Wenn Eltern um Kinder streiten
Warum die FDP ein neues Gesetz für Scheidungskinder will
Berlin Als Martin und Bettina K. sich trennten, wollte keiner von beiden den Alltag mit den zwei Kindern missen. Beide Ex-Partner arbeiten als Lehrer. Die Kinderbetreuung hatten sie sich immer weitgehend geteilt. Deshalb wollten auch die beiden zehn- und zwölfjährigen Söhne weder auf Mama noch auf Papa verzichten. Schließlich fand die Familie einen Kompromiss: Die Kinder wohnen nun im wöchentlichen Wechsel bei Vater oder Mutter. In diesem Fall einigten sich die Ex-Partner friedlich. Aber soll das sogenannte Wechselmodell auch zum Regelfall werden, wenn getrennte Eltern um die Kinder streiten? Darüber ist eine Diskussion durch einen Antrag der FDP-Fraktion im Bundestag entbrannt.
Die Forderung der Liberalen: Das Wechselmodell sollte als gesetzlicher Regelfall festgeschrieben werden, wenn Eltern sich nicht einigen können und vor Gericht über den Wohnsitz und die Betreuung ihrer Kinder streiten. Die Richter entscheiden dann, bei welchem Elternteil das Kind künftig wohnen soll. In aller Regel ist das die Mutter. Die FDP möchte nun, dass die Gerichte in Streitfällen künftig – soweit es die Lebensumstände erlauben – dem Wechselmodell Vorrang geben.
„Die Vorstellung, dass die Kinder nach einer Scheidung automatisch bei der Mutter leben, ist althergebracht“, erklärt die stellvertretende FDP-Vorsitzende Katja Suding zur Begründung. Vor allem bei betroffenen Vätern trifft der Vorstoß der Liberalen auf große Zustimmung. Die heutige Regelung basiere auf dem Familienmodell der fünfziger, sechziger Jahre, als Väter noch Alleinernährer waren und die Kinderbetreuung fast ausschließlich Sache der Mütter war, sagt Markus Witt, vom Verein Väteraufbruch für Kinder. Heute seien meist beide Elternteile berufstätig und kümmerten sich gemeinsam um die Kinder. „Wenn dann nach einer Trennung die alten Rollenbilder durch eine Gerichtsentscheidung wieder festgeschrieben werden, dann ist das eine Rolle rückwärts“, sagt Witt.
Viele Betroffene einigen sich einvernehmlich auf ein gemeinsames Betreuungsmodell. Laut einer Regierungsstudie kümmern sich bereits 22 Prozent aller getrennt lebenden Eltern annähernd zu gleichen Teilen um ihre Kinder und fast alle seien damit zufrieden. Dabei handelt es sich aber in aller Regel um Ex-Partner, die sich ohne Streit darauf geeinigt haben.
„Tatsächlich gibt es Belege dafür, dass Kinder im Wechselmodell stabiler sind“, sagt Stefan Rücker. Der Psychologe leitet die Regierungsstudie „Kindeswohl und Umgangsrecht“. Wichtiger sei aber das Verhalten der Eltern. Unter dem Streit der Eltern litten Kinder immer, ganz gleich, in welcher Form sie betreut würden. Das Beste für die Kinder sei, wenn die Eltern es schafften, sich friedlich zu einigen. „Damit das gelingt, brauchen wir dringend mehr Beratung für Eltern während der Trennungsphase“, sagt Rücker.