Mindelheimer Zeitung

Was den Bauern stinkt

Seit gut einem Jahr gilt die neue Düngeveror­dnung. Mancher Landwirt ist allerdings überzeugt, dass sie mehr schadet als nutzt

- VON SANDRA BAUMBERGER Fotos: Sandra Baumberger

Wenn der Bauer mit modernen Güllefässe­rn arbeitet, riecht man fast nichts mehr. Was den Landwirten dagegen stinkt, ist die neue Düngeveror­dnung.

Unterallgä­u Hermann Fischer steht neben einem Dreirad der besonderen Art: Hinter dem Vorderrad erhebt sich eine Fahrerkabi­ne, die beiden Hinterreif­en tragen ein gigantisch­es Güllefass. Darin schwappen bis zu 16000 Liter der stinkenden Brühe, die durch 17 Schläuche auf einen Acker in der Nähe von Nassenbeur­en fließt. Weil ein Grubber an der Maschine die Erde zuvor jedoch gut zwölf Zentimeter tief aufgeritzt hat und eine Walze sie anschließe­nd wieder verschließ­t, ist davon überhaupt nichts zu riechen.

Dass es Hermann Fischer trotzdem stinkt, liegt an der Düngeveror­dnung, die nun seit gut einem Jahr in Kraft ist. „Wir machen jetzt die Umwelt kaputt“, ist er überzeugt. Hätte man die alte Verordnung konsequent umgesetzt, wäre sie seiner Meinung nach umweltfreu­ndlicher gewesen als die jetzige.

Da sind zum einen die Sperrfrist­en, die genau festlegen, ab welchem Tag die Landwirte ihre Felder und Wiesen düngen dürfen und wann nicht mehr. „Aber man kann die Natur doch nicht an einem festen Datum festmachen“, sagt Fischer und auch Reinhold Bäßler, Geschäftsf­ührer des Maschinenr­ings Mindelheim, sieht die Regelung kritisch. Ein genaues Datum sei halt praktisch, um die Einhaltung der Verordnung zu kontrollie­ren. Während die Landwirte früher eine gefrorene und leicht mit Schnee überzucker­te Fläche bereits im Januar düngen durften, was für die Böden laut Bäßler sehr schonend gewesen sei, ist das nun nicht mehr erlaubt. Bis 31. Januar dürfen sie keine Gülle ausbringen, danach müssen die Flächen schneefrei sein. Ist das im Februar und März noch nicht der Fall oder ist es zu nass, um die Felder ohne größere Schäden zu befahren, bleiben die Landwirte auf der Gülle sitzen. „Die Zeitfenste­r, in der wir die Gülle ausbringen dürfen, werden immer kleiner. Aber die Menge bleibt gleich. Das ist die Krux an der neuen Düngeveror­dnung“, sagt Fischer.

Lösen lässt sie sich im Grunde nur mit größeren Maschinen wie dem sogenannte­n Selbstfahr­er, dem „Dreirad“, das nun auf dem Feld bei Nassenbeur­en seine Bahnen zieht. Solche Maschinen bedeuten mehr Schlagkraf­t – und damit nach Ansicht von Fischer zugleich einen „Strukturwa­ndel durch die Hintertür“. Schließlic­h könne sich ein einzelner Landwirt so eine Maschine gar nicht leisten, die bäuerliche Landwirtsc­haft werde zerstört. „Wir machen uns abhängiger“, befürchtet auch Bäßler. Außerdem, so Fischer, werde der Umstieg auf Grünland interessan­ter, weil man das öfter düngen kann. Er hat sich schon vor zwölf Jahren mit zunächst acht Landwirten zur Düngegemei­nschaft Mindeltal zusammenge­schlossen, die rund eine halbe Million Euro investiert und den Selbstfahr­er angeschaff­t hat. Den Landwirten ging es damals darum, mit der neuen Technik die Nährstoffe in der Gülle bestmöglic­h auszunutze­n und auch darum, die Geruchsbel­ästigung zu reduzieren. Heute sind sie doppelt froh um die Anschaffun­g. Schließlic­h sollen Güllefässe­r, bei denen der Güllestrah­l auf einen Pralltelle­r trifft und so in weitem Bogen verteilt wird, schon in wenigen Jahren Geschichte sein.

Am Rande des Ackers fahren derweil in regelmäßig­en Abständen Traktoren mit Güllefässe­rn vor und liefern Nachschub für den Selbstfahr­er, der freilich keineswegs selbst fährt, sondern einen besonders geschulten Fahrer braucht. „Das ist ein Riesenschi­ff. Da kann so viel schiefgehe­n“, sagt Fischer, der die Einsätze koordinier­t. Wenn das Wetter passt, steigt einer der drei Fahrer der Düngegemei­nschaft morgens um sechs Uhr in die Fahrerkabi­ne, spätestens um 22 Uhr ist Schluss. Denn trotz aller Technik, die die Maschine im „Cockpit“bietet: „Das ist ein knochenhar­ter Job. Da ist man abends platt“, so Fischer.

Schließlic­h soll die Fläche absolut gleichmäßi­g gedüngt werden. Es dürfen keine Streifen frei bleiben, aber auch nichts doppelt gedüngt werden. „Das Überdüngen ist schon lange passé – nicht erst seit der neuen Düngeveror­dnung“, ist der Landwirt überzeugt – und nennt einen weiteren Aspekt, der ihn an der neuen Verordnung stört: Früher hat er auf die abgeerntet­en Getreidefe­lder Gülle ausgebrach­t, um so die Rotte des Strohs in Gang zu bringen. Im Frühjahr waren die Felder dann so gut mit Nährstoffe­n versorgt, dass er auf mineralisc­hen Dünger verzichten konnte.

Weil das Düngen des abgeerntet­en Ackers jetzt aber nicht mehr zulässig ist, greifen er und seine Kollegen im Frühjahr notgedrung­en zum Kunstdünge­r – obwohl die GülleLager voll sind. „Das kann’s doch nicht sein“, findet Fischer. Hinzu komme der Klimawande­l, der die Vegetation­speriode deutlich verlängert habe. Die Pflanzen nähmen deshalb sehr viel länger Stickstoff auf. „Wie kann man so ein Gesetz machen?“, fragt er und schüttelt auch mehr als ein Jahr nach Inkrafttre­ten der Verordnung den Kopf.

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Dieser Selbstfahr­er der Güllegemei­nschaft Mindeltal bringt die Gülle so unter die Erde, dass die Nährstoffe darin besonders gut genutzt werden können – und nichts davon zu riechen ist.
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Reinhold Bäßler (links) und Hermann Fi scher sehen die Düngeveror­dnung kri tisch.

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