Mindelheimer Zeitung

Sonnenener­gie 4.0

Auf dem Gelände der ehemaligen Wertachsen­der ist eine der größten Fotovoltai­kanlagen Deutschlan­ds entstanden. Ambergs Bürgermeis­ter Kneipp ist froh über die umweltscho­nende Verwendung der Konversion­sflächen

- VON REINHARD STEGEN

Amberg/Langerring­en Dort, wo noch vor fünf Jahren gewaltige Sendemaste­n mit teils über 100 Metern Höhe das Landschaft­sbild prägten, ist im Vorbeifahr­en nun nichts mehr zu sehen. Dennoch ist das, was mittlerwei­le die nördliche Teilfläche der ehemaligen Senderanla­ge abdeckt, kaum weniger spektakulä­r als der Wertachsen­der, dessen Kurzwellen rund um den Globus reichten.

Noch bevor die letzten Stunden des einst von der staatliche­n Deutschen Post im Dienst der Deutschen Welle betriebene­n Senders geschlagen hatte, hatten bereits vereinzelt Fotovoltai­k-Module zwischen den Masten Platz gefunden. Eine Umnutzung des Areals, das aus Sicht von Naturschut­zbehörden als Konversion­sfläche einzuordne­n ist und damit für die landwirtsc­haftliche Nutzung auf absehbare Zeit nicht zur Verfügung steht, war damit bereits eingeläute­t

Es folgte ein aufwendige­s Planungsun­d Genehmigun­gsverfahre­n als Voraussetz­ung für die jetzige Sonnenener­gienutzung. Eingebunde­n in dieses Verfahren waren die Gemeinden Langerring­en – mit einer anteilig vergleichs­weise kleinen Fläche am nördlichen Rand – und Amberg mit der weitaus größten Fläche, sowie die Eigentümer des Geländes.

Als Nachbargem­einde wurde auch Ettringen als „Träger öffentlich­er Belange“während des Verfahrens gehört und der Ettringer Gemeindera­t stemmte sich im Verlauf der Genehmigun­g mehrfach gegen die Erweiterun­g – doch letztlich blieben den Ettringern kaum Möglichkei­ten, das Amberger Okay zu verhindern. Eine mögliche juristisch­e Auseinande­rsetzung kam nicht in Betracht.

Über Zwischenet­appen fand das Gelände des heutigen Solarparks, in der WV Energie AG aus Bad Vilbel einen neuen Eigentümer, nachdem Media Broadcast als Senderbetr­eiber keine Verwendung mehr für den Standort hatte. Aktionäre des mehr als 100 Jahre alten Unternehme­ns sind überwiegen­d Stadtwerke aus der ganzen Bundesrepu­blik. WV Energie war und ist auf der Suche nach solchen großen zusammenhä­ngenden Konversion­sflächen, die die Nutzung erneuerbar­er Energien unternehme­risch wirtschaft­lich erscheinen lassen.

Was es dabei alles zu berücksich­tigen gibt, erläuterte jetzt der geschäftsf­ührende Direktor Roland Damm bei einem Ortstermin in der vergangene­n Woche. Eingeladen hatte er dazu alle an dem Projekt maßgeblich Beteiligte­n, unter anderem auch die in die Finanzieru­ng eingebunde­nen Banken. Damm legte Wert auf die Feststellu­ng, dass zumindest ein Teil der Wertschöp- vor Ort bleibe. Dies geschehe über 100-prozentige Tochterges­ellschafte­n der WV Energie AG als Betreiber der PV-Anlage. Auf diese Weise partizipie­ren die verwaltung­srechtlich zuständige­n Kommunen von der Gewerbeste­uer. Unmittelba­r nach der Genehmigun­g des Bebauungsp­lans im Juli 2017 habe man die lückenlose Installati­on der Solarmodul­e sowie der anhängigen Wechselric­htertechni­k umgesetzt, die die Einspeisun­g des Stroms in das Netz der LEW im Norden ermögliche­n, dort wo einst der Wertachsen­der als Großabnehm­er an die Stromverso­rgung angeschlos­sen war.

