Er schenkt jedem Mitarbeiter 11 000 Euro
Liqui-Moly-Chef Ernst Prost kämpfte einst mit Akne und Minderwertigkeitsgefühlen. Warum dies letztlich beim Aufstieg des Flüchtlingssohns zum Chef des bekannten Ulmer Ölunternehmens half
Leipheim/Ulm Easy Rider im Mittelalter: Zwischen zwei mächtigen Säulen steht eine hochglanzpolierte Harley mit einem auf den Tank lackiertem US-Sternenbanner. An den Wänden im gleichen Saal des auf das 11. Jahrhundert zurückgehenden Leipheimer Schlosses hängen zwei sechs Meter lange Schlachtengemälde, die martialische Ritter zeigen. Ernst Prost, der Chef des Ulmer Ölunternehmens Liqui Moly, spielt auch in Sachen Einrichtung mit Gegensätzen, die sein eigenes Leben so sehr prägen.
Manchmal steht der 61-Jährige auf dem Balkon seiner vor über zehn Jahren erworbenen Burg und sinniert über sein Dasein, wenn der Blick auf die Donau fällt, die unweit des denkmalgeschützen Baus fließt. Seine Mutter und Oma flüchteten einst aus einem Dorf in der Batschka nach Deutschland. Und deren Vorfahren sind zu Maria Theresias Zeit mit einer Ulmer Schachtel die Donau hinabgefahren und haben im heutigen Serbien Land urbar gemacht. „Hier schließt sich irgendwie ein Kreis“, sagt Schlossherr Prost, der einer der bekanntesten Unternehmer in Deutschland ist, auch wenn seine Zeiten als Stammgast in Talkshows von Anne Will oder Markus Lanz Vergangenheit sind. Schlagzeilen macht er heute lieber mit seinem Unternehmen – etwa mit der bundesweit höchsten Erfolgsprämie in Höhe von 11000 Euro, die er an jeden Mitarbeiter zahlt – vom Ingenieur bis zum Lagerarbeiter.
Niemand habe früher einen Pfifferling darauf gewettet, dass aus Prost, dem Flüchtlingssohn und Volksschüler aus Kissing, mal ein „Schlossherr, Öl-Fuzzi und Multimillionär“(O-Ton Prost) wird. „Ich war eigentlich der klassische Versager“, sagt Prost, der später die Realschulen in Friedberg und Wertingen besuchte. Die Demütigungen kamen zu dieser Zeit in Serie: Im Sportunterricht sei der Sohn eines Maurers und einer Fabrikarbeiterin immer als Letzter in die Mannschaften gewählt worden. „Oder vom Lehrer zugeteilt.“
Absolut unterdurchschnittlich sei er gewesen. In allen Belangen. Weder sportlich, noch gut in der Schule oder gar hübsch. Weit, weit weg vom Typ Frauenheld habe er sich bewegt. Er sei eher das Gegenteil gewesen: Eine „schlimme Akne“habe ihm die Pubertät zur Hölle gemacht. Wochenlang war er nach eigener Erzählung stationär bei einem Spezialisten in München in Behandlung. „Ich hatte echte Minderwertigkeitsgefühle.“Er wurde wegen seiner Haut diskriminiert und gemobbt. „Bösartig und schlimm.“
Doch anstatt wie vielleicht andere Menschen eine Kompensation in Gewalt, Alkohol oder sonstigem Unfug zu suchen, sei in dieser Zeit extremster Zurückweisung die Triebfeder seines Erfolges gewachsen. „Euch zeig ich’s“wurde zum Mantra des Aufstieg eines unsportlichen Pickelgesichts zum Unternehmer und Multimillionär, der sündhaft teure Statuen großbusiger Schönheiten sammelt und gerne mit spielt: „Volksschule 1969“stand einmal auf der Heckscheibe seines Flügeltürers mit 571 PS – als Zeichen, dass Prost es von ganz unten nach ganz oben geschafft hat.
