Zwischen Fake und Vertrauen
Beim Newscamp in Augsburg sprechen Medienmacher über Facebook, Google und die umstrittene Macht der Internet-Giganten. Eine gute Nachricht gibt es für klassische Zeitungsverlage
Augsburg Am Thema Facebook kam zuletzt kaum jemand vorbei – selbst dann, wenn er das soziale Netzwerk gar nicht nutzt. Seit Monaten steht der Internet-Gigant in der Kritik. Die Vorwürfe: zu wenig Engagement im Kampf gegen Fake News, Hass und Hetze, ein schlechter Einfluss auf die Gesellschaft und schließlich der laxe Umgang mit Nutzerdaten, der nun in den Skandal um die Weitergabe von 87 Millionen Profilen an die britische Firma Cambridge Analytica mündete.
Wie aber umgehen mit diesem Unternehmen, das für Millionen Nutzer trotz aller Schattenseiten tägliche Anlaufstelle und Informationsquelle ist? Gerade die Medienbranche tut sich in dieser Frage schwer, eine eindeutige Antwort zu finden, wie auch beim diesjährigen Newscamp in Augsburg deutlich wurde. Für Tageszeitungen, Radiound TV-Sender ist das Netzwerk seit Jahren eine wichtige Plattform, um Inhalte zu verbreiten und mit Nutzern in Kontakt zu treten. Facebook ist beim Newscamp ebenfalls mit einem Mitglied seiner EuropaVertretung dabei und stellt seine neue Agenda zum Stärken von lokalen News-Inhalten vor.
Ken Doctor, Hauptredner bei der Eröffnung der Digitalkonferenz am Mittwoch, riet dennoch zu einer gesunden Portion Misstrauen im Umgang mit dem Internet-Giganten auf. „Google und Facebook sind nicht eure Freunde“lautete die Botschaft des international renommierten Internet-Experten, Autors und Dozenten an die rund 400 Teilnehmer aus der Verlags- und Medienbranche. Das zeige sich allein schon daran, dass 89 Prozent der Zuwächse im digitalen Werbemarkt bei den beiden Konzernen verbleiben.
Gleichzeitig warnte der Kalifornier davor, Facebook aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung zu nehmen. Wenn Mark Zuckerberg 99 Prozent authentischen Inhalt im Facebook-Newsfeed verspreche, bedeute das immer noch ein Prozent Fake News. „Das sind 50 Millionen Posts jeden Tag.“
Ähnlich kritisch äußerte sich die zweite Hauptrednerin des Tages, Tagesthemen-Sprecherin Pinar Atalay. „Das Netz verführt zunehmend dazu, nur das zu sehen, was man will“, sagte die Journalistin, die sich selbst nach mehreren persönlichen Attacken bei Facebook abge- meldet habe. „Viele Menschen bleiben in ihrem Kosmos, liken und teilen nur ihre eigene Meinung.“In diesem Umfeld könnten die klassischen Medien helfen zu reflektieren und andere Perspektiven aufzuzeigen. „Dazu müssen wir aber auch in Dialog kommen mit unseren Nutzern und vor Ort präsent sein.“
Auch Doctor sah – vermutlich die beste Nachricht des Tages für viele Anwesenden – in der Image-Krise von Facebook eine Chance für die überregionalen und regionalen Qualitätsmedien. Während das Vertrauen der Internetnutzer in den USA laut einer Studie in die großen Platt- formen zuletzt abgenommen habe, sei das in den Journalismus im Gegenzug um fünf Prozent gestiegen.
„Bei professionellen Journalisten können sich die Menschen darauf verlassen, dass für ihre Arbeit hohe Qualitätsstandards gelten, etwa bei der Recherche und der Sorgfaltspflicht“, sagt Sascha Borowski, Leiter Digitales bei der
„Genau das unterscheidet Marken wie die
von sozialen Netzwerken, in denen jeder alles veröffentlichen kann. Ich denke, das wissen viele Menschen – wieder – zu schätzen.“
Das Newscamp findet bereits im fünften Jahr in Augsburg statt und zählt inzwischen zu den führenden Medienkongressen in Deutschland. 55 Redner aus den USA und Europa sprechen an zwei Tagen über Digitalisierung, Medienwandel sowie Trends und Neuerungen in der Branche. Veranstalter ist die Newsfactory, eine Tochter der Mediengruppe Pressedruck, in der auch die erscheint. „In der Medienbranche entsteht permanent so viel Neues, dass es wichtig ist, darüber zu reden“, betont Mitorganisator Daniel Kempf. „Es bräuchte noch viel mehr solche Veranstaltungen.“