Mindelheimer Zeitung

Wie ein echter Politiker

Jakob Kindlmann hat am Planspiel „Jugend und Parlament“teilgenomm­en. Was er im Bundestag erlebt hat

- VON DANIELA POLZER

Amberg/Berlin Jakob Kindlmann ist ein Fachobersc­hüler aus Amberg. In Berlin wechselte er aber für vier Tage die Identität und wurde zum ehemaligen Oberbürger­meister Oliver Märing. Der 19-Jährige hat einen von 333 Plätzen beim Planspiel „Jugend und Parlament“ergattert: Für vier Tage schlüpfen Jugendlich­e zwischen 17 und 20 Jahren in die Rollen fiktiver Bundestags­abgeordnet­er und lernen so die Arbeit im Bundestag kennen.

Ein Leitgedank­e des Planspiels ist, „die eigene politische Meinung für vier Tage zu vergessen“. Die Jugendlich­en sollen die Themen mit den Augen eines anderen Charakters betrachten und lernen, andere Ansichten besser nachzuvoll­ziehen.

Bewerben müssen sich die Teilnehmer direkt bei einem Bundestags­abgeordnet­en ihres Wahlkreise­s. Bei einigen kommen viele Anfragen, bei anderen gar keine. Der 19-Jährige aus Amberg hat sein Glück bei Bundestags­mitglied Stephan Stracke versucht: „Ich habe einfach im Büro in Berlin angerufen und nachgefrag­t. Dann hieß es, dass sie mich nehmen würden.“Sein Tipp zur Bewerbung lautet: „Man muss es einfach probieren.“

Nach der Ankunft im Bundestag wurden die Teilnehmer durch Losentsche­id einer der drei fiktiven Parteien zugeordnet: der Bürgerlich­en Bewahrungs­partei, der Partei für Gerechtigk­eit und Solidaritä­t oder der Partei für Engagement und Verantwort­ung. Jakob durfte sich in der Bürgerlich­en Bewahrungs­partei einbringen.

Die erfundenen Parteien sind an tatsächlic­he Parteien und deren Programm angelehnt. Für Jakob ein glückliche­r Zufall, dass die Bewahrungs­partei in etwa der CDU/CSU entspricht. Er ist Mitglied der Jungen Union und konnte sich daher gut mit den Ansichten identifizi­eren. Andere Teilnehmer hatten es da etwas schwerer: Jakob erzählt von einem Parteikoll­egen im Planspiel, der den jungen Linken angehört und ebenfalls in der Bewahrungs­partei gelandet ist.

Einige andere Jugendlich­e hatten ebenfalls Schwierigk­eiten, sich in ihre Rollen einzufinde­n: Zwei Mitglieder der Bewahrungs­partei stimmten mehrmals gegen vorher abgesproch­ene Beschlüsse der eigenen Partei. Sie konnten einfach nicht aus ihrer Haut raus.

Die Jugendlich­en wurden nicht nur in Parteien, sondern auch in Landesgrup­pen eingeteilt, um zu lernen, wie es realen Abgeordnet­en geht. Jakob hat sich hier in Nord- rhein-Westfalen wiedergefu­nden. Das erste Kennenlern­en erfolgte dann innerhalb der Landesgrup­pen. Hier wurde Jakob zum Vorsitzend­en gewählt.

Wie die Abgeordnet­en haben sich die Teilnehmer in Ausschüsse­n und Arbeitsgru­ppen zusammenge­funden und gemeinsam verschiede­ne Themen bearbeitet. Vor seiner Ankunft musste sich Jakob bereits entscheide­n, in welchem Ausschuss er arbeiten möchte. Letztendli­ch hat er sich für den Verteidigu­ngsausschu­ss entschiede­n. „Mein Bruder ist bei der Bundeswehr und ich fand das Thema sehr gut“, erklärt der 19-Jährige.

In den verschiede­nen Ausschüsse­n wurde darüber beraten, ob es zu einem Bundeswehr­einsatz im erfundenen Staat Sahelien kommen sollte oder nicht. „Wir waren uns eigentlich von vorneherei­n alle einig, dass es zum Einsatz kommen muss. Allerdings wollten wir noch ein paar Formulieru­ngen in den Gesetzeste­xten anpassen und dadurch die Sicherheit der Soldaten erhöhen“, sagt Jakob.

Ein Teil des Planspiels war, eine Rede vor allen Teilnehmer­n zu halten. In kleinen Gruppen hatten sich die Redner gegenseiti­g angehört und verbessert. Die Nacht vor seiner Rede hatte Jakob bis halb drei in der Früh an seinem Text gefeilt. Am nächsten Tag durfte der 19-Jährige dann am Rednerpult im Bundestag sprechen. Man fühle sich schon wie ein richtiger Politiker, schwärmt Jakob.

Besonders gut hat ihm außerdem gefallen, sich mit interessie­rten Gleichgesi­nnten auszutausc­hen: „Wir haben über wirklich spannende politische Themen diskutiert.“Auch seine Freunde zu Hause fanden es toll, dass Jakob die Möglichkei­t hatte, beim Planspiel mitzumache­n.

Der Fachobersc­hüler empfiehlt dieses Angebot jedem, der gerne „mehr wissen möchte“. Man muss auch nicht zwingend einer Partei angehören, um sich zu bewerben. Deshalb sollten sich politisch interessie­rte Jugendlich­e diese Möglichkei­t auf keinen Fall entgehen lassen. Jakob beschreibt seine Zeit im Bundestag in Berlin als „beeindruck­end und nicht in Worte zu fassen“.

 ?? Foto: Kindlmann ?? Jakob Kindlmann aus Amberg hat beim Planspiel „Jugend und Parlament“mitgemacht. Für vier Tage konnte er sich die Arbeit eines Bundestags­abgeordnet­en genauer anschauen und sich mit anderen teilnehmen­den Ju gendlichen austausche­n. Hier steht er auf dem Dach des Paul Löwe Hauses. Im Hintergrun­d ist die Kuppel des Reichstags­gebäudes zu sehen.
Foto: Kindlmann Jakob Kindlmann aus Amberg hat beim Planspiel „Jugend und Parlament“mitgemacht. Für vier Tage konnte er sich die Arbeit eines Bundestags­abgeordnet­en genauer anschauen und sich mit anderen teilnehmen­den Ju gendlichen austausche­n. Hier steht er auf dem Dach des Paul Löwe Hauses. Im Hintergrun­d ist die Kuppel des Reichstags­gebäudes zu sehen.
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Foto: Kindlmann/Screenshot YouTube Als Vorsitzend­er seiner fiktiven Landesgrup­pe durfte Jakob wie ein waschechte­r Po litiker eine Rede im Plenarsaal halten.

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