Prost habe trotz der MobbingErfahrung früh erkannt, dass er gut Menschen motivieren und führen könne. Und habe Glück gehabt, den richtigen Menschen zur richtigen Zeit begegnet zu sein. Nach seiner Lehre als Kfz-Schlosser versuchte er sich in der Schwimmbadbranche. Und das erfolgreich. Durch seine Ausbildung sei es ein Leichtes gewesen, Pools zu planen, bauen und zu montieren. Wie es der Zufall wollte, baute Prost im Keller des Schlosses von Joseph-Ernst Graf Fugger von Glött ein Schwimmbad ein. „Er hat mir das Leben und die Welt erklärt“, sagt Prost über Begegnungen in den späten 1970ern, die sein Leben verändert hätten. Von dem früheren Bundestagsabgeordneten habe er gelernt, wie wichtig langfristiges Denken sei.
vom früheren kaufmännischen Direktor von Sonax, einem Hersteller für Autopflege-Produkte, nahm Prost sein betriebswirtschaftliches Handwerkszeug mit. „Ich war Mister Sonax“, sagt Prost, der sich zum Vertriebschef und Marketingleiter hocharbeitete, um dann „nach zwölf Jahren, drei Tagen und einer halben Stunde“, wie Prost es noch genau weiß, entlassen zu werden. „Ich war wohl zu dominant und zu aufmüpfig.“
Zwei Dinge habe Prost dadurch gelernt: „Es ist ein Scheiß-Gefühl, entlassen zu werden.“Und: Lieber konkursfähig als kündbar zu sein. So kaufte sich Prost nach seiner Entlassung bei Sonax Stück für Stück bei Liqui Moly ein – vom Posten des Vertriebschefs startete Prost bis zum geschäftsführenden Gesellschafter durch. 1998 übernahm der gebürtige Altöttinger die letzten Anteile.
Ein Wachstumsrekord jagt seitdem den nächsten bei der Firma in Ulm, die allein die Zahl der MitarProll-Attitüden beiter seit 2000 von 126 auf zuletzt 835 erhöhte. „Mitunternehmer“nennt Prost die Mitglieder seiner „Mannschaft“, die im vergangenen Jahr 532 Millionen Euro umsetzte. „Geld war für mich nie Selbstzweck“, sagt Prost, der seinen Erfolg letztlich auf motivierte Mitarbeiter zurückführt. Es mache ihm schlichtweg Spaß, ein Unternehmen zu führen.
Die „Großkonzerne“in der ÖlBranche hätten einen „versauten Charakter“, der zu Frustration in der Belegschaft führe. Bei Liqui Moly sei das anders. Umso mehr habe vor sechs Jahren den 61-Jährigen ein Artikel des Magazins getroffen, der sein Image als Werbefigur und Sympathieträger beschädigt habe. „Unfair“und „total schmerzhaft“sei der Bericht über seine Beleidigungen eines Mitarbeiters gewesen. Einer seiner Top-MaUnd nager, „kein normaler Arbeiter“, sagt Prost, habe damals totalen Mist gebaut, wovor er seine Firma habe schützen müssen. Seitdem hat sich Prost aus dem Rampenlicht der Talkshows zurückgezogen, doch er vermisse den Trubel nicht.
Ein große Mission wurde längst erfüllt: Marktführer in Europa ist Liqui Moly und exportiert Schmierstoffe, Motoröle, Additive, Fahrzeugpflegeprodukte, chemische Reparaturhilfen sowie Service-, Klebeund Dichtprodukte in 120 Länder. Darunter Exoten wie Irak, wo die Ulmer allein auf weiter Flur seien. „Wahrscheinlich, weil es hier nicht an jeder Ecke ein Luxus-Hotel gibt“, sagt Prost. Frühzeitig habe der Vater eines erwachsenen Sohnes erkannt, dass man sich mit der Kultur eines Landes ausführlich beschäftigen müsse, um Erfolg zu haben.
Um die Zukunft seiner Firma macht sich Prost keine Sorgen mehr. Die Nachfolge ist geregelt. „Falls ich plötzlich tot umfalle.“Im Januar 2018 verkaufte er Liqui Moly an die Würth-Gruppe, bleibt aber weiterhin Geschäftsführer. „Jetzt kann ich ruhig schlafen.“Denn Prost hat geschafft, woran viele Firmenpatriarchen verzweifeln. Das familiengeführte Schraubenimperium Würth sei als Stiftung kein klassischer Konzern, der auf den Profit von Anteilseignern schiele – und deswegen eine gute Heimat für Liqui Moly. Auch das vermeintlich vor der Tür stehende Aus für den Verbrennungsmotor treibt Prost keinen Angstschweiß auf die Stirn. Erstens werde es noch lange Diesel und BenzinMotoren geben und zweitens müssten auch Elektroautos geschmiert und gepflegt werden.