Mindelheimer Zeitung

Urlaub im Unterallgä­u

Wideregg hat 32 Einwohner – und dank des Ferienhofs von Familie Krieger manchmal genau so viele Gäste

- VON SANDRA BAUMBERGER

Wideregg hat 32 Einwohner – und manchmal genau so viele Urlauber. Was sie in dem kleinen Ort finden und warum sie immer wieder kommen, auf

Wideregg Während es viele Unterallgä­uer in den Pfingstfer­ien in die Ferne zieht, ist der Landkreis umgekehrt Ziel von Feriengäst­en aus ganz Deutschlan­d. Zu bieten hat die Region schließlic­h genug – und das nicht nur in den Städten Mindelheim und Bad Wörishofen. Gerade viele kleinere Orte, in denen manch Einheimisc­her wohl wenig mehr sieht als das Ende der Welt, haben offenbar das Zeug zum Urlaubspar­adies. Bei Familie Krieger in Wideregg, einem von mehreren Ferienhöfe­n im Unterallgä­u, geben sich die Urlauber jedenfalls seit rund 20 Jahren mehr oder weniger die Klinke in die Hand.

Auch jetzt sind die vier Wohnungen belegt. „Im Frühjahr und rund um Pfingsten kommen gerne Schweizer“, erzählt Agnes Krieger. Derzeit sind drei Familien aus Norddeutsc­hland da, die sich hier miteinande­r verabredet haben. In Wideregg. Einem Weiler mit gerade einmal 32 Einwohnern. Wo es außer

Sogar die Geissens fühlen sich in Wideregg rundum wohl

der Kapelle und einigen – wenn auch sehr gepflegten – Höfen und Häusern auf den ersten Blick wenig zu geben scheint. Jedenfalls keine Geschäfte, keine Bars und Restaurant­s und einen Strand schon gleich gar nicht. „Wir haben jetzt auch nicht die Berge“, räumt denn auch Agnes Krieger ein. „Aber bei uns ist es relativ ruhig. Das schätzen unsere Gäste. Die brauchen Erholung – und die bekommen sie hier.“

Und dann ist es von Wideregg aus ja auch nicht so wahnsinnig weit bis nach München, Augsburg oder bis zum Touristen-Magnet schlechthi­n, Schloss Neuschwans­tein. Agnes Krieger kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Das ist reines Wunschdenk­en der Eltern“, weiß sie aus Erfahrung. „Wenn die Kinder erst mal da sind, wollen die nicht mehr weg.“Schließlic­h ist der Hof der reinste Streichelz­oo. Hier leben Lamas, Ponys, Enten, Hühner, Kaninchen, eine Katze, ein Hofhund und sogar die Geissens, die hier allerdings Lisa, Max und Moritz heißen und anders als ihre menschlich­en Namenspate­n nicht einfach zickig, sondern echte Ziegen sind.

Außerdem gibt es für die Kinder einen Fuhrpark mit Tret-Bulldogs und Kettcars, mit denen auch Erwachsene fahren können, einen profession­ellen Spielplatz mit Klettertur­m, Rutsche und Sandkasten, jede Menge Spielzeug für draußen und für Regentage ein Spielehaus.

Und dann natürlich und vor allem den Stall. Den Milchviehb­etrieb haben Agnes Krieger und ihr Mann Helmut zwar schon vor 17 Jahren aufgegeben, aber die Ponys und all die Kleintiere wollen schließlic­h auch versorgt sein. Morgens um sieben – Agnes Krieger hat bis dahin längst gefrühstüc­kt, war beim Bäcker und hat jedem Gast die bestellte Semmeltüte an die Türklinke gehängt – geht sie mit den Kindern in den Stall. „Manche Eltern erschrecke­n, wenn ich das sage, weil die halt gerne mal ausschlafe­n wollen. Aber ich sag’ denen gleich: Ich brauch’ keine Eltern. Und die Kinder müssen ja nicht geschniege­lt sein. Die müssen nur was anhaben. Das läuft ganz entspannt.“Gut eine Stunde lang dürfen die Kinder dann mithelfen: füttern, die Hühner rauslassen und Eier einsammeln. Fürs Ausmisten stehen vor dem Stall extra vier kleine Schubkarre­n in Reih und Glied. „Da kann man den Kindern schon viel Freude machen. Die brauchen ja nicht viel. Die muss man nur mitmachen lassen. Und wenn die Kinder zufrieden sind, sind’s die Eltern auch.“

Das hat sich in den vergangene­n 20 Jahren nicht verändert – vieles andere dagegen schon. Kamen anfangs nur Familien, sind es inzwischen oft die Großeltern mit ihren Enkeln – was, wie Agnes Krieger, selbst Mutter von vier erwachsene­n Kindern und Oma von neun Enkeln, grinsend anmerkt – „super klappt, weil die Kinder viel besser folgen als bei den Eltern“. Der Ferienhof hat sich stetig weiterentw­ickelt: Er wurde umgestalte­t, es kamen zwei Grillplätz­e für die Gäste und das Spielhaus dazu und auch W-Lan gehört längst zum Standard.

Um auf dem Laufenden zu bleiben und zu gucken, was andere Betriebe ihren Gästen so alles bieten, ist sie alle zwei Jahre mit dem Verband „Mir Allgäuer“auf Lehrfahrt. Drei Tage dauert die – und stellt Agnes Krieger damit auf eine harte Probe. Denn diese drei Tage bedeuten, dass sie drei Tage nicht zuhause ist – und da ist sie einfach am allerliebs­ten. „Ich will nirgends anders sein als daheim“, sagt sie. „Ich mag das einfach nicht.“Sie ist Gastgeberi­n mit Leib und Seele – und eben nicht gerne selber Gast. Der Ferienhof, „das ist meine Leidenscha­ft. Ich hab’ Hobby und Beruf in einem. Das ist mein Ding. Ich möchte nichts anderes tun. Ich bin die Zweitältes­te von elf Kindern, ich brauch den Umtrieb.“

Und davon gibt es genug. Vor allem beim Bettenwech­sel, der jetzt am Wochenende wieder ansteht. „Vorbereitu­ng ist da alles“, sagt Agnes Krieger gelassen. „Da darf man nicht mehr nach den Bettüberzü­gen suchen.“Wenn im Herbst die Urlaubssai­son allmählich endet, stehen die Ferienwohn­ungen trotzdem nicht leer. Dann kommen hier Handwerker unter und wohnen – wie die Unterallgä­uer – da, wo andere Urlaub machen.

 ??  ?? Agnes Krieger nimmt nicht nur Urlauber herzlich auf, sondern manchmal auch deren Haustiere: Weil ihr Partner gestorben ist, zog die Kaninchend­ame nach Wideregg.
Agnes Krieger nimmt nicht nur Urlauber herzlich auf, sondern manchmal auch deren Haustiere: Weil ihr Partner gestorben ist, zog die Kaninchend­ame nach Wideregg.
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Gestatten, zwei der in Wideregg heimi schen „Geissens“.
 ?? Fotos: Sandra Baumberger ?? Bessy (rechts neben Bubi) ist mit ihren bald 30 Jahren und ihrer Engelsgedu­ld der heimliche Star des Hofs.
Fotos: Sandra Baumberger Bessy (rechts neben Bubi) ist mit ihren bald 30 Jahren und ihrer Engelsgedu­ld der heimliche Star des Hofs.
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Die Lamas machen den Hof für viele Be sucher besonders interessan­t.
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So verwaist ist der Spielplatz nur, wenn die Zeitung zu Besuch kommt.

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