Was den Bauern stinkt
Seit gut einem Jahr gilt die neue Düngeverordnung. Mancher Landwirt ist allerdings überzeugt, dass sie mehr schadet als nutzt
Wenn der Bauer mit modernen Güllefässern arbeitet, riecht man fast nichts mehr. Was den Landwirten dagegen stinkt, ist die neue Düngeverordnung.
Unterallgäu Hermann Fischer steht neben einem Dreirad der besonderen Art: Hinter dem Vorderrad erhebt sich eine Fahrerkabine, die beiden Hinterreifen tragen ein gigantisches Güllefass. Darin schwappen bis zu 16000 Liter der stinkenden Brühe, die durch 17 Schläuche auf einen Acker in der Nähe von Nassenbeuren fließt. Weil ein Grubber an der Maschine die Erde zuvor jedoch gut zwölf Zentimeter tief aufgeritzt hat und eine Walze sie anschließend wieder verschließt, ist davon überhaupt nichts zu riechen.
Dass es Hermann Fischer trotzdem stinkt, liegt an der Düngeverordnung, die nun seit gut einem Jahr in Kraft ist. „Wir machen jetzt die Umwelt kaputt“, ist er überzeugt. Hätte man die alte Verordnung konsequent umgesetzt, wäre sie seiner Meinung nach umweltfreundlicher gewesen als die jetzige.
Da sind zum einen die Sperrfristen, die genau festlegen, ab welchem Tag die Landwirte ihre Felder und Wiesen düngen dürfen und wann nicht mehr. „Aber man kann die Natur doch nicht an einem festen Datum festmachen“, sagt Fischer und auch Reinhold Bäßler, Geschäftsführer des Maschinenrings Mindelheim, sieht die Regelung kritisch. Ein genaues Datum sei halt praktisch, um die Einhaltung der Verordnung zu kontrollieren. Während die Landwirte früher eine gefrorene und leicht mit Schnee überzuckerte Fläche bereits im Januar düngen durften, was für die Böden laut Bäßler sehr schonend gewesen sei, ist das nun nicht mehr erlaubt. Bis 31. Januar dürfen sie keine Gülle ausbringen, danach müssen die Flächen schneefrei sein. Ist das im Februar und März noch nicht der Fall oder ist es zu nass, um die Felder ohne größere Schäden zu befahren, bleiben die Landwirte auf der Gülle sitzen. „Die Zeitfenster, in der wir die Gülle ausbringen dürfen, werden immer kleiner. Aber die Menge bleibt gleich. Das ist die Krux an der neuen Düngeverordnung“, sagt Fischer.
Lösen lässt sie sich im Grunde nur mit größeren Maschinen wie dem sogenannten Selbstfahrer, dem „Dreirad“, das nun auf dem Feld bei Nassenbeuren seine Bahnen zieht. Solche Maschinen bedeuten mehr Schlagkraft – und damit nach Ansicht von Fischer zugleich einen „Strukturwandel durch die Hintertür“. Schließlich könne sich ein einzelner Landwirt so eine Maschine gar nicht leisten, die bäuerliche Landwirtschaft werde zerstört. „Wir machen uns abhängiger“, befürchtet auch Bäßler. Außerdem, so Fischer, werde der Umstieg auf Grünland interessanter, weil man das öfter düngen kann. Er hat sich schon vor zwölf Jahren mit zunächst acht Landwirten zur Düngegemeinschaft Mindeltal zusammengeschlossen, die rund eine halbe Million Euro investiert und den Selbstfahrer angeschafft hat. Den Landwirten ging es damals darum, mit der neuen Technik die Nährstoffe in der Gülle bestmöglich auszunutzen und auch darum, die Geruchsbelästigung zu reduzieren. Heute sind sie doppelt froh um die Anschaffung. Schließlich sollen Güllefässer, bei denen der Güllestrahl auf einen Prallteller trifft und so in weitem Bogen verteilt wird, schon in wenigen Jahren Geschichte sein.
Am Rande des Ackers fahren derweil in regelmäßigen Abständen Traktoren mit Güllefässern vor und liefern Nachschub für den Selbstfahrer, der freilich keineswegs selbst fährt, sondern einen besonders geschulten Fahrer braucht. „Das ist ein Riesenschiff. Da kann so viel schiefgehen“, sagt Fischer, der die Einsätze koordiniert. Wenn das Wetter passt, steigt einer der drei Fahrer der Düngegemeinschaft morgens um sechs Uhr in die Fahrerkabine, spätestens um 22 Uhr ist Schluss. Denn trotz aller Technik, die die Maschine im „Cockpit“bietet: „Das ist ein knochenharter Job. Da ist man abends platt“, so Fischer.
Schließlich soll die Fläche absolut gleichmäßig gedüngt werden. Es dürfen keine Streifen frei bleiben, aber auch nichts doppelt gedüngt werden. „Das Überdüngen ist schon lange passé – nicht erst seit der neuen Düngeverordnung“, ist der Landwirt überzeugt – und nennt einen weiteren Aspekt, der ihn an der neuen Verordnung stört: Früher hat er auf die abgeernteten Getreidefelder Gülle ausgebracht, um so die Rotte des Strohs in Gang zu bringen. Im Frühjahr waren die Felder dann so gut mit Nährstoffen versorgt, dass er auf mineralischen Dünger verzichten konnte.
Weil das Düngen des abgeernteten Ackers jetzt aber nicht mehr zulässig ist, greifen er und seine Kollegen im Frühjahr notgedrungen zum Kunstdünger – obwohl die GülleLager voll sind. „Das kann’s doch nicht sein“, findet Fischer. Hinzu komme der Klimawandel, der die Vegetationsperiode deutlich verlängert habe. Die Pflanzen nähmen deshalb sehr viel länger Stickstoff auf. „Wie kann man so ein Gesetz machen?“, fragt er und schüttelt auch mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten der Verordnung den Kopf.