Steuerskandal: Das Warten geht weiter
Warum der Prozess gegen einen Mitarbeiter der Türkheimer Kämmerei verschoben wurde
Türkheim „Sehr, sehr ärgerlich“, ist es für einen der sieben geladenen Zeugen, der eigentlich am kommenden Donnerstag, 5. Juli, vor dem Amtsgericht in Memmingen im Prozess gegen einen ehemaligen Mitarbeiter der Türkheimer VG-Kämmerei aussagen sollte. Der Mann muss sich gedulden – ebenso wie alle anderen, die sich für die Hintergründe des „Steuerskandals“interessieren. Der Prozesstermin musste verschoben werden, weil einer „für das Verfahren notwendiger Gutachter terminlich verhindert war“, wie Amtsgerichtsdirektor Reiner Egger auf Anfrage der mitteilte.
Dies sei aber bei Strafprozessen dieser Größenordnung – immerhin sollten sieben Zeugen und ein Gut- achter gehört werden – überhaupt nichts Ungewöhnliches, versicherte Egger. Denn die Arbeitsbelastung der Amtsrichter sei enorm und zudem müssten ja auch die Termine der Zeugen und Gutachter koordiniert werden – da komme es schon mal vor, dass ein Prozess um mehrere Monate verschoben werden müsse.
Ärgerlich ist die Verschiebung aber nicht nur für die geladenen Zeugen, darunter die vier Bürgermeister der VG-Gemeinden Türkheim, Rammingen, Wiedergeltingen und Amberg. Ärgerlich ist die Verzögerung auch für die Mitarbeiter des Türkheimer Rathauses, von denen sich viele endlich einen „Schlussstrich“unter die leidige Angelegenheit wünschen und die juristische Aufarbeitung daher geradezu herbeisehnen. „So lange der Prozess nicht abgeschlossen ist, stehen wir doch alle irgendwie unter Generalverdacht und müssen uns immer wieder anhören, was hier denn alles so schief gelaufen sein soll“, meinte ein Verwaltungsmitarbeiter, der seinen Namen aber lieber nicht in der Zeitung lesen will: „Wir sind doch sowieso für alle die Dummen und Unfähigen“, meinte er. Diese bösen Gerüchte und unterschwelligen Vor-Verurteilungen gehen vielen Rathaus-Mitarbeitern ebenso gewaltig auf die Nerven wie Türkheimer Gemeinderäten und auch vielen Türkheimer Bürgern. „Hoffentlich ist damit dann auch endlich Schluss, wenn der Prozess endlich vorbei ist.“Wie berichtet, muss sich ein ehemaliger Mitarbeiter der Kämmerei vor Gericht verantworten. Ihm wird vorgeworfen, einen Schaden von 1,361 Millionen Euro angerichtet zu haben. Dieser Schaden sei entstanden, weil über mehrere Jahre hinweg zu wenige Gewerbesteuerbescheide verschickt wurden. Seit Juli 2016 liefen die Ermittlungen, im Mai 2017 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Betruges. Seither wartet man auf eine juristische Aufarbeitung der Vorgänge, die als „Steuerskandal“Schlagzeilen gemacht haben.
Der Prozess hatte sich immer wieder verzögert, weil die gutachterlichen Untersuchungen des Angeklagten viel Zeit in Anspruch genommen hatten. Sollte der Angeklagte verurteilt werden, droht ihm Strafe von bis zu fünf Jahren Gefängnis. Nach langwierigen Ermittlungen geht die Staatsanwaltschaft von vier Fällen der Untreue aus: Jedes Jahr, in dem der Angeklagte untätig war, werde als einzelner Anklagepunkt betrachtet, da er sich jedes Jahr neu motiviert habe, die Taten zu begehen. Die vier Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Türkheim haben durch nicht erlassene Bescheide fast drei Millionen an Gewerbe- und Grundsteuer verloren. Der Schaden an nicht eingeforderter Grundsteuer wird mit 237 620 Euro beziffert, die von den VG-Gemeinden von 2002 bis 2010 nicht eingetrieben wurden. Das Verfahren wegen dieser Vergehen wurde dagegen eingestellt.
Weil die Fälle verjährt sind, können die Steuern nicht nachträglich berechnet werden. Da die Disziplinarbefugnisse hinsichtlich des Sachbearbeiters auf die Landesanwaltschaft Bayern übertragen wurden, ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, das derzeit ruht.