„Hat Türkheim kein Herz für Familien?“
Nachdem der Türkheimer Gemeinderat bei der deutlichen Erhöhung der Kita-Gebühren hart geblieben ist, sind viele betroffene Familien mit kleinen Kindern immer noch stocksauer. Gibt es doch noch einen Ausweg?
Türkheim Enttäuscht. Überrumpelt. Wütend. Sauer. Geschockt. Traurig. Das sind die Worte, die am häufigsten fallen, wenn sich betroffene Eltern aus Türkheim zur jüngst beschlossenen Erhöhung der Kindergartengebühren äußern. Wie berichtet, hat der Türkheimer Gemeinderat in zwei Anläufen eine Verteuerung der Gebühren um bis zu 43 Prozent zum kommenden Kindergartenjahr verabschiedet.
Es sei vor allem die Vorgehensweise der Kommunalpolitiker und der Rathausspitze gewesen, von der sich die betroffenen Eltern überrumpelt und übergangen fühlten. Trotz mehrerer Vorgespräche und, aus Sicht der Eltern, konstruktiver Vorschläge – von Beginn an hatten die Elternbeiräte eine Verteuerung der Gebühren um zehn bis 15 Prozent einkalkuliert und akzeptiert – seien die Sorgen der jungen Familien im Handstreich weggewischt worden: „Wir fühlen uns einfach nicht ernst genommen“, sagt eine junge Mutter, deren beide Kinder in einen Türkheimer Kindergarten gehen und sich dort rundherum wohlfühlen.
Auch darauf legen die Eltern großen Wert: Es gehe keinem darum, die hervorragenden Leistungen in den Türkheimer Kindergärten infrage zu stellen. Im Gegenteil, die Leistungen des Kita-Personals werden in den höchsten Tönen gelobt und gerade deshalb sei von den betroffenen Eltern eine moderate Erhöhung der Gebühren für Kindergarten und -hort durchaus einkalkuliert worden.
Und jetzt das: Aus Sicht der Eltern liegt Türkheim nach der Erhöhung der Kita-Gebühren zum kommenden Kindergartenjahr ab September mit an der Spitze im landkreisweiten Vergleich. Die Eltern berufen sich dabei auf die Vergleichszahlen, die auf der Homepage des Landratsamtes veröffentlicht werden.
„In der Summe beträgt die Erhöhung durchschnittlich mehr als 33 Prozent“, klagen die Eltern in einem Brief an Bürgermeister Kähler und alle Gemeinderäte. Dieser Dreh an der Gebührenschraube mache je Kind zwischen 300 und 670 Euro aus: Das macht Türkheim auf einen Schlag zu einer der teuersten Gemeinden im gesamten Landkreis Unterallgäu“.
Vor allem die deutliche Erhöhung der Gebühren für eine Betreuung der Kinder am Nachmittag ist den jungen Familien ein Dorn im Auge: „Wir empfinden es als besonders unfair, die Nachmittagsbetreuung pauschal zu verteuern und damit jene Eltern zu ’bestrafen’, die oft keine andere Wahl haben.“Dass dieser Vorschlag schon bei der ersten Abstimmung im Gemeinderat ausgerechnet auch noch von Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer (FW) kam, war für die jungen Eltern ein Schock.
Wie berichtet, hatte Neugebauer zu den drei Verwaltungsvorschlägen noch eine zusätzliche „Variante 4“eingebracht. Dies hatte dafür gesorgt, dass nicht einer der drei Verwaltungsvorschläge beschlossen wurde, sondern jeder Posten einzeln. Die Folge war ein ziemliches Durcheinander am Ratstisch – und letztlich eine Erhöhung der Gebühren, die vermutlich auch die Kindergartenreferentin in diesem Ausmaß so gar nicht gewollt hatte.
