Messerscharfe Kulturkritik
René Sydow hinterlässt in Bad Wörishofen viel Stoff zum Nachdenken
Bad Wörishofen Bissig, aktuell und messerscharf – so präsentierte sich René Sydow im Guggerhaus von Bad Wörishofen. Sein aktuelles Bühnenprogramm „Die Bürde des weisen Mannes“ist ein Rundumschlag gegen gesellschaftliche Missstände auf höchstem Niveau. Es war zugleich der Schlusspunkt der Bad Wörishofer Gesundheitstage.
Sydow setzt seine Pointen Schlag auf Schlag. Er spielt mit Worten und bei dem Tempo, das er auf der Bühne vorlegt, dauert es oft ein paar Sekunden, bis der Zuhörer die Doppeldeutigkeit seiner Aussagen aufgenommen hat. Er spielt mit Sprache, da wird die Konjunktur schnell mal zur „Konjunktür“, durch die man ein – aber auch austreten kann. Dabei verliert er nie den roten Faden, fügt die einzelnen Elemente seines Programms zu einem großen Ganzen zusammen und hat trotzdem noch Raum für Spontanität. Ob Globalisierung, Innen- und Außenpolitik, Kindererziehung, Glaube und Religion oder die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung der Gesellschaft –Sydow analysierte messerscharf. Und bevor man angesichts der Ergebnisse in Depressionen verfallen konnte, verhalf einem Sydow mit seinem hintergründigen Humor wieder zum Lachen.
Sydow darf mit Recht als Philosoph unter den Kabarettisten bezeichnet werden, der seine Zuhörer forderte und mit seinen provokanten Fragen zum Mitdenken einlud. „Unsere Fernsehmacher behaupten, wir müssen die Leute dort abholen wo sie sind“, sagte Sydow und stellte sofort die Frage, ob wir uns tatsächlich schon alle auf der Stufe des Realtity TVs mit Teenie-Müttern und Dschungelcamp befinden. Sei es für den modernen Menschen wirklich erstrebenswert, auf der Couch sitzend Chips und Cola zu konsumieren, beseelt von dem Wunsch nie wieder aufzustehen? Die einzige, die davon profitiere, sei die Wirtschaft, die brauche kranke, schwache und ungebildete Menschen, um diesen wiederum Gesundheitsarmbänder und Stärkungsmittel zu verkaufen. Sei es wirklich erstrebenswert, übergewichtige Jugendliche großzuziehen, die sich auf dem Smartphone ihren Partner aussuchen? „Kultur muss man einfordern“, so sein eindringlicher Appell. Sydow entließ sein Publikum mit viel Stoff zum Nachdenken und dem einen oder anderen guten Ratschlag, sich selbst und die Gesellschaft öfter zu hinterfragen.