Die Frage der Woche Rapper nicht so ernst nehmen?
Nund atürlich hätten, wo es doch eine Jury
dazu eine Ethik-Kommission gibt, Kollegah und Farin Bang nicht mit dem Echo ausgezeichnet werden dürfen. Denn was die da stellenweise rumpelrüpelreimen, hätte bei noch so guten Beats und Verkaufszahlen höchstens einen goldenen Dummbeutel für das Klopfen der dämlichsten Sprüche verdient. Aber damit wäre es dann auch gut. Kaum auszuhalten ist jedenfalls, wie sie jetzt alle empört ihre alten Echos zurückgeben und politische Konsequenzen und Besinnung anmahnen, weil „Wehret den Anfängen!“und so.
Geht’s auch eine Nummer kleiner? Oder andersrum gefragt: Wo waren die moralisch Empörten all die vergangenen Jahre, als in eben jener Echo-Kategorie „Urban/HipHop“Typen wie Spongebozz oder Shindy mit reichlich frauenverachtendem und homophobem Getöse für Furore sorgten? Ist das drastisch Menschenfeindliche irgendwie okayer als eine dämliche Verharmlosung des Holocaust? Auch der Rapper Haftbefehl wurde wegen „antisemitischer“Andeutungen geprügelt – weil klar, alle hätten sie lieber nur coole und korrekte Rapper wie Die Beginner. Aber warum haben die Hamburger dann mit Haftbefehl schon Songs gemacht? Weil sie wissen, dass das kraftmeierische, zündelnde Sprachspiel des Rap sich von Beginn an gerade nie an bürgerliche Grenzen hielt und mit dem Maß des Ernstes völlig missverstanden wird. Wer diese Grenzen halten wollte, müsste Rap praktisch verbieten! Für alles andere gibt es die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien und deren Indizierung. Wer aber bei Verleihungen den Schein der Geschmacksgrenzen wahren will, muss bloß Dämlichkeiten wie die jetzige verhindern. Und schon ist alles für alle wieder in Ordnung, alle behalten brav ihre Echos.
Campino hat der Musikbranche den Spiegel vorgehalten. Und was dieser Spiegel zeigt, ist eine hässliche Fratze. Es ist die hässliche Fratze der deutschen Musikindustrie, ja überhaupt der Entertainmentbranche. Die feiert nun einmal, dass ihre Stars erfolgreich sind und damit sich selbst.
Kollegah und Farid Bang sind erfolgreich. Das können sie gerne sein
– den wichtigsten Preis der deutschen Musikindustrie haben sie damit nicht verdient. Und das ist keine vermeintlich politisch korrekte Position oder ein Ruf nach Zensur. Sondern schlicht eine Position, die aus der Haltung spricht: Antisemitismus ist nicht preiswürdig. Da helfen auch nicht die Argumente: Rap ist nun mal so. Oder: War doch nur eine Provokation. Oder: Alles nicht so ernst gemeint, höchstens ein bisschen geschmacklos das Ganze. Ach ja, und auch das: Wir bitten um Entschuldigung dafür!
Nein, im Jahr 2018, in dem sich antisemitische Vorfälle wieder zu häufen scheinen, in dem Fremdenfeindlichkeit wieder salonfähig zu werden scheint, in dem der Hass täglich aus dem Netz schwappt und zu ganz realer Gewalt wird, darf man Rapper nicht dafür feiern, wenn sie texten: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen.“
Das Gift des Antisemitismus tröpfelt beständig, es sickert auch in einem Text wie dem von Kollegah und Farid Bang in die Gesellschaft ein. Diese sind Idole für ihre Fans. Und die finden den vermeintlichen Tabubruch womöglich cool, wenn sie ihn denn überhaupt als solchen erkennen. Auf den Pausenhöfen der Republik werden bereits seit längerem „Jude“oder „schwul“als Schimpfwörter benutzt. Fehlt nur noch, dass einer jemanden als „Auschwitzinsassen“beschimpft. Daran hätten dann Kollegah und Farid Bang großen Anteil.