Gute Kunst zum Preis eines Gebrauchtwagens
Die bedeutendste Kunstmesse Deutschlands fährt wieder auf, was der Markt hergibt für Superreiche und für tatsächliche Liebhaber. Ein Rundgang mit Augenmerk auf Gutes und Günstiges
Köln Wenn eine(r) ein Auto kauft, gebraucht für 7500 Euro, oder neu für 20000 Euro, dann gilt das als völlig normal. Genauso wie eine dreiwöchige Fernreise. Wenn einer aber Kunst kauft nur zum Wert eines Gebrauchtwagens oder einer Fernreise, dann stellen die lieben Freunde mit mokantem Unterton fest: Dir geht’s ja gut. Du musst ja Geld haben!
Jetzt läuft wieder die Art Cologne in Köln, Deutschlands bedeutendste Kunstmesse – und die älteste weltweit dazu. Sollte man nicht mal nachgucken, ob es dort nicht nur passable, sondern auch qualitätvolle Kunst gibt im Wert eines Gebrauchtwagens, vielleicht sogar im Wert einer Schrottlaube?
Ja, es gibt sie, wir haben recherchiert. Speziell von 7500 Euro abwärts. Und wir setzen noch eins drauf: Es gibt sie nicht nur als signierte Auflagenkunst, sondern auch im Original. Und wir setzen noch eins drauf: Es gibt sie sogar als Original aus bisweilen renommierter Hand. Machen wir also die Augen auf an den Ständen von rund 200 internationalen Galerien auf drei Messe-Ebenen – und tun dies so schnöde wie jeder potenzielle Käufer, der möglichst viel (Marken-)Qualität für möglichst wenig Geld erwerben will. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis halt.
Aber zuvor erst noch zwei Hinweise zu Kunstangeboten, bei denen uns der Schnabel sauber bleiben wird. Im ersten Fall jedoch tut das alles andere als weh. Es ist sogar sehr erfreulich, dass wir uns umgerechnet gut zwei Millionen Euro sparen können für den blau hochglänzenden „Gazing Ball“von Jeff Koons. Er ist auf einem schmalen Brettchen abgelegt vor der Reproduktion eines Tizians mit Mars, Venus, Cupido (Galerie Zwirner/New York). Ehr- lich gesagt: Das Arrangement schaut in doppelter Hinsicht ziemlich billig aus: vorne bling bling, hinten eine recht grobe Tizian-Vervielfältigung.
Auch ist die Sache insofern arg bedenklich, als neulich solch ein „Gazing Ball“in einem Amsterdamer Museum zersprang, weil ihm ein Betrachter zu nahe kam oder ein bisschen zu scharf aus der Nähe angeschaut hatte. Der Mann, dem nicht wusste, wie ihm geschah, darf sich nun versicherungstechnisch durchaus Sorgen machen. Das wollen wir aber nicht.
Schwer jedoch fällt uns der Verzicht auf eine Leinwand des US-Italieners Lawrence Carroll (*1937), der immer wieder große, beeindruckende Materialbilder schafft und jetzt in Köln eine vorsätzlich verletzte Leinwand in der Nachfolge von Twombly, Morandi, Fontana präsentiert. Carroll war schon documenta-Teilnehmer und 2013 zeigte der vatikanische Pavillon auf der venezianischen Biennale als ein Ausrufezeichen. Bei Buchmann/Berlin kostet eine 2,60 Meter hohe, vielfach durchlöcherte Arbeit 100 000 Euro. Nur wohin mit 2,60 Meter Bildhöhe?
Für das finanziell Günstigere, weil kleinformatig, findet sich dagegen immer ein Plätzchen. Beginnen wir mit Sean Scully (*1945), der in der Galerie Klüser/München anhand einer Foto-Arbeit nicht nur einen Hinweis darauf gibt, woher er seine Inspiration nimmt – nämlich auch von kleinteilig zusammengesetzten oder kleinteilig ausgebesserten Hausfronten –, sondern gleichzeitig auch eine Radierung seiner Farbfeld- und Rastermalerei hängen hat: „Union grey“für 7500 Euro (10er-Auflage). Weniger wird für Din-A-4-Zeichnungen des Dänen Tal R verlangt: Ganzkörperfrauenporträts auf rötlich eingefärbten Papieren kosten 6000 Euro (Bjerggaard/Kopenhagen).
Von Franz Erhard Walther, der 2017 einen Goldenen Löwen in Venedig erhielt, ist bei Löhrl/Mönchengladbach das orange-beige Stoffobjekt „Winkel, 7 Taschen“von 1969 erhältlich (4800 Euro, Auflage: 24) und von Sigmar Polke, der auf der gesamten Messe breit vertreten ist, der ausgesprochen typische Siebdruck „Wir mussten handeln“(4200 Euro, Auflage: 130): figurativ, punktgerastert, farbexperimentell und dekorverhaftet – aber nicht dekorativ.
Besonders attraktiv hinsichtlich des Preisleistungsverhältnisses wird es von 3000 Euro abwärts: Hier die ebenfalls ausgesprochen typische Stephan-Balkenhol-Kohlezeichihn nung einer historischen Dame mit Halskrause auf Stele (wieder Löhrl), da frühe Imi-Knoebel-Studien in Graphit und roter Tusche (Jahn & Jahn/München), dort – weniger bekannt, aber auffallend gut – kleine Acryl-Tusche-Ansichten von Wohn-Exterieurs aus der Hand von Stefan Kürten: mal kleinbürgerlich, mal mondän (Karstens/Münster). Jedes der beschriebenen Blätter: 3000 Euro. Darunter liegen sogar späte signierte Graphiken des großen deutschen Surrealisten Max Ernst (ab 1500 Euro bei Valentin/ Stuttgart).
Besonderes Augenmerk ist indes auf drei Nachwuchskünstler zu richten, deren Auftritt als hoffnungsvolle „New Positions“von der Bundesregierung gefördert werden: der Franzose Mathieu Bonardet mit präzisen Graphitzeichnungen und präzisen Kleinskulpturen, die das Motiv dünner gekrümmter Metallplatten durchdeklinieren (ab 2000 Euro bei Brolly/Paris); Tim Freiwald, der als (Meister-)Schüler von Zeniuk und Scheibitz formbewusst Wandobjekte entwirft, die so materialmosaikhaft wie improvisiert und marode wirken (ab 3500 Euro bei Storms/München), schließlich Julius Hofmann, ein Neo-RauchSchüler, der Motive aus animierten Computerspielen in dystopische Malerei umsetzt – und auch wieder rückverwandelt (ab 900 Euro bei Kleindienst/Leipzig).
In diesem Preisrahmen um 1000 Euro bewegen sich auch die kleinen dichten, differenzierten abstrakten Malereien auf Papier von Hedwig Eberle, die als ehemalige Förderkünstlerin der Bundesrepublik seit Jahren gleichmäßig ihre hohe Qualität hält (Jahn & Jahn).
Wenn ein teurer Jeff Koons vor den Augen eines Betrachters zerspringt…
OArt Cologne Die 52. Ausgabe dauert auf dem Messegelände Köln Deutz bis zum Sonntagabend 18 Uhr. Tageskarte: 25 Euro