Italien löst Eklat auf dem EU Gipfel aus
Im Streit um die Flüchtlingsfrage deutet sich eine Lösung an – dann blockiert Rom
Brüssel/Berlin Der EU-Gipfel hat am Donnerstag erstaunlich harmonisch begonnen – doch der Frieden hielt nicht lange. Zunächst versprachen gleich mehrere Staats- und Regierungschefs der Bundeskanzlerin, praktikable Regelungen für die Rücknahme von Flüchtlingen zu finden, die bereits in einem anderen Land registriert wurden, ehe sie nach Deutschland kamen. Doch dann sorgte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte am Abend für einen handfesten Eklat – noch bevor es überhaupt an mögliche Beschlüsse zur Asylpolitik ging.
Bei der Abstimmung über die ersten Themen Handel, Nato und Wettbewerb verweigerte der Italiener seine Zustimmung. „Es ist erst alles beschlossen, wenn alles beschlossen ist“, sagte sein Sprecher draußen den wartenden Journalisten. Soll heißen: Conte versuchte die Partner zu zwingen, sein Land in Sachen Flüchtlingen zu entlasten. Ansonsten werde er bei seinem Veto gegen alle Beschlüsse bleiben.
Spätestens da war klar, dass es eine lange und harte Nacht werden und Ratspräsident Donald Tusk mit seinem Konzept für mehr Schutz der Außengrenzen und Auffangzentren außerhalb der EU keineswegs durchmarschieren würde. Pressekonferenzen wurden abgesagt. Die Türen blieben geschlossen.
Conte fordert mehr Solidarität – konkret: die Bereitschaft zur Unterstützung Italiens durch die Übernahme von Flüchtlingen, die über das Mittelmeer ankommen. Am Abend war unklar, ob der Italiener, dessen Auftritt von Mitgliedern der Runde als „arrogant und überheblich“beschrieben wurde, pokerte oder den Gipfel notfalls wirklich scheitern lassen wollte.
Dabei hatten sich die anderen Staats- und Regierungschefs zunächst so um eine gemeinsame Linie bemüht. Frankreich und Griechenland signalisierten, dass sie Flüchtlinge zurücknehmen würden. Außerdem lag ein erstes Konzept für Auffanglager für Flüchtlinge in nordafrikanischen Ländern vor: Menschen, die sich illegal auf den Weg nach Europa machen, sollen nach der Aufnahme durch Schiffe im Mittelmeer nicht mehr nach Europa, sondern in Auffanglager in anderen Staaten, zum Beispiel in Afrika, gebracht werden. Von dort sollen nur noch Menschen eine Chance auf Zuflucht in Europa haben, die wirklich schutzbedürftig sind. Alle anderen müssten in ihre Heimatländer zurückkehren.
„Keine nationalen, sondern europäische Lösungen“, forderte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz meinte sogar, der „entschlossene Schutz“der Außengrenzen und die geplanten „Anlandezentren“, wie die Auffangeinrichtungen außerhalb der EU offiziell genannt werden, „ändern alles“. Das sei eine „grundlegende Wende in der Asylpolitik“. Davon war am späteren Abend aber nicht mehr viel zu erkennen.
Schon in ihrer Regierungserklärung im Bundestag hatte Merkel zuvor klargemacht: „Europa hat viele Herausforderungen. Aber die mit der Migration könnte zu einer Schicksalsfrage für die Europäische Union werden.“Es könnte auch zur Schicksalsfrage ihrer Regierung werden. CDU und CSU steuern im Asylstreit auf einen Showdown am Wochenende zu. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen, plädierte im Gespräch mit unserer Zeitung für die von Merkel favorisierte europäische Lösung: „Es ist eine Grundwahrheit, dass man die Probleme des europäischen Asylsystems nur in Kooperation mit den betroffenen Staaten in den Griff bekommen kann. Es gibt keine Lösung, die im nationalen Alleingang gegen ein anderes Land wie Italien funktionieren könnte.“