Entsprechend sauer sind die Eltern: „Sollte sich eine Kindergartenreferentin nicht für junge Familien einsetzen? Mit ihrem Rechenmodell hat Frau Neugebauer allen Familien mit Kindern im Kindergartenalter einen teuren Bärendienst erwiesen“, sagt eine Mutter, die ihre zwei Kinder alleine großzieht und in Vollzeit arbeiten muss, um ihre kleine Familie überhaupt ernähren zu können. „Ich muss mit jedem Euro rechnen, da ist das eine Menge Geld“, sagt sie und setzt noch eins drauf: „Auf der Homepage der Gemeinde Türkheim steht der Satz: Markt mit Herz. Hat Türkheim denn kein Herz für Familien?“
Auch auf Bürgermeister Christian Kähler sind die jungen Eltern alles andere als gut zu sprechen. Gerade sein Verhalten habe sie besonders enttäuscht, denn: Nach der ersten Abstimmung im Gemeinderat habe man sich zu einem klärenden Ge- spräch getroffen, schildern einige Teilnehmer dieser Gesprächsrunde.
Kähler habe sich die Berechnungen der Eltern interessiert angehört und signalisiert, dass er die Sorgen und Nöte der jungen Familien verstehe und sich für eine Reduzierung der Gebühren bei der nächsten Sitzung im Gemeinderat einsetzen werde. „Und plötzlich hat Kähler bei der Abstimmung für die drastische Verteuerung und damit gegen uns gestimmt“, sagt eine Mutter völlig aufgelöst.
Und jetzt? „Wir hoffen noch immer, dass sich der Gemeinderat noch einmal mit dieser drastischen Gebührenerhöhung befasst“, fasst eine Elternbeirätin den Wunsch vieler Eltern zusammen. Denn bislang habe die Verwaltung aus Sicht der Eltern „mit falschen Zahlen“operiert und dem Gemeinderat Berechnungen und Behauptungen vorgelegt, die aus Sicht der Eltern falsch gewesen seien.
Nach ihren Berechnungen betrage die Gebührenerhöhung je nach Buchungszeit mit zwischen 24 und knapp 43 Prozent, was dann zu Mehrkosten von 300 bis 480 (Kindergarten) und 340 bis 670 Euro (Kinderkrippe) führe. Der Kinderhort kostet künftig pauschal 420 Euro mehr pro Jahr. In Einzelfällen bei mehreren Kindern würde dies dann bei einzelnen Familien mit mehreren Kindern mit knapp 1000 Euro pro Jahr zu Buche schlagen. Gerade für junge Frauen sei es sowieso schon schwer genug, Beruf und Familie unter einen Hut bringen zu können. Genau das werde aber doch immer wieder von der Politik so gefordert, wundert sich eine Mutter. „Der Türkheimer Gemeinderat handelt damit entgegen der Politik des Ausbaus der Ganztagesbetreuung, die Bund und Länder gegenwärtig verfolgen“, so die Eltern. Zuletzt habe der bayerische Ministerpräsident Markus Söder in seiner Antrittsrede doch wieder einmal eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert: „Sind das alles nur Sonntagsreden“, fragt
„Sollte sich eine Kindergar tenreferentin nicht für junge Familien einsetzen?“Eine junge Mutter kritisiert FW Gemeinderätin Cornelia Neugebauer
„Das macht Türkheim zu einer der teuersten Gemein den im ganzen Landkreis“Aus Sicht der betroffenen Eltern fällt die Erhöhung der Gebühren zu drastisch aus
eine Türkheimerin wütend. Und wer – wie Kindergartenreferentin Cornelia Neugebauer – behaupte, dass Nachmittagsbetreuung nur ein „Trend“sei, liege völlig daneben: „Das ist für viele Familien inzwischen zur Notwendigkeit geworden“. Sollte Türkheim am Ende bei der beschlossenen Verteuerung bleiben, dann sei diese „Ungleichbehandlung einzigartig in Bayern.“
Dass keine der Mütter ihren Namen in der Zeitung lesen wollte, habe durchaus einen Grund: „Wir wollen nicht, dass wir durch unsere Kritik später persönliche Nachteile bei der Gemeinde haben“, sagt eine gebürtige Türkheimerin.
Die breite Unterstützung aus dem Kreis der betroffenen jungen Eltern habe ihnen aber dennoch Mut gemacht, sich noch einmal an die Öffentlichkeit zu wagen: „Wir können uns das doch nicht einfach so gefallen lassen“.