Kann mich mal jemand fahren?
Markt Rettenbach Manchmal packt mich die Sehnsucht nach der Stadt. Besonders am Wochenende beim Studieren des Busfahrplans: Nach Markt Rettenbach fährt mal wieder kein Bus. Das bedeutet: Keine Möglichkeit, sich mit Freunden zu treffen, ohne es zwei Wochen vorher zu organisieren.
Ich bin auf die Fahrdienste meiner Eltern angewiesen, die nachts auf meinen Anruf warten. Ihnen schulde ich dann ewige Dankbarkeit bis zum eigenen Führerschein oder dem Umzug in die Stadt. Ach, wie schön ist Straßenbahn fahren...
Wie ist es möglich, ohne Auto auf dem Land zu überleben? Gar nicht. Oder indem man mit strammen Waden die langen Wege mit dem Fahrrad zurücklegt. Bei allen Beschwerden – ein Bus fährt wirklich zuverlässig: der Schulbus – um Viertel vor sieben definitiv zu früh und nach- mittags zu spät. Internetempfang gibt es auf der Busstrecke auch nicht.
Wobei das die meisten jungen Menschen – entgegen des gängigen Vorurteils – gar nicht so sehr stört. Uns fehlen kulturelle Möglichkeiten. Natürlich wird viel geboten, wenn man in Richtung Tradition blickt. Aber teilweise fehlt die Vielseitigkeit – etwas zwischen Fußball und Blasmusik. So also ist Initiative von Anwohnern gefragt.
Für kleine Kinder wäre ein Spielplatz ein guter Anfang. Ein öffentlicher Treffpunkt auch für die Eltern, die sonst ihr Leben mehr oder weniger im eigenen Garten verbringen.
Mal abends noch ein bisschen durch die Straßen schlendern, noch ein Eis essen – davon können wir Dorfbewohner nur träumen. Abends trifft man höchstens die Nachbarskatze.
Ich glaube, die Ruhe hält man nur aus, wenn man in einem Dorf geboren worden ist und es nicht anders kennt. Manchmal packt mich auf jeden Fall das Bedürfnis nach Lautstärke, Buntheit, unterschiedlichen Lebensformen.
Gute Geschichten liefern, das ist jedenfalls definitiv eine der Kernkompetenzen des Dorflebens: der „Dorftratsch“. Man braucht ja auch Unterhaltung. Manchmal wäre bei aller Nachbarschaftsfreude die Anonymität der Großstadt ganz gut, um nicht selbst zum Unterhaltungsobjekt zu werden. Alle Details unseres Daseins werden erfasst.
Ein weiterer Aspekt, der mich auf dem Land oft stört, sind Vorurteile gegenüber dem „Anderen und Fremden“. In Städten findet man häufig eine offenere Haltung gegenüber Neuem. Wer ständig Teil eines interkulturellen Zusammenlebens ist, baut Ängste ab. Würde man es schaffen, diese Vielfalt auf dem Land herzustellen, entstünde mehr Offenheit.