Karo sticht, oder?!
Gut möglich, dass es heute Abend einen Autokorso durch Mindelheim gibt. Verantwortlich ist dann aber nicht das schwarz-rot-goldene Fanvolk
Mindelheim Die deutschen Autofähnchen sind schon längst eingemottet, auch sämtliche Frundsbergfest-Girlanden sind bereits wieder abgehängt. In Mindelheim scheint nach dem frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der WM und dem Ende des Frundsbergfests wieder Normalität eingezogen zu sein. Doch es gibt noch Ausnahmen: Immer öfter begegnet man in diesen Tagen der rot-weißblauen Flagge mit dem charakteristischen rot-weißen Schachbrettmuster in der Mitte – die Nationalflagge Kroatiens.
Kein Wunder, stehen die kroatischen Kicker um Luka Modric doch heute vor dem vielleicht größten Triumph ihrer noch recht kurzen Geschichte. Gelingt ihnen gegen England ein Sieg im Halbfinale stünden sie erstmals in einem WM-Finale. „Das wäre ein Traum“, sagt Joschi Mihaljevic. Der Gastronom, der in Mindelheim Joschi’s Bar betreibt, kann es kaum erwarten, bis das Spiel beginnt. Im Biergarten seines Lokals erwartet er dann wieder viele Fans. „Es werden von Spiel zu Spiel mehr“, sagt er. „Und weil Deutschland früh ausgeschieden ist, sympathisieren nun viele mit uns“, sagt der gebürtige Mindelheimer.
Ein paar Hundert Meter weiter, im Restaurant Storchenbräu, hat Zaper das Sagen. Vor fast vier Jahren hat der Memminger das Traditionslokal übernommen. Auch sein Herz schlägt für Kroatien. „Geboren bin ich zwar in Frankfurt, aber aufgewachsen in Kroatien. Seit 1991 bin ich wieder in Deutschland“, sagt der 40-Jährige. Beinahe wäre er sogar für das Halbfinale nach Russland geflogen. Von Deutschen, die sich im Vorfeld in froher Erwartung mit Karten für das Halbfinale eingedeckt hatten, hätte er Eintrittskarten haben können. „Aber im letzten Moment haben Engländer mir die Tickets vor der Nase weggekauft. Die zahlten doppelt so viel, wie ich“, sagt er.
So wird er das Spiel nun zusam- men mit seiner Familie im Storchenbräu ansehen – und nebenher arbeiten. Sollte den Kroaten dann der große Wurf mit dem Finaleinzug gelingen, verspricht er eine große Party: „Das wird dann ein Feiertag. Das Feiern liegt uns im Blut, hier sind wir Feierweltmeister.“Um dies zu dokumentieren, zeigt er Handyvideos, die ihm Familienangehörige aus seiner Heimat bei Split geschickt haben: Tausende Fans mit BengaloFackeln vor einer großen Leinwand auf der Straße, einige hüpfen auf geparkten Autos umher. „Auf ihren eigenen“, wie Mate Zaper sagt. Ob es auch in Mindelheim solche Szenen geben wird?
Die Chancen auf einen kroatiMate schen Finaleinzug stehen laut Zaper nicht schlecht: „Vor 20 Jahren hatten wir schon einmal eine goldene Generation, mit Spielern, die bei Real Madrid, AC Mailand oder Barcelona gespielt haben. Das ist heute auch so. Und diesmal haben wir sogar einen Weltklasse-Torwart.“Zudem herrsche in der Mannschaft eine gute Atmosphäre. Das könnte den Ausschlag geben: „Gegen England wird es sehr schwer, aber ich glaube an einen 2:1-Sieg. Und im Finale wünsche ich mir dann Frankreich. Dann hätten wir die Chance auf eine Revanche für 1998.“Damals beendeten die Franzosen im Halbfinale den kroatischen Titeltraum.
Auch Joschi Mihaljevic glaubt an ein enges Spiel: „Realistisch ist ein 1:0-Sieg für Kroatien, aber ich hoffe auf einen 3:2“, sagt der 37-Jährige. Nur ein Elfmeterschießen soll es bitteschön nicht mehr werden. „Papa wäre durchgedreht, wenn er das noch erlebt hätte“, sagt seine Schwester Sara. Während der Spiele habe sie immer wieder auf das Porträt ihres Vaters Jopa geschaut, der vor zwei Jahren gestorben ist. „Er ist unser zwölfter Mann und feuert uns von oben herunter an“, sagt sie. Sollten es die Kroaten nicht nur ins Finale schaffen, sondern auch den Titel holen, ist sich Joschi Mihaljevic sicher: „Dann gibt es in Kroatien einen weiteren Feiertag.“