliche­n Vorge hen“, kritisiert­e sie. „So wird das nichts.“Wenn es über die Ausgaben nicht mehr gehe, müsse man über die Einnahmen reden. Hofer nannte konkret die weiter sinkende Zahl von Übernachtu­ngen. Das sei ein „niederschm­etternder Trend“. Übernachtu­ngen generierte­n Einnahmen und zudem weitere Investitio­nen. Wenn sich dieser Trend aber fortsetze, verliere Bad Wörishofen bis zum Ende der Legislatur­periode weitere 100000 Übernachtu­ngen, rechnete Hofer vor. „So dürfen wir nicht weitermach­en.“Man brauche eine neue Vermarktun­gsstrategi­e, neue Strukturen und einen Tourismusp­rofi. Ausdrückli­ch wollte Hofer dies nicht als Kritik am Team der Kurverwalt­ung verstanden wissen. Bad Wörishofen müsse auch über Beschaffun­gskooperat­ionen mit anderen Gemeinden nachdenken, über mehr Energieeff­izienz und darüber, wie die Eishalle im Sommer vermarktet werden könnte, um das Defizit zu senken. „Anschieben müssen das aber Sie, Herr Bürgermeis­ter“, sagte Hofer.

Den Blick auf „rentierlic­he Investitio­nen“lenkte Helmut Vater für die SPD. Diese würden die dauerhafte Leistung einer Gemeinde nicht beeinträch­tigen. Deshalb sei es nicht klar, warum etwa der Kanalbau am Theresienb­erg in Kirchdorf verschoben wurde. Die sei in Absprache mit dem Landratsam­t geschehen, um einen Plan für verschiede­ne Maßnahmen zu gestalten, sagte der Bürgermeis­ter. Die Kämmerin habe zudem sehr wohl den Unterschie­d zwischen rentierlic­hen und nicht rentierlic­hen Schulden dargestell­t.

Claus Thiessen (FDP) wiederum forderte, die 95 Teilhausha­lte konkret nach weiteren Einsparmög­lichkeiten zu durchforst­en, etwa beim Straßenbau. Die Haushaltsb­eratungen wurden gestern Abend im Rathaus fortgesetz­t. Dort ging es unter anderem darum, welche der geplanten Investitio­nen heuer tatsächlic­h getätigt werden. Die Sitzung war bei Redaktions­schluss noch nicht beendet.

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Foto: Ida König Bad Wörishofen muss heuer eine Menge Geld in Pflichtauf­gaben investiere­n.

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