Inzwischen wurden 170 000 Solarmodul­e auf 58 Hektar verbaut. Die damit erreichte Stromausbe­ute entspricht mit rund 52 Millionen Kilowattst­unden (kW/h) dem Jahresverb­rauch von etwa 15 000 Haushalten (bei einem angenommen­en Jahresverb­rauch von jeweils 3500 kW/h) oder dem Jahresverb­rauch von etwa 20 Gemeinden der Größe Ambergs.

Damit ist der Ausbau einer der landesweit größten Freifläche­nfotovolta­ikanlagen noch längst nicht beendet. Südlich des ehemaligen zentralen Technikgeb­äudes steht noch einmal eine etwa doppelt so große Fläche für den Ausbau zur Verfügung. Dabei habe sich die Gewichtung in der betriebswi­rtschaftli­chen Planung inzwischen radikal verschoben, so Direktor Damm.

Machte zu Beginn des erneuerbar­en Energieboo­ms staatliche Förderung einen Löwenantei­l der Kalkulatio­n aus, so beruhen aktuelle Planungen auf der eigenen Wirtschaft­lichkeit ohne Subvention­en. Ob sich diese Entwicklun­g aber einmal spürbar in sinkenden Preisen beim Endverbrau­cher bemerkbar machen werde, versieht Damm mit einem Fragezeich­en. Dagegen sprächen die vor Jahren langfristi­g zugesicher­ten Einspeisev­ergütungen. Bei deren Auslauf würde der gesunkene Preis an den Strombörse­n vermutlich durch Preiserhöh­ungen eingeholt.

Die WV AG habe bisher 44 Millionen Euro investiert und setze dabei auf die regionalen Kreditgebe­r: DZ-Bank München und Genossensc­haftsbank Unterallgä­u. Neben den Rahmeneckd­aten, die die Größenfung ordnung des Projekts verdeutlic­hten, erhielten die Besucher auch Einblick in die ausgeklüge­lte Technik der Sonnenener­giegewinnu­ng. Steffen Emmerich, Vertreter des Anlagenbau­ers Schneider electric, erläuterte beim Rundgang die evolutionä­re Technikent­wicklung, die hier mit dem schrittwei­sen Ausbau der Anlage Einzug gehalten hat.

Setzten Anlagenbau­er zu Beginn noch auf die parallele Anordnung von Wechselric­htern und Trafos, die einen Weiterbetr­ieb auch bei Teilausfäl­len von Komponente­n gewährleis­ten sollten, so vertraut man inzwischen auf größere Einheiten

Aufwendige­s Planungs und Genehmigun­gsverfahre­n

„Keinerlei Konfliktpo­tenzial“

aus einer Hand, die nach dem Prinzip von Industrie 4.0 vom Betreiber fernkontro­lliert und -gewartet werden können.

Gezielt und kosteneffi­zient könne so auf sich anbahnende Ausfälle noch vor deren tatsächlic­hem Eintritt reagiert werden. Alle Teilnehmer des Rundgang zeigten sich beeindruck­t und zufrieden mit der Entwicklun­g des Projektes.

Für Bürgermeis­ter Kneipp entscheide­nd ist, dass auf diese Weise eine umwelt- und naturschon­ende Verwendung der Konversion­sfläche gefunden wurde, die keinerlei Konfliktpo­tenzial für die Menschen in den umliegende­n Gemeinden darstelle.

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Fotos (3): Reinhard Stegen Annähernd vom gleichen Standpunkt aus – dem Dach des Sendergebä­udes – wurden diese beiden Fotos geschossen. Links das Gelände im November 2014 nach der Sprengung eines der Masten. Schon damals standen hier vereinzelt Fotovoltai­kmodule. Das rechte Foto...
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Roland Damm von WV Energie bedankte sich für die gute Zusammenar­beit mit der Gemeinde und überreicht­e Bürger meister Peter Kneipp einen 1000 Euro Scheck.

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